Berlin. Der gewaltsame Tod des Chefarztes Fritz von Weizsäcker hatte Entsetzen ausgelöst. Nun wurde der Angeklagte wegen Mordes verurteilt.

Reue war beim Mörder von Fritz von Weizsäcker bis zum Schluss nicht erkennbar. Am Ende seines Schlusswortes sagte er: „Damit ist der Drops gelutscht.“ Dann sprach das Berliner Landgericht am Mittwoch sein Urteil – knapp acht Monate nach dem tödlichen Messerangriff auf den Chefarzt von Fritz Weizsäcker.

Der 57-jährige Angeklagte erhielt wegen Mordes und versuchten Mordes eine Gesamtstrafe von zwölf Jahren Gefängnis. Zudem wurde die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Staatsanwaltschaft hatte 14 Jahre Haft und eine Unterbringung in der Psychiatrie gefordert.

Mord an Fritz von Weizsäcker: Täter leidet an psychischer Störung

Heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen habe der Mann dem jüngsten Sohn des früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker (1920-2015) gegen Ende eines Vortrags in der Schlosspark-Klinik Berlin ein Messer in den Hals gerammt, begründeten die Richter ihre Entscheidung.

Weil der deutsche Angeklagte wegen einer psychischen Störung laut einem Gutachten in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert war, erging gegen ihn keine lebenslange Freiheitsstrafe, wie sie sonst bei Mord verhängt wird.

Zudem wurde der 57-Jährige aus Andernach in Rheinland-Pfalz des versuchten Mordes an einem Polizisten schuldig gesprochen. Der 34-jährige Beamte wollte den Professor retten und war durch mehrere Messerstiche verletzt worden, als er den Attentäter überwältigte. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Mordmotiv: Hass auf die Familie von Weizsäcker

Der 59-jährige Weizsäcker, Chefarzt für Innere Medizin an der Schlosspark-Klinik, wurde am Abend des 19. November 2019 erstochen. Sein Tod hatte bundesweit Erschütterung ausgelöst. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach von einem „entsetzlichen Schlag für die Familie“.

Als Motiv sah die Staatsanwaltschaft Hass auf die Familie des Getöteten, insbesondere auf den früheren Bundespräsidenten. Er habe als „Kollektivschuld“ Tote im Vietnam-Krieg rächen wollen. Dabei habe er sich auf eine frühere Tätigkeit von Richard von Weizsäcker in den 60er Jahren für ein Pharmaunternehmen bezogen. Ein politischer Mord sei es allerdings nicht gewesen. „Es war die sinnlose Tat eines psychisch nicht unerheblich gestörten Mannes“, sagte Staatsanwältin Silke van Sweringen. Tatsächlich sei es ihm darum gegangen, sich selbst durch die Tat „aus dem Sumpf seines Alltags zu ziehen“.

