Berlin. Das RKI sieht die Inzidenz wohl weiter als wichtigsten Indikator in der Pandemie. Das könnte beim anstehenden Gipfel für Streit sorgen.

Eins ist aus Sicht des Robert Koch-Instituts klar: „Die vierte Welle hat begonnen.“ So steht es in einem Papier, das der Chef des Instituts, Lothar Wieler, am Montag bei einer Schaltkonferenz mit den Chefs der Staatskanzleien der Länder präsentierte.

Das Dokument sorgte in der Runde für Wirbel – und dürfte auch in der Bevölkerung viele überraschen. Denn das RKI drängt wohl darauf, weiterhin die Inzidenz als Leitindikator für die Infektionsdynamik zu nutzen.

RKI sieht Inzidenz weiter als maßgeblichen Indikator für Corona-Dynamik

„Inzidenz ist Leitindikator für Infektionsdynamik (hohe Inzidenzen haben zahlreiche Auswirkungen)“, heißt es in dem Papier, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt und über das zuerst die „Bild“ und „The Pioneer“ berichtet hatten. Die Sieben-Tage-Inzidenz bleibe wichtig, um die Situation in Deutschland zu bewerten und frühzeitig Maßnahmen zur Kontrolle zu initiieren.

Das widerspricht dem bisherigen Kurs, den das RKI erst Mitte Juli eingeschlagen hatte. Einem Strategiepapier vom damaligen Zeitpunkt zufolge sollte auch die „Hospitalisierung als zusätzlicher Leitindikator“ für die Corona-Politik relevant werden. Es seien zwar „weiterhin mehrere Indikatoren zur Bewertung notwendig, aber die Gewichtung der Indikatoren untereinander ändert sich“, hieß es noch vor wenigen Wochen.

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RKI-Papier verursachte wohl Streit bei Länderschalte

Der sich andeutende Kurswechsel der obersten Einrichtung der Bundesregierung auf dem Gebiet der Krankheitsüberwachung führte wohl in der Telefonschalte der Ländervertreter zu größeren Diskussionen. So berichtete die „Bild“-Zeitung, dass mehrere Teilnehmer es ablehnten, die Inzidenz weiterhin als einzige Richtschnur zu benutzen.

Gesundheitsminister Jens Spahn und RKI-Chef Lothar Wieler vor dem Robert Koch-Institut in Berlin.
Gesundheitsminister Jens Spahn und RKI-Chef Lothar Wieler vor dem Robert Koch-Institut in Berlin. © dpa

Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) kündigte nach dem Bericht der Zeitung an, dass diese Strategiefrage beim nächsten Corona-Gipfel von Bund und Ländern zentral sein würde: Wenn das Ziel lediglich sei, die Krankenhäuser vor der Überlastung zu schützen, dann müsse man sehr hohe Inzidenzen bei jüngeren Menschen hinnehmen.

Wolle man dagegen weiterhin die Nachverfolgung durch die Gesundheitsämter garantieren, so müsste man den von RKI-Chef vorgeschlagenen Weg einer Niedrig-Inzindenz-Strategie einschlagen. Laut dem RKI hat Prävention weiterhin die höchste Priorität in der Pandemiebekämpfung. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Länder wollen am 10. August über das weitere Verfahren beraten.

RKI: Hohe Impfquoten reichen nicht aus, um vierte Welle abzuflachen

Zur aktuellen Lage heißt es in dem Papier, dass die Inzidenzen seit rund drei Wochen wieder stiegen, der Anteil der Hospitalisierungen seit rund zwei Wochen. Hohe Impfquoten alleine seien nicht ausreichend, die vierte Welle flach zu halten, heißt es weiter. Allerdings stockt es in Deutschland gerade generell beim Fortschritt der Corona-Impfungen. Die Nachfrage nach den Terminen für die Immunisierung lässt deutlich nach.

Zusätzliche „Basisschutz-Maßnahmen“ seien notwendig, um die vierte Welle so zu senken, dass die Patientenzahlen in Krankenhäusern nicht zu hoch würden. Als Maßnahmen nennt das Papier eine Reduzierung der Kontakte sowie eine Reduktion der Mobilität.

(bml/dpa)