Warschau/Berlin. Alle Stimmen sind ausgezählt. Die Regierungspartei hat die Wahl in Polen gewonnen. Doch das Oppositions-Bündnis kommt auf mehr Stimmen.

  • Das amtliche Ergebnis der Wahl in Polen ist da
  • Die Regierungspartei PiS hat die meisten Stimmen auf sich vereint
  • Doch die Opposition um Donald Tusk hat insgesamt die Mehrheit der Sitze im Sejm errungen

Es ist amtlich: Bei der Parlamentswahl in Polen hat ein Bündnis aus drei Oppositionsparteien eine Mehrheit der Sitze errungen. Das gab die Wahlkommission in Warschau am Dienstag nach Auszählung aller Stimmen bekannt. Die bisherige Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) verfehlte demnach die absolute Mehrheit.

Zwar kommt die rechtsnationale PiS auf gut 35 Prozent der Stimmen und liegt damit vor der zweitplatzierten liberal-konservativen Bürgerkoalition von Donald Tusk, die knapp 31 Prozent holte. Doch der PiS fehlt es an Bündnispartnern, um eine Regierungsmehrheit im Sejm zu organisieren.

Wahl in Polen: Opposition feiert Ergebnis als Erfolg

Damit dürfte die Stunde der Opposition geschlagen haben. Zwar wird Staatspräsident Andrzej Duda in den kommenden Tagen voraussichtlich die PiS als Wahlsieger – wie in Polen üblich – mit der Regierungsbildung beauftragen. Ein Erfolg scheint aber unwahrscheinlich.

Donald Tusk will mit seiner Bürgerkoalition die in Polen regierende PiS ablösen.
Donald Tusk will mit seiner Bürgerkoalition die in Polen regierende PiS ablösen. © Getty Images | Sean Gallup

Vielmehr könnte anschließend eine Koalition aus Bürgerkoalition, Drittem Weg und Neuer Linken entstehen. Die drei Parteien hatten bereits vor der Wahl klargemacht, dass sie die PiS als Regierung Polens ablösen möchten. Dieses Szenario scheint nun als wahrscheinlich.

Die Opposition um Ex-Permier Donald Tusk feierte die Prognose am Sonntag bereits als Erfolg. „Polen hat gewonnen, die Demokratie hat gewonnen“, sagte er am Abend. „Wir werden bald eine Regierung bauen.“

Partei/BündnisWahlergebnis laut Prognose
PiS (Recht und Gerechtigkeit)35,38 Prozent
Bürgerkoalition30,7 Prozent
Dritter Weg14,4 Prozent
Neue Linke8,61 Prozent
Konföderation7,16 Prozent

Über das Endergebnis berichtete am Dienstag zunächst die Nachrichtenagentur Reuters.

Hohe Wahlbeteiligung bei Parlamentswahl in Polen

Bereits im Laufe des Wahltags hatte sich bei der Wahl eine rege Beteiligung abgezeichnet. Wie die Wahlkommission mitteilte, hatten bis 17 Uhr rund 57,5 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben. Der Sender TVN24 zeigte Bilder aus mehreren Städten, in denen Wähler vor den Wahllokalen Schlange standen. Bei der vorherigen Wahl im Oktober 2019 hatten bis 17 Uhr nur gut 46 Prozent der Wähler abgestimmt.

Bei dem Urnengang entschieden die Polinnen und Polen über die Verteilung der 460 Abgeordnetenmandate im Sejm sowie über die 100 Sitze im Senat, der zweiten Kammer des Parlaments. Seit 2015 regiert in Polen die nationalkonservative PiS um Jarosław Kaczyński. Sie polarisierte in den vergangenen Jahren durch ihren offen ausgetragenen Konflikt mit der EU und einen kontinuierlichen Abbau der Rechtsstaatlichkeit.

Polen stimmt über ein neues Parlament ab. Bis zum Mittag war die Wahlbeteiligung hoch.
Polen stimmt über ein neues Parlament ab. Bis zum Mittag war die Wahlbeteiligung hoch. © imago/Eastnews | IMAGO/Wojciech Olkusnik

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Polen stimmt außerdem über Referendum ab

Parallel zur Parlamentswahl stimmten die Polen in einem Referendum über vier Fragen ab. Eine davon befasst sich mit dem EU-Asylkompromiss. Dieser sieht vor, dass die Aufnahme von Flüchtlingen künftig nicht mehr freiwillig, sondern verpflichtend sein soll. Länder, die keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, würden zu Ausgleichszahlungen gezwungen. Die PiS-Regierung lehnt das ab.

Die konkrete Frage beim polnischen Referendum lautete: „Unterstützen Sie die Aufnahme von Tausenden illegalen Einwanderern aus dem Nahen Osten und Afrika nach dem von der europäischen Bürokratie auferlegten Mechanismus der verpflichtenden Aufnahme?“ Der Ausgang der Volksabstimmung hat keinen Einfluss auf den EU-Entscheidungsprozess. Die anderen Fragen befassen sich mit der Privatisierung staatlicher Unternehmen, dem Renteneintrittsalter und der Barriere an Polens Grenze zu Belarus. Ergebnisse liegen noch nicht vor.