Berlin. Bürgergeld spaltet die Gesellschaft: Kritiker behaupten, Arbeiten würde sich nicht mehr lohnen. Wir haben berechnet, ob das stimmt.

Seit dem 1. Januar 2023 gibt es das Bürgergeld. Sowohl in der Gesellschaft als auch in der Politik wurde viel über seine Einführung diskutiert. Den einen ging die Reform nicht weit genug – andere hielten sie für zu weitreichend.

Kritik am Bürgergeld: Lohnt sich Arbeiten überhaupt noch?

Zu der Gruppe, die das Bürgergeld für zu großzügig und die Regeln für zu lasch halten, gehören große Teile der Union. Als den "völlig falschen Ansatz" bezeichnete etwa der bayerische Ministerpräsident Markus Söder das Arbeitslosengeld bereits vor seiner Einführung. "Jemand der arbeitet muss mehr haben als jemand der nicht arbeitet", sagte der CSU-Politiker dem Nachrichtensender "Welt".

Sein Vorwurf, der auch von anderen Kritikern unterstützt wird: Durch die Anhebung der Regelsätze sollen Menschen, die Bürgergeld beziehen, mehr Geld bekommen als Personen, die für einen niedrigen Stundenlohn arbeiten. Doch stimmt das? Wir haben nachgerechnet.

Bürgergeld: Genaue Höhe ist von verschiedenen Faktoren abhängig

Wie viel Geld eine Person, die das Bürgergeld erhält, monatlich zur Verfügung hat, ist nicht immer einfach zu berechnen. Denn neben den feststehenden Regelsätzen spielen auch die jeweilige Miete, die bis zu einer bestimmten Grenze übernommen wird, und die Heizkosten eine Rolle.

Wir haben dafür zwei Beispiele ausgesucht, für die wir die Höhe der maximalen Bürgergeld-Bezüge sowie das mögliche Einkommen berechnen. Dabei gehen wir davon aus, dass der Mindestlohn gezahlt wird. Unsere Beispiele sind:

  • Ein Single, der im Münchner Süden lebt und Vollzeit arbeitet (40 Stunden) und ein Single, der im Münchner Süden lebt, arbeitslos ist und Bürgergeld erhält.
  • Eine Familie, die ebenfalls im Münchner Süden lebt und ein zwölfjähriges Kind hat. In unserer Berechnung gehen wir davon aus, dass ein Elternteil Vollzeit (40 Stunden) und ein Elternteil in Teilzeit (20 Stunden) arbeitet. Zudem prüfen wir, wie viel Geld die Familie hätte, wenn sie von Bürgergeld leben würde.

Für den Wohnort München haben wir uns wegen der hohen Mieten entschieden: Bürgergeld-Empfängerinnen und -Empfänger erhalten dort mehr Geld für ihre Wohnung als in anderen Städten. Bei der Berechnung ergeben sich folgende Werte.

Arbeit oder Bürgergeld: So viel Geld gibt es im Monat

 

Single

Familie (ein Kind)

 Berufstätig (Vollzeit)Bürgergeld-EmpfängerBerufstätig (Vollzeit und Teilzeit)Bürgergeld-Empfänger
Bruttoeinkommen (Mindestlohn)

2080,00 Euro

 

3120,00 Euro

 

Nettoeinkommen

1481,03 Euro

 

2386,89 Euro

 

Kindergeld

 

 

219,00 Euro

 

Bürgergeld-Bezüge

 

502,00 Euro

 

1250,00 Euro

Mietkosten

 

688,00 Euro

 

1084,00 Euro

Heizkosten

 

150,00 Euro

 

225,00 Euro

Rundfunk-Gebühr (wird vom Jobcenter gezahlt)

 

18,36 Euro

 

18,36 Euro

Monatliches Einkommen1481,03 Euro1358,36 Euro2605,89 Euro2577,36 Euro

Die dargestellten Mietkosten beruhen auf Werten, die von der Stadt München als Obergrenzen für eine angemessene Bruttokaltmiete von Hartz-IV-Emfängern angegeben werden. Als Heizkosten wurden die Monatspreise bei den jeweils günstigsten Gasanbietern in München für den Durchschnittsverbrauch der jeweiligen Personenzahl herangezogen (Stand: 21. Oktober 2022).

Arbeit bringt mehr Geld als Bürgergeld – aber lohnt sie sich?

Wie die Berechnung zeigt, ist die Behauptung, Bürgergeld-Empfänger würden mehr Geld erhalten als manchen Berufstätige, falsch. Voraussetzung dafür ist, dass der gesetzliche Mindestlohn gezahlt wird. Zwar handelt es sich bei den Beispielen nur um Einzelfälle und es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es Ausnahmen gibt, in denen Bürgergeld-Empfangende tatsächlich mehr Einkommen zur Verfügung haben. In der Regel gilt aber: Wer arbeitet, hat mehr Geld zur Verfügung als jemand, der nicht arbeitet. Zu diesem Schluss kam auch der Arbeitsmarkt-Experte Holger Schäfer im Bürgergeld-Interview mit unserer Redaktion.

Gleichzeitig zeigen die Zahlen aber auch: Niedrige Einkommen liegen zum Teil nur geringfügig über dem Bürgergeld-Niveau. In unserem Fall sind es bei einer dreiköpfigen Familie weniger als 30 Euro Unterschied pro Monat. Ob das genug ist, um wirklich davon sprechen zu können, dass ein Job sich lohnt, scheint fraglich. Bedenken sollte man jedoch, dass die Unterschiede in anderen Städten, in denen die Mieten nicht so hoch sind wie in München, größer ausfallen würden.