Berlin. Ziele zum Klimaschutz wurden beim Bauen und Verkehr verfehlt. Welche Maßnahmen geplant sind und wie es beim 9-Euro-Ticket weitergeht.

Selten wurden die Probleme der Ampel beim Klimaschutz so anschaulich symbolisiert wie am Mittwoch. Mit einer gemeinsamen Position tun sich die Regierungsparteien schwer. Und so stand um 12 Uhr zunächst Bundesverkehrsminister Volker Wissing in seinem Ministerium – und erklärte, wie er auf die 2021 gerissenen Klimaziele im Verkehrssektor reagieren wolle.

Auch der Bausektor hatte die Grenzwerte im vergangenen Jahr verfehlt. Doch anstatt dass Bauministerin Klara Geywitz (SPD) gemeinsam mit Wissing vor die Kameras und Mikrofone trat, erklärte sie die Sofortmaßnahmen ihres Ministeriums eine halbe Stunde nach dem FDP-Politiker, rund 300 Meter entfernt im Bundeswirtschaftsministerium.

Klima: Ministerien mit fünf Millionen Tonnen CO2 zu viel

115 Millionen Tonnen CO2 stieß das Bauressort im vergangenen Jahr aus – nur 113 Millionen Tonnen wären laut der vereinbarten Emissionseinsparungen im Bundesklimaschutzgesetz erlaubt gewesen. Wissings Verkehrsministerium überschritt die Grenze von 148 Millionen Tonnen CO2 sogar um drei Millionen Tonnen. Für solche Fälle sind Sofortmaßnahmen vorgeschrieben, die Minister mussten klimapolitisch nachsitzen.

Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) muss beim Klimaschutz nachbessern.
Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) muss beim Klimaschutz nachbessern. © dpa | Britta Pedersen

Bauministerin Geywitz setzt auf eine umfassende Sanierungswelle sowie eine schrittweise Umstellung der Wärmeversorgung. So solle beispielsweise ab 2024 jede neue Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Geplant sei auch eine energetische Sanierung von öffentlichen Gebäuden wie Schulen. „Wir müssen die Art und Weise, wie wir unsere Häuser beheizen, verändern“, sagte Geywitz. Zudem wolle man Wärmepumpen fördern und bestehende Heizsysteme optimieren.

Gasheizungen könnten ab 2024 verboten werden

Während die SPD-Politikerin beispielsweise bei Gasheizungen künftig auf Verbote setzt, will der liberale Verkehrsminister Wissing nicht mit Regulierungen, sondern einem besseren Angebot bei E-Autos, Fahrrädern und dem öffentlichen Verkehrs punkten. „Ich muss abwägen zwischen der schnellen Erreichung von Klimaschutzzielen einerseits und den Mobilitätsanforderungen und Akzeptanz der Gesellschaft für Maßnahmen andererseits“, sagte Wissing.

Ein temporäres Tempolimit, wie es die Deutsche Umwelthilfe gefordert hatte, kündigte der FDP-Politiker nicht an. Stattdessen will Wissing auch das Home Office stärken, um durch wegfallende Arbeitswege weniger CO2 auszustoßen. Dafür kündigte der Minister eine Gigabitstrategie zum Ausbau von Glasfaser-Internet an.

Heiß diskutiert wird zurzeit auch die Fortsetzung des Ende August auslaufenden 9-Euro-Tickets, laut Wissing ein „Riesenerfolg“. Bis Anfang November wolle man das Angebot evaluieren. „Wir merken auch Auswirkungen auf den Verkehr, beispielsweise beim Rückgang von Staus“, sagte Wissing.

Umweltverbände kritisieren Sofortmaßnahmen als unzureichend

Nach Berechnung des Bauministeriums reicht das Sofortprogramm aus, um bis 2030 insgesamt 156 bis 161 Millionen Tonnen CO2 einzusparen – und somit das Ziel von 67 Millionen Tonnen einzuhalten. Der Verkehrssektor muss im Jahr 2030 auf unter 85 Millionen Tonnen kommen. Wissing sagte, dass durch seine Maßnahmen zusätzlich 13 Millionen Tonnen eingespart werden könnten. Die 3 Millionen Tonnen aus dem Vorjahr würden somit „überkompensiert“.

Umweltverbände kritisierten die Pläne beider Ministerien als unzureichend. „Wissings ‘Sofortprogramm‘ ist ein politischer Offenbarungseid“, sagte etwa Olaf Brandt, Vorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), unserer Redaktion. „Ich habe nicht viel erwartet, die FDP hat es sogar noch unterboten.“

Expertenrat muss Maßnahmen nun bewerten

Ob die Maßnahmen ausreichen, muss nun ein Expertenrat bewerten. Sicher ist das keinesfalls. Der Bausektor hatte die Klimaziele bereits im Jahr 2020 gerissen – und der Expertenrat das Sofortmaßnahmenpaket aus dem Frühjahr 2021 als zu schwach zurückgewiesen. Gibt es diesmal keine Einwände, will die Bundesregierung die Maßnahmen anschließend ins Klima-Sofortprogramm aufnehmen.

Dieses Programm hätte eigentlich schon vor der Sommerpause festgezurrt werden sollen. Daraus wurde nichts – auch weil die FDP bei Verboten und Regulierungen häufig skeptisch ist. Wissing sagte nun, er sei „immer bereit, Kompromisse einzugehen. Wir brauchen ein Klimaschutzkonzept und ich hoffe, dass wir es so schnell wie möglich bekommen.“

Dieser Artikel erschien zuerst auf waz.de.