Das ist die Familie von Weizsäcker

Richard von Weizsäcker war als Bundespräsident einer der wohl populärsten Deutschen seiner Zeit. Doch die Familie hat viele prominente Mitglieder. Aus Anlass der Feier zum 40. Jahrestag des Grundgesetzes im Mai 1989 trafen Mitglieder der Familie des Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker in Bonn zusammen. (l.-r.): Sohn Andreas mit Frau, Frau Marianne von Weizsäcker, die Söhne Fritz, Robert und Tochter Beatrice.
Richard von Weizsäcker war als Bundespräsident einer der wohl populärsten Deutschen seiner Zeit. Doch die Familie hat viele prominente Mitglieder. Aus Anlass der Feier zum 40. Jahrestag des Grundgesetzes im Mai 1989 trafen Mitglieder der Familie des Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker in Bonn zusammen. (l.-r.): Sohn Andreas mit Frau, Frau Marianne von Weizsäcker, die Söhne Fritz, Robert und Tochter Beatrice. © picture-alliance / dpa | dpa Picture-Alliance / dpa
Richard Karl Freiherr von Weizsäcker (1920-2015) war von 1984 bis 1994 Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland. Zuvor war er als Jurist in der Wirtschaft tätig und von 1981 bis 1984 regierender Bürgermeister von Berlin.
Richard Karl Freiherr von Weizsäcker (1920-2015) war von 1984 bis 1994 Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland. Zuvor war er als Jurist in der Wirtschaft tätig und von 1981 bis 1984 regierender Bürgermeister von Berlin. © imago stock&people | imago stock&people
Richard von Weizsäcker (r.) mit Michael Gorbatschow (M., Generalsekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion) und Helmut Kohl (l., Bundeskanzler) bei einem Treffen in Bonn 1989.
Richard von Weizsäcker (r.) mit Michael Gorbatschow (M., Generalsekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion) und Helmut Kohl (l., Bundeskanzler) bei einem Treffen in Bonn 1989. © picture alliance / IMAGNO/Votava | dpa Picture-Alliance /
Marianne von Weizsäcker – hier mit Sohn Fritz im Jahr 2010 – engagierte sich spätestens wohltätig, seit ihr Mann regierender Bürgermeister von Berlin wurde. Dabei hielt sich die Frau des Bundespräsidenten bewusst aus medialem Trubel heraus.
Marianne von Weizsäcker – hier mit Sohn Fritz im Jahr 2010 – engagierte sich spätestens wohltätig, seit ihr Mann regierender Bürgermeister von Berlin wurde. Dabei hielt sich die Frau des Bundespräsidenten bewusst aus medialem Trubel heraus. © imago images/Tinkeres | imago stock
Besonders deutlich wurde die Haltung von Marianne von Weizsäcker, als sie einer Initiative der First Lady Nancy Reagan 1986 zum Thema Drogenbekämpfung fernblieb. Für Marianne von Weizsäcker war es nicht nachvollziehbar, dass drogenabhängige Jugendliche bei der Präsentation des Projektes den Medien preisgegeben wurden.
Besonders deutlich wurde die Haltung von Marianne von Weizsäcker, als sie einer Initiative der First Lady Nancy Reagan 1986 zum Thema Drogenbekämpfung fernblieb. Für Marianne von Weizsäcker war es nicht nachvollziehbar, dass drogenabhängige Jugendliche bei der Präsentation des Projektes den Medien preisgegeben wurden. © picture-alliance / dpa | dpa Picture-Alliance / Popp
Robert von Weizsäcker wurde 1954 in Essen geboren und ist der älteste Sohn von Richard und Marianne von Weizsäcker. Robert von Weizsäcker ist Ökonom und war Dozent an verschiedenen Universitäten und Forschungsinstituten. Er ist auch Fernschach-Großmeister und Ehrenpräsident des Deutschen Schachbundes.
Robert von Weizsäcker wurde 1954 in Essen geboren und ist der älteste Sohn von Richard und Marianne von Weizsäcker. Robert von Weizsäcker ist Ökonom und war Dozent an verschiedenen Universitäten und Forschungsinstituten. Er ist auch Fernschach-Großmeister und Ehrenpräsident des Deutschen Schachbundes. © imago sportfotodienst | imago sportfotodienst
Andreas von Weizsäcker wurde 1956 in Essen geboren und ist 2008 in Gauting gestorben. Andreas von Weizsäcker war Bildhauer und Hochschullehrer für Kunst.
Andreas von Weizsäcker wurde 1956 in Essen geboren und ist 2008 in Gauting gestorben. Andreas von Weizsäcker war Bildhauer und Hochschullehrer für Kunst. © CC BY-SA 4.0 | Rudolf H. Boettcher
Eines seiner bekanntesten Werke war die Installation „Hangover“ unter der Raschplatzhochstraße in Hannover – hier zu sehen im Jahr 2018.
Eines seiner bekanntesten Werke war die Installation „Hangover“ unter der Raschplatzhochstraße in Hannover – hier zu sehen im Jahr 2018. © imago/Henning Scheffen | HENNING SCHEFFEN PHOTOGRAPHY
Marianne Beatrice von Weizsäcker wurde – wie ihre Brüder – in Essen geboren, während ihr Vater im Ruhrgebiet als Jurist in der Wirtschaft arbeitete. Beatrice von Weizsäcker ist Juristin, Journalistin und Autorin. Sie ist auch Mitglied des Präsidiums des Deutschen Evangelischen Kirchentags und des 3. Ökumenischen Kirchentags 2021.
Marianne Beatrice von Weizsäcker wurde – wie ihre Brüder – in Essen geboren, während ihr Vater im Ruhrgebiet als Jurist in der Wirtschaft arbeitete. Beatrice von Weizsäcker ist Juristin, Journalistin und Autorin. Sie ist auch Mitglied des Präsidiums des Deutschen Evangelischen Kirchentags und des 3. Ökumenischen Kirchentags 2021. © imago stock&people | imago stock&people
Bundespräsident Richard von Weizsäcker auf dem Ball des Sports 1987 mit seinem Sohn Fritz von Weizsäcker. Fritz von Weizsäcker ist das jüngste Kind des Ehepaars von Weizsäcker.
Bundespräsident Richard von Weizsäcker auf dem Ball des Sports 1987 mit seinem Sohn Fritz von Weizsäcker. Fritz von Weizsäcker ist das jüngste Kind des Ehepaars von Weizsäcker. © picture-alliance / Wolfgang Eilm | dpa Picture-Alliance / Wolfgang Eilmes
Der Mediziner von Weizsäcker wurde 1960 geboren. Am 19. November wurde er in der Schlosspark-Klinik in Berlin erstochen. Fritz von Weizsäcker war Chefarzt für innere Medizin an der Klinik und hatte vor seinem Tod dort einen Vortrag gehalten. Schwerpunkt seiner medizinischen Tätigkeit war die Behandlung von Hepatitis B und C.
Der Mediziner von Weizsäcker wurde 1960 geboren. Am 19. November wurde er in der Schlosspark-Klinik in Berlin erstochen. Fritz von Weizsäcker war Chefarzt für innere Medizin an der Klinik und hatte vor seinem Tod dort einen Vortrag gehalten. Schwerpunkt seiner medizinischen Tätigkeit war die Behandlung von Hepatitis B und C. © dpa | Eventpress Herrmann
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Angeklagter zeigt keinerlei Reue

