Gaskrise

Vorbereitung auf den Winter: Was kostet uns Putins Gaspoker?

Michael Backfisch und Theresa Martus
| Lesedauer: 7 Minuten
EU-Staaten einigen sich auf Gasnotfallplan für diesen Winter

EU-Staaten einigen sich auf Gasnotfallplan für diesen Winter

Die EU-Staaten haben sich auf einen Gasnotfallplan für diesen Winter geeinigt. Ungarn stimmte nach Angaben Luxemburgs als einziges Land gegen den Kompromiss.

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Berlin.  Fast einstimmig fasst die EU einen Plan für den Gas-Notfall. Was bedeutet die Einigung für Industrie und Verbraucher in Deutschland?

Ein Sparplan aus Brüssel, neue Entlastungspläne in Berlin: Europa und Deutschland bereiten sich vor für den Fall, dass die Gaslieferungen ausbleiben. Worauf sich die europäischen Minister geeinigt haben und was das für Deutschland bedeutet – der Überblick.

Gas-Notfallplan: Worauf hat sich die EU geeinigt?

Vertreter der EU-Staaten haben sich am Dienstag auf einen Notfallplan zur Senkung des Gaskonsums verständigt. Man habe eine „politische Einigung zur Reduzierung der Gasnachfrage“ erzielt, teilte der tschechische EU-Ratsvorsitz mit, und das mit großer Mehrheit. Ungarn stimmte als einziges Land gegen den Kompromiss.

Der Plan sieht vor, den nationalen Konsum im Zeitraum vom 1. August 2022 bis zum 31. März 2023 freiwillig um 15 Prozent zu senken. Zudem gibt es einen Notfallplan: Bei weitreichenden Versorgungsengpässen soll die Möglichkeit geschaffen werden, einen Unionsalarm auszulösen und verbindliche Einsparziele vorzugeben. Die EU-Kommission hatte zuvor beides vorgeschlagen.

Die Gesetzesänderung muss vor Inkrafttreten noch formell von den EU-Ländern besiegelt werden. Das Europaparlament hat kein Mitspracherecht.

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Notfallplan Gas: Welche Ausnahmen gibt es?

Zahlreiche – für einzelne Staaten, aber auch für Wirtschaftssektoren wie die Lebensmittelindustrie. Zypern, Malta und Irland zum Beispiel sollen nicht zum Gassparen verpflichtet werden, solange sie nicht direkt mit dem Gasverbundnetz eines anderen Mitgliedstaats verbunden sind. Bei anderen Staaten sollen zum Beispiel Anstrengungen zur Einspeicherung von Gas, eine drohende Stromkrise und der Verbrauch von Gas als Rohstoff – etwa zur Erzeugung von Düngemitteln – die verpflichtende Einsparmenge reduzieren können.

Hochzufrieden äußerten sich Länder wie Griechenland oder Spanien, die auf Ausnahmen gepocht hatten. Die spanische Energieministerin Teresa Ribera nannte es unmöglich, für politische Fehler Deutschlands zu bezahlen. Der griechische Energieminister Kostas Skrekas sagte, eine Gefahr für die eigene Industrie und den „sozialen Zusammenhalt“ sei nun abgewendet.

Ob das geplante Einsparziel von 45 Milliarden Kubikmetern Gas mit den Ausnahmen erreicht werden kann, ist unklar.

Was heißt das für Deutschland im Herbst?

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) wiederholte am Dienstag seine Einschätzung, dass sich Europa auf einen Lieferstopp einstellen müsse. „Sollte es anders kommen, werden wir überrascht sein“, sagte er. „Aber wir sollten nicht mehr überrascht sein, dass Putin den Gashahn zudreht.“

Sollte die deutsche Industrie wegen Gasmangels in eine Schieflage geraten, werden massive Folgen bis hin zu einem Wirtschaftsabschwung befürchtet. „Wenn die Chemieindustrie in Deutschland hustet, kann die gesamte europäische Industrie zum Stillstand kommen“, warnte die französische Energiewendeministerin Agnès Pannier-Runacher.

Die Ausnahmen im europäischen Plan bedeuten, dass Deutschland diesen Winter voraussichtlich deutlich mehr Gas sparen muss als andere Länder, um bei einem möglichen Lieferstopp massive Probleme für die Industrie oder gar eine Rezession zu verhindern. Dies sei „keine Schande“, sagte Habeck. Er verwies auf die „strategischen Fehler“ der Vorgängerregierungen und die hohe deutsche Abhängigkeit von russischem Gas. Zugleich äußerte er sich besorgt über die vielen Ausnahmen. Auch interessant: Doch noch grünes Licht für die Atomkraft?