Berlin. Zur Eigenmarke greifen statt zum Markenprodukt: Wie viel Ersparnis ist im Supermarkt drin? Der Vergleich mit erstaunlichem Ergebnis.

Die Inflation ist hoch. Im Juli betrug sie laut vorläufigen Angaben 7,5 Prozent. Das Leben wird deutlich teurer. Wer gegensteuern will, weil das Geld knapp ist, muss sich entscheiden: Wo schränke ich mich ein, was lasse ich weg und bei welchen Einkäufen gucke ich verstärkt auf den Preis?

Laut einer Umfrage der Hans-Böckler-Stiftung wollen fast 40 Prozent der Bevölkerung beim Einkauf von Lebensmitteln sparen. Sie gaben an, weniger zu Genussmitteln zu greifen sowie verstärkt beim Discounter einkaufen zu wollen.

Eine Alternative zu Verzicht und Ladenwechsel ist die Umstellung der Warenauswahl. Viele Konsumenten haben im Laufe der Jahre eine starke Bindung zu bestimmten Marken aufgebaut: Jacobs beim Filterkaffee zum Beispiel, Barilla bei Nudeln oder auch Rügenwalder Mühle bei der Wurst. In letzter Konsequenz denken viele kaum noch darüber nach, was der Griff zur bekannten Marke mit sich bringen kann: einen höheren Preis im Vergleich zur Konkurrenz.

Aldi: 90 Prozent des Sortiments besteht aus Eigenmarken

Bewusst von Markenprodukten absetzen wollen sich sogenannte Handels-, Eigen- oder Hausmarken. Diese haben Discounter oder Supermärkte seit Jahren im Sortiment. Ihr Anteil liegt mittlerweile über alle Anbieter gerechnet stabil bei über 30 Prozent, erklärt die Verbraucherzentrale Berlin. Besonders groß ist das Angebot an Eigenmarken beim Discounter. Aldi etwa gibt an, dass 90 Prozent des Sortiments daraus bestehen. Doch auch die Supermärkte haben deren Auswahl beständig ausgebaut: Die Marken im untersten Preissegment heißen dann „Tip“, „K-Classic“, „Ja“ oder „Gut und Günstig“.

Für Kundinnen und Kunden seien Eigenmarken in Zeiten der Inflation eine echte Chance, sagt Lena Mier von der Verbraucherzentrale Berlin. „Es lässt sich viel Geld damit sparen.“ Markenprodukte seien oft mehr als doppelt so teuer. Dabei würden sie mitunter sogar von den gleichen Herstellern produziert wie die Eigenmarken, wenn auch nicht immer nach der gleichen Rezeptur. Grund für die Preisunterschiede sind vor allem Kosten für Marketing und Produktentwicklung. Aber auch die Marge spielt dabei eine Rolle.

Supermarkt und Discounter: Darum sind Eigenmarken oft günstiger

Die Verbraucherschützer von Stiftung Warentest haben explizit untersucht, ob sich mit Handels-, Eigen- oder Hausmarken Geld sparen lässt, ohne große Einbußen bei der Qualität zu riskieren. Eine entsprechende Auswertung von 72 Tests ergab 2018, dass Handelsmarken oft nicht nur mithalten können, sondern manchmal sogar besser abschneiden. „Unsere Tester stoßen fast immer auf preiswerte Artikel, die mindestens so gut sind wie teurere. Diese tragen keine großen Namen, sie sind schlicht aufgemacht und tauchen nicht oder kaum in der Werbung auf“, erklärt Stiftung Warentest.

Doch wie hoch ist nun das Sparpotenzial einer konsequenten Umstellung? Um das herauszufinden, haben wir eingekauft – bei einem Supermarkt. Dabei griffen wir einmal zu Markenprodukten mit hohem Bekanntheitsgrad und zudem zur günstigsten Eigenmarke. Bei Obst und Gemüse war das nicht immer möglich. Hier haben wir die Handelsmarken gegen Bioprodukte und weniger bekannte Marken antreten lassen.

