Paris. In Paris wird eine Katze vom Zug überfahren – obwohl die Besitzer das Personal warnten. Für Frankreichs Bahn könnte das teuer werden.

Neko heißt – oder genauer: hieß – die derzeit bekannteste Katze Frankreichs. Sogar Innenminister Gérald Darmanin hat ihr Schicksal aufgewühlt. Denn leider ist die Berühmtheit des vierjährigen Katers mit seinem schönen, weiß-beigen Fell posthum.

Neko wurde Anfang Januar im Pariser Bahnhof Montparnasse von einem anfahrenden Zug überrollt und auf der Stelle getötet.

Tatsächlich war der Kater seiner Besitzerin, dem 15-jährigen Mädchen Melaïna, aus einer Tragetasche entwischt und hatte sich unter einen Schnellzug geflüchtet. Während Melaïna sich verzweifelt bemühte, Neko dort wieder hervorzulocken, alarmierte ihre Mutter das Bahnhofpersonal und bat um Hilfe sowie darum, die Abfahrt des Zuges erst einmal zu verzögern.

Empörung über Herzlosigkeit der Staatseisenbahn SNCF

Doch sie stieß auf taube Ohren. Nach 20 Minuten setzte sich der Zug in Bewegung, fahrplanmäßig, und besiegelte Nekos Schicksal. Ganz Frankreich ist schockiert. „Man hat uns vorgeworfen, unseren Kater nicht an eine Leine gelegt zu haben und erklärt, dass es aus organisatorischen Gründen vollkommen unmöglich sei, die Abfahrt eines TGV (Hochgeschwindigkeitszug) zu verzögern“, erzählten Melaïna und ihre Mutter dem Fernsehsender BFMTV.

Kater Neko büxte aus und wurde vom Zug überfahren.
Kater Neko büxte aus und wurde vom Zug überfahren. © Twitter / @Vegan_Corp | Twitter / @Vegan_Corp

Eine Entschuldigung lehnte die Bahnhofsdirektion kategorisch ab, bot den beiden Frauen aber „zum Trost“ Freifahrkarten für den nächsten TGV zu ihrem Reiseziel Bordeaux an. Innerhalb weniger Tage schlug die landesweite Empörung über die „Herzlosigkeit“ der Staatseisenbahn SNCF solche Wellen, dass sich sogar der Innenminister zu Wort meldete.

„Der Vorfall im Bahnhof Montparnasse hat mich ebenso schockiert wie viele unserer Mitbürger“, erklärte Darmanin anlässlich des Besuchs eines Tierheims. „Noch schockierender aber ist die Art und Weise, wie die SNCF mit dieser schrecklichen Angelegenheit umgegangen ist.“ Wenig später versprach der Minister auf Twitter nicht nur, die polizeilichen Mittel für die Bekämpfung der Gewalt gegen Tiere und zur Stärkung des Tierschutzes zu verbessern. Er wolle auch untersuchen lassen, ob es beim Tod von Neko eine strafrechtliche Verantwortung gebe.

Haustierorganisation hat Klage angestrengt

Die Tragödie um den überrollten Kater Neko ist damit zu einem Politikum geworden – und könnte darüber hinaus ein gerichtliches Nachspiel haben. Wegen „schwerer Misshandlung und Grausamkeit mit Todesfolge für ein Tier“ hat die Haustierorganisation „30 Millionen Freunde“ vergangene Woche eine Klage gegen die SNCF angestrengt.

Die französische Staatsbahn könnte gerichtlich zur Verantwortung gezogen werden.
Die französische Staatsbahn könnte gerichtlich zur Verantwortung gezogen werden. © dpa | Christophe Ena

Die Eisenbahngesellschaft, so eine Sprecherin der Organisation, sei schon deswegen für die Sicherheit der Katze verantwortlich gewesen, weil sie Haustiere nicht gratis transportiere und Melaïnas Mutter folgerichtig eine Fahrkarte für Neko habe lösen müssen.

Die Eisenbahngesellschaft hat mittlerweile mehrfach Bedauern über den „unglücklichen Tod“ des Katers ausgedrückt. Zu ihrer Verteidigung führt sie ins Treffen, dass das Bahnpersonal nicht habe einschreiten können, weil ihm wegen der Gefahr eines Stromschlages das Betreten der Gleise strikt verboten ist.

Ebenso wenig sei es möglich gewesen, die Abfahrt des Schnellzuges zu verzögern. Sie hätte auf diesem zweitgrößten Bahnhof von Paris eine von weiteren Verzögerungen, möglicherweise sogar die Annullierung mehrerer Züge ausgelöst, was beides Tausende von Passagieren in Mitleidenschaft zu ziehen drohte.

Bahn: Geldstrafe von bis zu 75.000 Euro möglich

Sollte es tatsächlich zu einem Prozess kommen, könnte eine Geldstrafe von bis zu 75.000 Euro gegen die SNCF verhängt werden sowie bis zu fünf Jahren Haft für den oder die Verantwortlichen des Bahnhofs Montparnasse. Lesen Sie auch: Deutsche Bahn: Diese Regeln gelten für die Hunde-Mitnahme

2015 ist in Frankreich, wo in mindestens jedem zweiten Haushalt ein Hund oder eine Katze leben, ein Gesetz in Kraft getreten, welches Tiere als Wesen anerkennt, die Gefühle haben und Schmerzen empfinden können. Zuvor galten sie juristisch als Sachobjekte. Die Verabschiedung dieses Textes ging mit einer empfindlichen Erhöhung der Strafen für Tierquälerei einher, die 2021 noch einmal verschärft worden sind.