Paris. Der rechtsextreme Publizist Eric Zemmour will Präsident werden. Mit seiner Kandidatur macht er ausgerechnet Marine Le Pen Konkurrenz.

Die 1300 Plätze des Kongresszentrums von Bordeaux reichen nicht aus für die Masse des herbeiströmenden Publikums. Mehrere Hundert Menschen, die Eric Zemmour sehen wollen, bekommen keine Karten mehr. Weitere 150, die gegen die Anwesenheit des Stars des Abends demonstrieren und „Faschisten raus“ skandieren, werden von der Polizei in sicherem Abstand gehalten.

Als der 63-Jährige später die Bühne betritt, ist die Begeisterung der immer wieder stehend applaudierenden Zuhörer nicht so einfach nachzuvollziehen. Zemmour mag sich mit seinem geschliffenen Schreibstil einen Namen gemacht haben, als Redner ist der schmächtige Mann mit dem schütteren Haar bestenfalls zweitklassig.

Zemmour kandidiert bei den französischen Präsidentschaftswahlen

Aber das Publikum hängt gebannt an seinen Lippen, als er ausführt, dass es längst nicht mehr darum gehe, ob und wie Frankreich reformiert werden könne. „Wir müssen unser Land vor dem Niedergang retten“, ruft Zemmour in den Saal. Es handle sich um „eine Frage von Leben und Tod“.

Am Dienstag hat Eric Zemmour seine Kandidatur für die französischen Präsidentschaftswahlen im kommenden Frühjahr bekannt gegeben. In den Umfragen liegt der Herausforderer von Amtsinhaber Emmanuel Macron bei 14 bis 16 Prozent und damit in etwa gleichauf mit Marine Le Pen, der Chefin des rechtsextremen Rassemblement National – sprich, auf dem zweiten oder dritten Platz hinter Macron.

Hetze gegen Migranten, die liberale Elite, Deutschland und die EU

Der mehrfach wegen rassistischer Hetze verurteilte Bewunderer von Balzac und Victor Hugo könnte durchaus als eine belesene Reinkarnation von Donald Trump beschrieben werden. Jedenfalls trifft er einen Nerv. Die Bücher des Absolventen der Eliteuniversität Sciences Po sind ausnahmslos Bestseller, das Opus „Der französische Selbstmord“ etwa verkaufte sich eine halbe Million mal. Und als Zemmour vor zwei Jahren als Moderator eine Sendung des rechten TV-Kanals CNews übernahm, verzehnfachte sich deren Zuschauerquote.

Eric Zemmour will französischer Präsident werden.
Eric Zemmour will französischer Präsident werden. © Imago Images

Seine jeden Abend von 900.000 Menschen verfolgten Fernsehauftritte musste er im September allerdings aufgeben, weil der französische Medienrat sie als Sprechzeit einer Wahlkampagne zu zählen begann. Seither tourt Zemmour durch das Land, um sein Buch „Frankreich hat noch etwas zu sagen“ vorzustellen. Auf 350 Seiten legt der Autor darin dar, was und wer nach seiner Meinung Frankreich in den Abgrund steuert: Immigranten, kriminelle Ausländer, eine liberale Elite, Globalisierer, Feministinnen, die EU sowie ein Deutschland, das den amerikanischen „Gauleiter“ in Europa spiele.

Zemmour vertritt Verschwörungstheorien

Völlig offen vertritt Zemmour die Verschwörungstheorie des „großen Austauschs“. Gemeint ist jener Bevölkerungsaustausch, den der rechtsextreme französische Philosoph Renaud Camus beschrieben hat. Folgt man dessen Denken, sind sowohl Europa als auch Nordamerika von einem „beispiellosen Kultur- und Identitätsverlust“ bedroht.

Eine Entwicklung, die in Camus Augen der Globalisierung geschuldet ist und von den „politischen Eliten“ begünstigt wird. Wo sich Zemmour politisch verortet, unterstrich er neulich, als er verächtlich erklärte, zwischen Emmanuel Macron und Marine Le Pen gebe es kaum mehr Unterschiede, seitdem letztere ihren Diskurs gemäßigt habe und versuche, sich „salonfähig“ aufzuführen.

Keine Frage: Zemmour macht der Rechtsextremistin nicht nur Konkurrenz, sondern auch größte Sorgen. Seit die Präsidentschaftskandidatur des Polemikers im Raum steht, ist Le Pen in den Umfragen von 26 auf 16 Prozent abgestürzt. Aber auch die konservativen Republikaner, die ihren Präsidentschaftsbewerber erst an diesem Wochenende küren, werden zunehmend nervös, da ihre aussichtsreichsten Repräsentanten in den Umfragen ausnahmslos hinter Zemmour rangieren.

Ausländische Vornamen würde der Kandidat gerne verbieten

Es ist bekannt, dass er über einflussreiche und begüterte Gönner verfügt, die hinter dem Verein Les amis de Zemmour (Die Freunde Zemmours) stehen, der seit Monaten für Spenden für den potenziellen Kandidaten wirbt und seine Vorlesungen in den größten Städten Frankreichs in Szene setzt.

Wobei Zemmour diese Auftritte gekonnt nutzt, um die gesamte politische Szene gründlich aufzumischen und mit radikalen Äußerungen beinahe täglich für Wirbel zu sorgen. – Etwa mit dem Vorschlag, ausländische Vornamen gesetzlich verbieten zu lassen, weil es „mich stört, dass manche Kinder von ihren Eltern auch noch nach drei Generationen in Frankreich Mohammed genannt werden“.

Ein Einwandererkind ist der in bescheidenen Verhältnissen in einem Pariser Vorort aufgewachsene Zemmour übrigens ebenfalls. Seine jüdischen Eltern waren Algerienfranzosen, die während des Unabhängigkeitskrieges aus ihrer Heimat nach Frankreich flüchten mussten.