Der Test: Ersparnis mit Eigenmarken statt Markenprodukten

Wir haben 29 Produkte eingekauft, etwas weniger als ein Wocheneinkauf für einen Zwei-Personen-Haushalt. Kleine Haushalte mit einer oder zwei Personen sind nach Angaben der Bundeszentrale für politische Bildung mittlerweile in Deutschland in der Mehrheit. Der Einkauf, den man mit etwas anderer Produktauswahl wohl zweimal in der Woche einplanen müsste, passte in einen Rucksack und einen Stoffbeutel. Er war auch ohne Auto gut zu transportieren.

Unsere Auswahl umfasste mehr Gemüse (Zucchini, Möhren, Champignons, Rispentomaten, Gurke) als Obst (helle, kernlose Weintrauben), Milch, Butter, Joghurt, Sahne, Gnocchi, Mozzarella, Schafskäse, zwei Beutel Aufbackbrötchen, eine Packung Kräutertee, Kaffee und Espresso, Müsli und Honig. Dazu Spaghetti, passierte Tomaten, Lachs, Kartoffeln, Eiersalat, Gewürzgurken, eine Flasche Cola, eine Tüte Chips und Heidelbeer-Eis.

Beim Lachs (200 Gramm) haben wir zwei Bioprodukte eingekauft. Ebenfalls bio war der Espresso der Eigenmarke, hier gab es kein konventionelles Angebot. Fleisch und Wurst fehlten auf der Einkaufsliste. Von allen Produkten haben wir die gleiche Menge eingekauft.

Die Eigenmarken der Supermärkte und Discounter machen inzwischen einen großen Teil des Sortiments aus. Die Marken heißen etwa „Ja“, „Gut und Günstig“, „K-Classic“ oder „Tip“.
Die Eigenmarken der Supermärkte und Discounter machen inzwischen einen großen Teil des Sortiments aus. Die Marken heißen etwa „Ja“, „Gut und Günstig“, „K-Classic“ oder „Tip“. © picture alliance / photothek | Ute Grabowsky

Supermarktregal: Hier sind Eigenmarken zu finden

Nicht ausschließlich, aber in etwa 80 Prozent der Fälle mussten wir beim Griff zur Eigen- oder Hausmarke ganz unten oder ganz oben im Regal suchen. Die Strategie der Händler, die günstigsten Waren nicht in Augenhöhe zu platzieren, hat auf den von uns ausgewählten Supermarkt also zugetroffen.

Beim Gemüse waren vier der Handelsmarken im Angebot. Die Weintrauben etwa oder auch Zucchinis, Rispentomaten und Möhren waren dabei extrem günstig. Die Trauben kosteten 2,22 Euro pro Kilogramm, die Tomaten 1 Euro, die Zucchini 99 Cent, die Möhren 1,32 Euro. Die Produkte sind als Sonderangebote in App und Einkaufsprospekt sowie mit einem roten Hinweisschild am Regal beworben worden. Sie dürften so günstig angeboten worden sein, um Menschen in den Laden zu locken – damit sie dort ihr Geld ausgeben und nicht bei der Konkurrenz.

Zwei Einkäufe – zwei sehr unterschiedliche Kassenbons

Nach etwa einer halben Stunde sind die Rollkörbe voll. An der Kasse dann die Erkenntnis: Der Unterschied in der Bon-Summe der beiden Einkäufe ist deutlich. Wir haben 104,10 Euro für die Markenprodukte bezahlt und 49,29 Euro für die Eigenmarken – also 54,81 Euro oder 52 Prozent weniger. Wären wir bei der Milch oder auch beim Gemüse bei Bioqualität geblieben, hätten wir etwa 57 Euro gezahlt. Hätten wir zudem unsere teureren Lieblingsgnocchi und -chips gekauft, weil wir auf diese einfach nicht verzichten wollen, wären es noch einmal 3 Euro mehr geworden.

Der Preis wird wichtiger, wenn die Inflation steigt. Für 36 Prozent der Deutschen ist er aktuell laut einer Studie der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) das wichtigste Kriterium bei der Kaufentscheidung für Lebensmittel. Die GfK geht davon aus, dass Eigenmarken die großen Gewinner der Krise werden könnten. Ihr Anteil am Umsatz ist den Angaben zufolge im ersten Quartal bereits gestiegen – zum ersten Mal seit Jahren wieder.

Dieser Text erschien zuerst auf morgenpost.de.