Berlin. Es heißt, die Impfquote in Deutschland sei zu niedrig. Doch das RKI hat zusätzliche Daten erhoben. Das beeinflusst das Gesamtergebnis.

  • Wie viele Menschen sind in Deutschland gegen das Coronavirus geimpft?
  • Offenbar sind es deutlich mehr als bislang angenommen, wie neue Daten zeigen
  • Das RKI hat bereits reagiert

Als „Spritze in die Freiheit“ wird die Corona-Impfung von ihren Befürwortern bezeichnet. Denn je mehr Menschen gegen das Coronavirus geschützt sind, desto schneller kann das Leben zurückkehren, das wir vor der Pandemie geführt haben. Lange sah es jedoch so aus, als komme Deutschland beim Impfen weniger gut voran als andere Staaten. Die Quoten vor allem unter den Erwachsenen schienen zuletzt zu stagnieren.

Doch neue Zahlen, die unserer Redaktion exklusiv vorliegen, zeigen, dass wohl doch deutlich mehr Menschen einen Corona-Schutz haben als in den offiziellen Daten des Robert-Koch-Instituts (RKI) ausgewiesen sind. Für die Bewältigung der Pandemie ist dies gerade auch mit Blick auf die Wintersaison eine wichtige Botschaft. Das Ziel der sogenannten Herdenimmunität könnte näher sein als bislang angenommen.

Fünf Gründe für die Corona-Impfung

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    Wie weit ist Deutschland bei den Corona-Impfungen?

    Laut einer seit Januar regelmäßig im RKI-Auftrag durchgeführten Telefonumfrage zu Bereitschaft und Akzeptanz von Corona-Impfungen liegt der Anteil der vollständig Geimpften in der Gruppe der über 18-Jährigen höher und wird unter Berücksichtigung mehrerer Faktoren auf eine Quote von bis zu 80 Prozent taxiert. Bis zu 84 Prozent sind demnach mindestens einmal gegen Corona geimpft.

    Die sogenannte Covimo-Befragung fand zwischen dem 26. Juli und 18. August statt.

    • In diesem Zeitraum wurden 1005 Erwachsene zur Covid-19-Impfung befragt. Besonders interessant: In jenen Monaten hatte die Impfkampagne in Deutschland bereits an Dynamik verloren.
    • Dennoch sind die Covimo-Zahlen selbst in diesem Zeitraum erheblich höher als jene in der offiziellen, tagesaktuellen RKI-Statistik, die auf Angaben aus den Bundesländern basiert.
    • So ist in der jüngsten RKI-Erhebung mit Stand von Mittwochfrüh der Anteil der komplett gegen Corona geimpften Volljährigen lediglich mit 75,4 Prozent ausgewiesen.

    Eine erste Dosis haben demnach bislang 79,1 Prozent der über 18-Jährigen erhalten. Die Differenz ist erheblich.

    Wie kommt es zu den Unterschieden?

    Das dürfte vor allem daran liegen, dass oft nicht alle verabreichten Dosen aus den Ländern an das RKI gemeldet werden. Die Erfassungen können dadurch verzerrt sein und die Bilanz geringer ausfallen als die tatsächlich vorgenommenen Impfungen.

    Zugleich ist den Angaben zufolge davon auszugehen, dass beim Ergebnis der Umfrage überhöhte Angaben eine Rolle spielen, während in der Erfassung der tagesaktuellen RKI-Zahlen von einer Untererfassung auszugehen sei. Insofern bilden die neuen Quoten einen Mittelwert aus Umfrageergebnissen und Rückmeldungen aus den Ländern.

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    „Mit dieser Berücksichtigung kann derzeit von einer Impfquote in der Erwachsenenbevölkerung von bis zu 84 Prozent mindestens einmal und bis zu 80 Prozent vollständig Geimpfter ausgegangen werden“, heißt es in der Zusammenfassung der Umfrage. Eine neuere Covimo-Befragung läuft seit 15. September. Ihr Ergebnis wird für Mitte Oktober erwartet. Die Zahlen können dann noch einmal höher ausfallen.

    Spahn: Impfstoff für Drittimpfung ist in Deutschland da

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      Haben wir damit schon Herdenimmunität erreicht?

      Nein. Für Herdenimmunität ist nach Angaben von Wissenschaftlern mindestens eine Corona-Impfquote von 85 Prozent erforderlich, und zwar unter allen Gruppen im Alter ab zwölf Jahren, nicht nur unter den Erwachsenen.

      Welche weiteren Erkenntnisse liefert die Umfrage?

      Laut der Befragung liegt die Impfbereitschaft in der deutschen Bevölkerung auf einem hohen Niveau. Unter Einbeziehung der mindestens einmal Geimpften liege sie bei etwa 93 Prozent. Dennoch gibt es offenbar weiterhin Zweifel und offene Fragen. So schreiben die Autoren: „Noch immer ist jede zweite befragte Person unsicher, ob die Impfung auch bei Kinderwunsch sicher ist.“

      Warum raten Experten in diesem Winter auch zu einer Grippe-Impfung?

      Die strengen Schutzmaßnahmen in den kühleren und kalten Monaten der vergangenen Saison haben dafür gesorgt, dass zuletzt auch andere Infektionskrankheiten deutlich eingedämmt wurden. Durch das Tragen von Masken vor allem in geschlossenen Räumen und im öffentlichen Nahverkehr sowie durch regelmäßiges Händewaschen und Lüften ist eine Grippewelle im vergangenen Jahr ausgeblieben. Und zwar weltweit.

      Experten sehen nun aber die Gefahr, dass die Influenza in den kommenden Monaten umso stärker anrollen könnte – und das zusätzlich zu Corona. Grund dafür ist, dass durch die Eindämmung der Influenzaviren das menschliche Immunsystem weniger gut auf Grippeviren vorbereitet ist. Die Abwehrkräfte sind geringer, die Anfälligkeit damit höher – gerade bei Menschen mit geschwächtem Immunsystem.

      RKI-Chef Lothar Wieler (l.) und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn.
      RKI-Chef Lothar Wieler (l.) und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. © AFP | ODD ANDERSEN

      RKI-Präsident Lothar Wieler und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) riefen am Montag vor allem stark gefährdete Bevölkerungsgruppen dazu auf, nicht nur ihren Corona-Schutz gegebenenfalls aufzufrischen, sondern sich auch gegen Grippe impfen zu lassen. „Eine zusätzliche Belastung der Intensivstationen sollten wir auf jeden Fall vermeiden“, warnte Spahn.

      Wer sollte sich jetzt auch gegen Grippe impfen lassen?

      Der Minister appellierte besonders an alle Älteren, Schwangeren, Vorerkrankten und an das medizinische Personal, sich gegen Grippe impfen zu lassen. Ziel müsse es sein, das Gesundheitssystem vor Überlastung zu schützen. Wieler legte vor allem älteren Menschen eine solche Schutzimpfung nahe. „Alle über 60 sollten nicht nur gegen Influenza und Covid-19, sondern auch gegen Pneumokokken geimpft sein“, sagte der Behördenchef.

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      Sorge bereitet Wieler jedoch, dass es in dieser Altersgruppe nach wie vor auch rund drei Millionen Menschen gibt, die sich noch keine Anti-Corona-Spritze haben setzen lassen. Steckten sie sich an, erlitten sehr viele von ihnen einen schweren Covid-Verlauf und landeten auf den Intensivstationen, so Wieler.