London. In Großbritannien erhält Kanzlerin Merkel eine Privataudienz bei der Queen und Lob vom Premier. Strittig ist nur der Corona-Schutz.

Die Briten rollen den roten Teppich für Angela Merkel aus. Eine Privataudienz bei Königin Elizabeth II. zur Tea Time auf Schloss Windsor ist der protokollarische Höhepunkt des Kurzbesuchs, den die Kanzlerin am Freitag in Großbritannien absolviert. Diese Begegnung ist für Merkel nach eigenen Worten eine besondere Ehre bei ihrer wohl letzten Visite in Großbritannien.

Auch Premierminister Boris Johnson gibt sich zuvor große Mühe, die Kanzlerin würdig zu verabschieden: Nach einer Unterredung der beiden in Chequers, dem Landsitz des Regierungschefs, bittet Johnson den Gast, per Video direkt zum versammelten Kabinett in London zu sprechen – als zweite ausländische Regierungschefin überhaupt nach US-Präsident Bill Clinton 1997.

Delta-Variante: Briten empört über schärfere Einreiseregeln

Johnson lobt das „wirklich historische Engagement“ der Kanzlerin für die Beziehungen beider Länder. Doch bei allen Freundlichkeiten – die Konflikte lassen sich nicht unter den Teppich kehren. Dass Merkel in der EU schärfere Einreiseregeln für Briten wegen Corona durchsetzen wollte, hat auf der Insel viel Empörung hervorgerufen.

Im Gespräch sagt die Kanzlerin nun zu, dass die von Deutschland verhängten Einreisebeschränkungen bald gelockert werden. Auch interessant: Nach 16 Jahren: Wie Angela Merkel um ihr Erbe kämpft

Die Kanzlerin bei Königin Elisabeth II. auf Schloss Windsor.
Die Kanzlerin bei Königin Elisabeth II. auf Schloss Windsor. © AFP | Steve Parsons

„Mauer der Immunität“ durch Corona-Impfungen

Merkel bekräftigt aber ihre Kritik an der erwarteten Zahl von bis zu 60.000 Zuschauern im Wembley-Stadion in der Schlussphase der Fußball-Europameisterschaft. Das sehe sie „mit großer Sorge und Skepsis“. Der Premier will indes nichts ändern, schließlich sei auf der Insel eine „Mauer der Immunität“ durch die Corona-Impfungen geschaffen worden.

Johnson will aber keinen Streit – sondern lieber demonstrieren, dass die Briten auch nach dem Brexit gute Kontakte zu den großen europäischen Ländern pflegen. Der Premier weiß, wie groß die Wertschätzung der Briten für Merkel ist. Der Respekt für die Kanzlerin hat manche Enttäuschung überstanden.

Einreisebeschränkungen und Brexit-Streit mit der EU: Für Merkel standen keine leichten Themen bei ihrem Treffen mit Johnson auf dem Programm.
Einreisebeschränkungen und Brexit-Streit mit der EU: Für Merkel standen keine leichten Themen bei ihrem Treffen mit Johnson auf dem Programm. © dpa

Merkels eisernes Prinzip: Der Zusammenhalt der EU

Kritiker werfen Merkel vor, sie habe durch eine harte Haltung in Brüssel erhebliche Mitverantwortung für den Ausgang der Brexit-Volksabstimmung 2016 und habe danach auch beim Brexit-Abkommen zeitweise gebremst. Merkels eisernes Prinzip war allerdings auch hier stets der Zusammenhalt der EU, dem hatte sich das Verhältnis zwischen Berlin und London unterzuordnen. Mehr zum Thema: Corona-Pandemie: Trotz Erfolgen - Kanzlerin Merkel in Sorge

In diesem Spannungsfeld bewegt sich die Kanzlerin auch am Freitag: Johnson versucht, nach dem EU-Austritt die Union als Gesprächspartner zu ignorieren. Stattdessen setzt der Premier auf besondere Beziehungen zu ausgewählten EU-Staaten. Vor allem zu Deutschland.

Merkel und Johnson bestätigen den Plan für einen Kooperationsvertrag, der regelmäßige Regierungskonsultationen einschließt. Für Merkel ist diese Annäherung zwischen Berlin und London allerdings nur ein erster Schritt zu einer neuen Normalisierung nach dem Brexit. Auf längere Sicht sieht sie dann doch wieder die Europäische Union am Zug. „Wir müssen Schritt für Schritt vorangehen“, sagt Merkel verständnisvoll, „wir dürfen uns alle nicht überfordern.“