Berlin. Ein CDU-Mitgliedervotum könnte den Liebling der Basis doch noch zum Partei-Chef küren: Friedrich Merz. Doch würde er nun auch wollen?

Die Wochen nach der verlorenen Bundestagswahl waren nicht schön für Noch-CDU-Chef Armin Laschet, und es wird einfach nicht besser für ihn. Statt den sonnigen Herbsttag in Aachen zu genießen und über seine persönliche Zukunft nachzudenken, moderierte der Chef, der bald keiner mehr sein wird, die Kreisdelegiertenkonferenz in einem Berliner Kongresshotel.

Dort bekam Laschet schriftlich, warum die Union so dramatisch gescheitert ist und die Macht abgeben muss. Mehr als 80 Prozent der Befragten nannten die Fehler des Kanzlerkandidaten als Hauptgrund. Diese Botschaft saß, und damit war klar: Es wird dem CDU-Apparat nicht noch einmal gelingen, eine Personalie gegen den erkennbaren Willen der Parteibasis durchzudrücken.

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Vorstand und Präsidium müssen Wunsch erfüllen

Dem Vorstand und dem Präsidium der CDU wird nichts anderes übrig bleiben, als diesen Wunsch der Mitglieder zu erfüllen. Laschet selbst hat bereits jeden Widerstand dagegen aufgegeben. Dabei weiß auch er: Das Wahlverfahren ist ein Vorentscheid über die Chancen des künftigen CDU-Chefs.

Die weibliche Form darf hier ausnahmsweise vernachlässigt werden, weil sich bislang keine einzige Frau ins Spiel gebracht hat.

Jörg Quoos, Chef der Zentralredaktion
Jörg Quoos, Chef der Zentralredaktion © Dirk Bruniecki

Votum ist kein politisches Allheilmittel

Wer bei der Partei in der Breite beliebt ist, kann durchmarschieren. Wer nur die Funktionäre hinter sich weiß, bleibt chancenlos. Das Mitgliedervotum ist kein politisches Allheilmittel. Aber wenn die Führung so krass versagt wie bei der jüngsten Wahl, ist es richtig, jetzt die Basis ranzulassen.

Das neue Verfahren ist die einzige Chance für Friedrich Merz, doch noch an die Spitze der Partei zu kommen. Hätte die Basis schon früher entscheiden dürfen, wäre er längst der Chef und desi­gnierter Kanzler. Merz säße schon in den Koalitionsverhandlungen mit den Grünen, die politische Zukunft Deutschlands sähe völlig anders aus.

Anstrengender Posten für einen Partei-Sanierer

Aber wird Merz am Ende tatsächlich springen? Auch wenn die Wahrscheinlichkeit seiner Wahl mit einem Mitgliedervotum steigt, ist die Ausgangslage komplett verändert. Vor dem 26. September war der CDU-Vorsitz das Ticket ins Kanzleramt. Jetzt ist es nur der anstrengende Posten für einen Partei-Sanierer – ohne Regierungsjet und staatlichen Machtapparat.

Merz selbst sieht das so realistisch und wird nötige Mühen und mögliche Erfüllung noch gegeneinander aufrechnen. Er wäre bei einem regulären Machtwechsel fast 70 Jahre alt – das ist reichlich spät für einen politischen Neuanfang.

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Spahn und Röttgen mit unterschiedlichen Chancen

Für Jens Spahn ist das jüngste Votum der CDU-Basis keine gute Nachricht. Er zeigt seine Ambitionen am deutlichsten, aber an der Basis ist er nicht sonderlich beliebt. Seine Fehler als Gesundheitsminister, aber auch der Hang zum Leben auf großem Fuß sind wenig hilfreich. Für eine erfolgreiche Kandidatur müsste er sich neu erfinden.

Gut leben mit einem Mitgliederentscheid kann Norbert Röttgen. Er ist bei den Delegierten und der Basis vermittelbar. Sein gespanntes Verhältnis zur Kanzlerin ist nicht mehr relevant, und er schlägt mit seinem Mitte-Kurs, seiner Erfahrung als Umweltminister und seinen 56 Jahren eine gute Brücke zwischen alter und neuer CDU-Welt.

CDU-Vorsitz ist jetzt Mühsal ohne Glamour

Aber auch für ihn gilt wie für alle Mitbewerber: Der CDU-Vorsitz ist jetzt Mühsal ohne Glamour. Wer ihn anstrebt, muss bereit sein, in die Niederungen zu steigen und auszumisten. Wer diese Ochsentour auf sich nimmt, darf dann erst 2025 wieder hoffen und muss dazu noch einen Amtsinhaber Olaf Scholz aus dem Kanzleramt vertreiben.

Mit dem Schlafwagen zur Macht rollen hat schon bei Armin Laschet nicht funktioniert. Der Neue an der CDU-Spitze muss jetzt den ganzen Zug ziehen.