Berlin. Energiekrise und Inflation: Der Druck auf die Bundesregierung steigt täglich. Für diese Probleme muss die Koalition Lösungen finden.

Der Druck auf die Ampel-Koalition steigt täglich: Ausgelöst durch den Angriff Russlands auf die Ukraine türmen sich die Probleme, auf die das Bündnis eine Antwort geben muss. In der Krise treten die Unterschiede zwischen SPD, Grünen und FDP allerdings immer deutlicher hervor. Der Ampel-Koalition steht ein heißer Herbst bevor, sechs große Streitpunkte im Überblick:

Woher kommt die Energie im Winter?

Der Konflikt mit Russland hat sich zu einem Wirtschaftskrieg entwickelt. Durch gedrosselte Gaslieferungen will die Regierung in Moskau die Europäer unter Druck setzen. Deutschland ist wegen seiner großen Abhängigkeit von russischem Öl und Gas stark davon betroffen. Es ist unklar, ob Deutschland im Winter über ausreichend Energie verfügt.

Die FDP will deswegen die drei verbliebenen deutschen Atomkraftwerke am Netz lassen – und zwar gleich bis 2024. Eigentlich sollen die Meiler zum Jahresende abgeschaltet werden. SPD und Grüne stehen einer Laufzeitverlängerung ablehnend gegenüber.

Mögliche Lösung: Die Koalition einigt sich auf einen „Streckbetrieb“, in dem die Akw mit den noch verbliebenen Brennstäben etwas länger genutzt werden als bisher geplant.

Wie wird den Bürgern geholfen?

Die Preise für Sprit, Strom und Gas sind bereits stark gestiegen. Ab Oktober dürfen Gasversorger die teureren Einkaufspreise an die Verbraucher weitergeben. Viele Haushalte dürfte dann ein Preisschock ereilen. Kanzler Olaf Scholz (SPD) hat deswegen weitere Hilfen angekündigt, vor allem für Geringverdiener.

Wie das dritte Entlastungspaket aussehen soll, ist in der Koalition aber umstritten. Sicher ist, dass das neue Bürgergeldzum 1. Januar das Hartz-IV-System ersetzen soll. SPD und Grüne wollen die Zahlung außerdem über die ohnehin geplante Erhöhung hinaus deutlich anheben. Das lehnt die FDP ebenso ab wie den Vorschlag der Koalitionspartner, Mieter vor Strom- und Gassperren zu schützen, wenn sie die Rechnung nicht bezahlen können.

Prognose: Hier sind SPD und Grüne eng zusammen, die FDP steht unter Druck nachzugeben.

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Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) spricht im Bundestag während Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) zuhören.
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) spricht im Bundestag während Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) zuhören. © dpa | Michael Kappeler

Was wird aus Pendlerpauschale und 9-Euro-Ticket?

FDP-Chef Christian Lindner hat auch einen Vorschlag zur Entlastung der Bürger gemacht: Der Finanzminister will die Pendlerpauschale erhöhen. Das lehnen wiederum SPD und Grüne ab. Allerdings: Lindner hatte sich auch mit seinem dreimonatigen Tankrabatt durchgesetzt, durch Einlenken an anderer Stelle könnte er hier wieder erfolgreich sein.

Umstritten ist in der Koalition auch, wie eine Nachfolgeregelung für das am Monatsende auslaufende 9-Euro-Ticket aussehen könnte. Lindner will eine bundesweite Fahrkarte nicht erneut mit Geldern aus dem Bundeshaushalt subventionieren. SPD und Grüne wollen aber unbedingt wieder ein günstiges Ticket für ganz Deutschland auf den Weg bringen.

Ein Vorschlag der Grünen lautet, dies durch den Abbau der steuerlichen Absetzbarkeit der Dienstwagennutzung zu finanzieren.

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Steuern rauf – oder Steuern runter?

Lindner will Steuern senken. Er schlägt einen höheren Grundfreibetrag vor und will die „kalte Progression“ abschaffen. Das ist eine Art schleichende Steuererhöhung, wenn eine Gehaltserhöhung durch die Inflation aufgefressen wird, aber dennoch zu einer höheren Besteuerung führt.

Gegen das Vorhaben sperrt sich SPD-Chefin Esken mit dem Argument, dass dies Geringverdiener kaum erreiche, weil diese meist keine oder sehr wenig Einkommenssteuer bezahlten. Um Entlastungen zu finanzieren, will Esken eine Vermögensteuer erheben und plädiert ebenso wie die Grünen für eine Sondersteuer auf Krisengewinne. Das zielt auf Energiekonzerne, die von den hohen Preisen für Strom, Öl und Gas profitieren. Die FDP ist dagegen. In den Finanzfragen dürfte es krachen in der Koalition.

Immerhin: Lindner hat eine Erhöhung des Kindergelds in Aussicht gestellt, das wollen auch die Grünen.

SPD-Chefin Saskia Esken.
SPD-Chefin Saskia Esken. © dpa | Kay Nietfeld

Wofür ist noch Geld da?

Diese Krise ist teuer für den Staat. Die Koalition wird sich darauf verständigen müssen, wofür sie Geld ausgeben kann – und wofür nicht. Diese Debatte läuft auf eine Grundsatzfrage zu: Will die Koalition im kommenden Jahr die Schuldenbremse wieder anziehen – oder weiterhin mehr Schulden machen?

Wegen der Corona-Krise war die Regel zuletzt bereits ausgesetzt gewesen. Im Koalitionsvertrag hatte sich das Bündnis darauf verständigt, die Schuldenbremse 2023 wieder in Kraft zu setzen. Grüne und SPD sind dagegen – die FDP besteht auf eine Rückkehr zur Schuldenregel.

Welcher Weg bei Waffenlieferungen?

Zuletzt waren einige schwere Waffen aus Deutschland in der Ukraine eingetroffen. Teile von FDP und Grünen halten das Vorgehen von Kanzler Scholz aber weiterhin für zu zögerlich. Dieser Konflikt dürfte bei der nächsten Gelegenheit wieder aufbrechen, etwa wenn die russischen Truppen in der Ukraine militärische Erfolge erzielen oder neue Gräueltaten durch die Invasoren bekannt werden.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.