Berlin. Seit Tesla-Chef Elon Musk Twitter aufgekauft hat, kündigen viele den Wechsel zu Mastodon an. Was das soziale Netzwerk anders macht.

Der erste Unterschied ist offensichtlich: Während das Symbol des sozialen Netzwerks Twitter ein zwitschernder Vogel ist, trötet bei Mastodon dem Namen entsprechend ein Mammut. Die Posts heißen demnach auch nicht "Tweets", sondern konsequenterweise "Toots" oder "Tröts". Doch das ist längst nicht alles, was das soziale Netzwerk zur echten Twitter-Alternative macht. Dabei fing alles in einer knapp 110.000 Einwohnenden großen Stadt in Deutschland an.

Als der deutsche Programmierer Eugen Rochko im Oktober 2016 in der Thüringer Universitätsstadt Jena seinen eigenen Micro-Blogging-Dienst veröffentlichte, ahnte er wahrscheinlich nicht, dass Mastodon eines Tages für viele Menschen den Tech-Giganten Twitter ablösen würde.

"Ich war enttäuscht von Twitter", erklärte der Rochko, der jüdisch-russische Wurzeln hat, seinen Ursprungsgedanken 2017 in einem Interview. Und es scheint, als könnten viele Menschen Rochkos Gefühle nachvollziehen.

Mastodon existiert seit 2016, doch die Nutzerwelle brachte Musk

Denn heute, sechs Jahre später, ist Mastodon auf der ganzen Welt bekannt und zählt rund 5,7 Millionen Nutzer und Nutzerinnen. Besonderen Zuwachs gewann das soziale Netzwerk allein in diesem Jahr in zwei Zeiträumen: jenem, in dem Tesla-Chef Elon Musk verkündete, dass er Twitter kaufen werde, und jenem, in dem er den Handel vollendete.

Allein am 28. Oktober – dem Tag, an dem Musk den abgeschlossenen Deal verkündete – zählte Mastodon fast 50.000 neue Accounts. Und es liegt nahe, dass ein erheblicher Teil davon Personen gehört, die kurz zuvor noch bei Twitter geschrieben haben: Nach Musks Übernahme trendete der Begriff "Mastodon" auf Twitter, mehrere große Accounts und Promis verkündeten ihren Wechsel.

Der Vogel fliegt davon: Elon Musk sorgte für einen regelrechten Exodus bei Twitter
Der Vogel fliegt davon: Elon Musk sorgte für einen regelrechten Exodus bei Twitter © Chris DELMAS / AFP

Selbst deutsche Behörden tröten bereits auf eigenen Mastodon-Accounts: unter anderem der Bundesdatenschutzbeauftragte, die Landesdatenschutzbehörde Baden-Württemberg und die Berliner Datenschutzbehörde. Wie wurde Mastodon zur ernstzunehmenden Alternative für Twitter?

Mastodon bietet technische Vorteile gegenüber Twitter

Obwohl bei vielen Nutzern und Nutzerinnen auch der Nachahmungseffekt eine Rolle spielen dürfte, bietet Mastodon vor allem technisch relevante Vorteile. Im Gegensatz zu den herkömmlichen sozialen Medien ist Mastodon ein dezentrales Netzwerk. Das bedeutet, dass der Dienst nicht zentral an einem Ort liegt, sondern über viele verschiedene dezentralisierte Server betrieben wird, die miteinander agieren.

Die Server sind sogenannte Instanzen, die jeweils Teil des "Fediverse" oder "Fediversums" sind. Auch die oben genannten deutschen Behörden und die Datenschutzbehörde der EU verfügen über eigene Instanzen bei Mastodon.

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    Über dieses Netzwerk sind die unabhängigen sozialen Netzwerke miteinander verbunden. Das bedeutet, dass Nutzende ein Profil auf einem der Netzwerke anlegen und trotzdem mit einem der anderen Netzwerke kommunizieren können; ähnlich, wie wenn Outlook-Nutzende eine E-Mail auf ein Gmail-Konto schicken wollen. Ermöglicht wird das durch gemeinsame Kommunikationsprotokolle.

