Berlin. In Amerika stockt das Impftempo – die Zahl der Neuinfektionen verdoppelt sich binnen einer Woche. Warnendes Beispiel für Deutschland.

Verlieren die USA die Schlacht gegen Corona? Präsident Joe Biden startete seine Präsidentschaft mit extrem ehrgeizigen Zielen: Bis zum Nationalfeiertag am 4. Juli sollten 70 Prozent der erwachsenen Amerikaner mindestens einmal geimpft sein – ein wichtiger Meilenstein in Richtung Herdenimmunität.

Doch der einstige Impf-Schnellzug Amerika ist zu einem Impf-Bummelzug geworden. Nach dem Portal "Our World in Data", das an die Universität Oxford angedockt ist, sind bis heute gerade einmal 56,8 Prozent der US-Bürger einmal und 49 Prozent zweimal geimpft.

Zahl der täglichen Neuinfektionen binnen einer Woche fast verdoppelt

Parallel zu dem nachlassenden Tempo schießt die Zahl der Neuansteckungen nach oben. Die Behörden meldeten für Freitag 194.608 neue Fälle, wie aus Daten der Johns-Hopkins-Universität (JHU) in Baltimore hervorging. Eine Woche zuvor waren es 118.797 – gut die Hälfte. Auch die Zahl der binnen eines Tages gemeldeten Toten mit einer bestätigten Corona-Infektion stieg im Wochenvergleich von 532 auf 891.

Die bisherigen Höchstwerte wurden am 2. Januar mit 300.462 Neuinfektionen sowie am 12. Januar mit 4460 Toten verzeichnet. Der allergrößte Teil der erfassten Infektionen im Land sind nach Schätzungen der Gesundheitsbehörde CDC auf die besonders ansteckende Delta-Variante zurückzuführen. Diese sei so ansteckend wie Windpocken.

Bidens Zuckerbrot-Politik: Jeder Geimpfte soll 100 Dollar bekommen

Präsident Biden ist zunehmend frustriert über die Impfmüdigkeit seiner Landsleute. "Wenn Sie in der Tat ungeimpft sind, dann stellen Sie ein Problem dar - für sich selbst, für ihre Familie und für jene, mit denen Sie arbeiten", lamentierte er.

Biden versucht es nun mit einer Politik aus Zuckerbrot und Peitsche. Jeder neu Geimpfte soll in den USA 100 Dollar Belohnung bekommen. Zahlen sollen dies die Bundesstaaten und die Kommunen. Für Millionen Mitarbeiter der Regierung werden Impfungen nun fast zur Pflicht. Angestellte des Bundes, die keinen Impfnachweis vorlegen können, sollen künftig stets eine Maske tragen müssen und ein bis zwei Mal pro Woche auf eine mögliche Infektion getestet werden, so Biden. Die gleichen Regeln gelten für die US-Streitkräfte.

Corona-Tote in den USA: Rund 99 Prozent waren nicht geimpft

Der Präsident versuchte, die Amerikaner mit drastischen Worten wachzurütteln. Es handele sich in den USA um eine "Pandemie der Ungeimpften". Rund 99 Prozent aller Corona-Toten seien nicht geimpft gewesen. "Das ist eine amerikanische Tragödie. Menschen, die nicht sterben müssten, sterben und werden sterben", betonte Biden.

Deutschland hat zwar eine leicht bessere Impfbilanz als die USA. So sind 61 Prozent der Bundesbürger einmal und 51,1 Prozent zweimal geimpft. Doch die stockende Impfbereitschaft bereitet den Fachleuten zunehmend Sorge. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, das Robert Koch-Institut (RKI) und führende Virologen warnen vor einer vierten Welle im Herbst.

Schäuble: "Die mangelnde Impfbereitschaft in Deutschland macht mich maßlos traurig"

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble zeigte sich zudem enttäuscht über die gesunkene Impfquote in Deutschland. "Ich kann die mangelnde Impfbereitschaft nicht nachvollziehen, das macht mich maßlos traurig", sagte er. Zu Jahresbeginn hätten die Menschen es nicht erwarten können, die rettende Spritze zu bekommen. "Und jetzt verzweifeln Hausärzte, weil Impfdosen massenhaft bei ihnen liegen bleiben."

Am Samstag meldete das Robert Koch-Institut 2400 Neuinfektionen pro Tag. Die Sieben-Tage-Inzidenz stieg auf 16,9. Das alles sind noch keine alarmierenden Zahlen. Aber der Trend ist eindeutig: Seit dem jüngsten Tiefstand der Inzidenz von 4,9 am 6. Juli gehen die Werte stetig nach oben. Experten warnen bereits heute: Wenn die Impfquote bin Deutschland nicht bald deutlich steigt, wird Delta für eine ebenso dramatische Entwicklung sorgen wie in den USA. Lesen Sie ebenfalls: Testpflicht für Reiserückkehrer: Warum diese Hektik?