An acht Prozesstagen saß der Angeklagte in seiner Panzerglas-Box. Ein schmächtiger Mann mit Brille, der zuletzt als Lagerist in einem Logistikzentrum arbeitete. Er hatte den Angriff bereits am Tatort und auch im Prozess gestanden, dabei aber keinerlei Reue oder Zweifel gezeigt.

Er habe sich im Recht gefühlt. „Wenn ich es nicht gemacht hätte, wäre ich eingegangen“, sagte er. Weil er nicht an den früheren Bundespräsidenten kam, habe er die Familie ins Visier genommen. Er habe die Tat „aus politischer Überzeugung und nicht aus Wahn heraus begangen“. Ein Anschlag auf die Familie sei seit 30 Jahren sein „Lebensziel“ gewesen.

Auch die Anwälte der Nebenkläger – darunter die Schwester des Getöteten, Beatrice von Weizsäcker – gingen davon aus, dass der Angeklagte das Unrecht seiner Tat habe einsehen können. „Seine hassvolle Haltung und die Gefährlichkeit für die Familie Weizsäcker besteht fort“, so die Nebenklage-Anwälte. Fritz von Weizsäcker sei mit Leib und Seele Arzt gewesen. Es sei dem Angeklagten auch nicht um den Vietnam-Krieg gegangen. Er sei ein kranker Mann, „der kein politisches Zeichen setzen wollte“.

Der Angeklagte störte die Verhandlung durch Zwischenrufe

Immer wieder störte der Angeklagte durch Zwischenrufe die Plädoyers – wie er zuvor häufig die Befragung von Zeugen gestört hatte. Er selbst hatte sich in seinem Geständnis als Zwangsneurotiker, Ex-Nazi und verkrachte Existenz beschrieben. Von dem psychiatrischen Gutachter fühlte er sich „falsch interpretiert“. Er sei nicht krank, so der Angeklagte.

Die beiden Verteidiger sprachen sich für eine Verurteilung wegen Mordes an dem Mediziner aus und verlangten im Fall des Polizisten einen Schuldspruch wegen gefährlicher Körperverletzung. Eine konkrete Freiheitsstrafe beantragten sie nicht. Er sehe allerdings nicht, dass weitere Gefahr von seinem Mandanten ausgeht, so einer der Verteidiger. Die Frage der Schuldfähigkeit war ein zentraler Punkt in dem Prozess.

(dpa/bef)