    Das Fediversum steht damit im Gegensatz zu geschlossenen Netzwerken, wie sie auch Facebook und Twitter nutzen. Dort brauchen Nutzende auf jedem geschlossenen Netzwerk jeweils einen Account, um mit Accounts eines anderen geschlossenen Netzwerks kommunzieren zu können – also ein Profil auf Twitter, ein Profil auf Facebook, ein Profil auf Instagram.

    Twitter-Ersatz: Auch Mastodon ist nicht frei von Problemen

    Inzwischen zählt Mastodon über 3700 Instanzen, die den Dienst tragen. Auch deshalb führten Elon Musks Twitter-Ankündigungen und der enorme Andrang kurzzeitig zu Serverproblemen: Als der Tech-Milliardär den Handel im April erstmals bekannt gab, verdoppelten sich die Anzahl der Posts auf Mastodon innerhalb weniger Wochen, der Dienst kämpfte durch die Masse mit technischen Schwierigkeiten.

    Zudem steckt hinter Mastodon eine sogenannte "Open Source Software" – der Quellcode ist also frei verfügbar und kann von jedem genutzt werden. Die fehlende Kontrolle führte 2019 zu einem Andrang von Personengruppen, die Mastodon-Gründer Rochko in seinem Netzwerk offenbar lieber nicht sehen will.

    Als das wegen Hassrede, Rassismus und Antisemitismus umstrittene US-amerikanische Netzwerk Gab zu Mastodon übersiedelte, distanzierte sich der Mastodon-Gründer in einem öffentlichen Statement. Trotz des freien Quellcodes arbeite Mastodon nicht mit jedem Projekt zusammen, hieß es dort über das bei Neonazis beliebte Gab. Seither haben viele der teilnehmenden Server das Mastodon-Projekt von Gab blockiert.

    Der Kurznachrichtendienst Mastodon funktioniert ähnlich wie Twitter.
    Der Kurznachrichtendienst Mastodon funktioniert ähnlich wie Twitter. © IMAGO / Zoonar

    Twitter-Alternative Mastodon: So funktioniert das Netzwerk

    Dabei ist Mastodon bei vielen Nutzenden vor allem für seine angenehme Kommunikations-Atmosphäre beliebt. Mastodon besitzt eine "Content-Warnung", mit der sensible Inhalte oder unbeliebte Themen ausgeblendet werden können. Die Hausregeln, also die Netiquette, sind auf den unterschiedlichen Instanzen allerdings meist verschieden.

    So können sich Nutzende aussuchen, auf welcher Instanz sie ihr Profil anlegen – etwa, wenn sie mit Gleichgesinnten zu einem bestimmten Thema schreiben wollen. Das Flagschiff "Mastodon.social" dürfte allerdings der beliebteste Server sein. Ist das Profil erstmal kreiert, läuft der Dienst in seinen Funktionen ähnlich wie Twitter.

    Die angemeldeten User und Userinnen verbreiten ihre Kurznachrichten in Tröts und haben dafür 500 freie Zeichen. Bei Twitter sind es deren lediglich 280. Auf Mastodon lassen sich Tröts favorisieren, verschicken und in Listen sortieren. Das Besondere: Durch die verschiedenen Instanzen können Nutzende auswählen, ob sie nur die Tröts ihrer eigenen Instanz oder auch jene einer anderen Instanz sehen wollen.

    Damit sieht Mastodon am Anfang vielleicht etwas komplizierter aus, bietet aber zweifellos die nutzer- und nutzerinnenfreundlichere Alternative zu Twitter. Dass dort weder Werbebeiträge noch Elon Musk ihr Unwesen treiben, dürfte für die meisten aber der wohl wichtigste Pluspunkt der Plattform sein.

    Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.