Berlin. Um das Ziel des Pariser Klima-Abkommens einzuhalten, muss Treibhausgas wieder aus der Luft geholt werden, sagt der Weltklimarat IPCC.

Die Weltgemeinschaft muss versuchen, den Geist wenigstens ein Stück weit zurück in die Flasche zu stopfen: Wenn die Erderhitzung durch Treibhausgase 1,5 Grad nicht überschreiten soll, dann muss ein Teil der schon ausgestoßenen Gase wieder aus der Atmosphäre entnommen werden, so der Weltklimarat IPCC.

Der Einsatz von CO2-Entnahme sei „unvermeidbar“, wenn netto null Treibhausgasemissionen erreicht werden sollen, heißt es im jüngsten Bericht des Weltklimarats, der am Montag veröffentlicht wurde. Nach zwei vorangegangenen Teilen zu den physikalischen Grundlagen der Erderhitzung und zu den Möglichkeiten, wie die Menschheit sich daran anpassen kann, geht es in diesem Kapitel darum, wie die Menschheit das Ausmaß des Klimawandels so klein wie möglich halten kann – am besten bei maximal 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau.

Grundsätzlich gibt es zwei Arten, Emissionen wieder einzufangen: Mithilfe der Natur oder durch Technik. Dass Pflanzen CO2 aufnehmen und binden, nutzen heute schon viele Staaten, indem sie Wiederaufforstung und die Anpflanzung von Wäldern als Klimaschutzmaßnahmen vorantreiben. Auch Moore wirken als sogenannte Treibhausgas-Senken, vorausgesetzt, sie sind intakt – Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) plant deshalb unter anderem, Moore in Deutschland, die trocken gelegt wurden, wieder zu vernässen.

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Naturnahe Lösungen werden schon jetzt eingesetzt

Klimaschutz durch naturnahe Lösungen kann außerdem Vorteile auch auf anderen Gebieten haben: Mangrovenwälder etwa, die in Küstengewässern in Bangladesch angepflanzt werden, entnehmen nicht nur CO2 aus der Luft, sie schützen durch ihr Wurzelgeflecht auch die Küste vor Erosion und bremsen bei Sturmfluten die Wucht des Wassers. Gut funktionierende Ökosysteme stützen zudem nicht nur das Klima, sondern auch die Artenvielfalt.

Neben den natürlichen Klimaschutzmaßnahmen gibt Technik-Ansätze, um CO2 aus der Luft zu holen oder gar nicht erst dorthin gelangen zulassen, wenn das Gas bei industriellen Prozessen anfällt. Die direkte Filterung von CO2 aus der Luft – genannt Direct Air Capture, DAC – wird schon umgesetzt, in Island und der Schweiz stehen Anlagen, die das Gas unter großem Aufwand aus der Luft holen.

Das sogenannte BECCS-Verfahren („Bio Energy with Carbon Capture and Storage“) verbindet beide Ansätze – in großen Mengen, so die Idee, sollen Pflanzen wie Mais oder Raps angepflanzt werden, der CO2 aus der Luft aufnimmt. Werden die Pflanzen dann verbrannt, um daraus Strom zu gewinnen, wird das wieder freigesetzte CO2 direkt im Prozess abgeschieden und unterirdisch gelagert.

Viele Verfahren sind noch im großen Stil erprobt

Doch der Weltklimarat warnt davor, einseitig auf negative Emissionen zu setzen. Weil die CO2-Entnahme neue Risiken mit sich bringe, erfordere sie auch „eine angemessene Steuerung und eine Innovationspolitik“, sagt Masahiro Sugiyama, Leitautor des Kapitels zu Emissionsreduzierung.

Vor allem bei den technischen Ansätzen ist bislang unklar, ob sie in großem Stil funktionieren, die meisten Verfahren sind teuer und energieintensiv. Und auch naturnahe Lösungen brauchen häufig großen Flächen, um zu funktionieren – damit könnten sie in Konkurrenz kommen zur Herstellung von Nahrungsmitteln, wie der IPCC sagt.

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Der Großteil der Emissionen, die aktuell noch jeden Tag produziert werden, muss deshalb eingespart werden, auch das sagt der Bericht der Arbeitsgruppe III deutlich. Und dafür bleibt wenig Zeit.

Der Großteil der Emissionen muss eingespart werden

Obwohl zahlreiche Länder sich inzwischen langfristige Ziele für Treibhausgasneutralität gesetzt haben und eine wachsende Anzahl von Staaten auch konstant ihre Emissionen senkt, steigt der Ausstoß von Treibhausgasen global immer noch. In den Jahren von 2010 bis 2019 war er laut IPCC im Schnitt höher als in jeder anderen Dekade zuvor.

Um das 1,5-Grad-Ziel nicht zu reißen, müssen die Treibhausgasemissionen für das 1,5-Grad-Ziel noch vor 2025 ihren Höhepunkt erreicht haben und bis 2030 um 43 Prozent gesenkt werden.

Negative Emissionen sind eine Lösung nur für den Teil des Treibhausgases, der sich nicht vermeiden lässt, sagt Oliver Geden von der Stiftung Wissenschaft und Politik, Leitautor des Kapitels zu sektorenübergreifenden Perspektiven. Das betrifft etwa die Herstellung von Stahl und Zement, aber auch die Landwirtschaft. „Die klare Message muss immer sein, dass klassische Emissionsreduktionen Vorrang haben“, sagt er. Man müsse mehr Erfahrungen mit den einschlägigen Technologien sammeln, aber „ohne den Eindruck zu erwecken, wenn wir das machen, können wir weitermachen wie bisher“.