Berlin . Wegen des Kriegs in der Ukraine sind Jodtabletten gerade sehr gefragt. Doch die Einnahme ist sinnlos – und im Zweifelsfall gefährlich.

Im Krieg in der Ukraine kommt es immer wieder auch zu Gefechten und Angriffen um und auf Atomkraftwerke. Zu Beginn der Invasion eroberte Russland zunächst die Atomruine Tschernobyl. Eine Woche später dann drehten sich die Kämpfe um Europas größtes Atomkraftwerk, die Anlage Saporischschja. Dabei geriet ein Trainingszentrum auf dem Gelände des Kraftwerkes in Brand.

Laut der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA war die Sicherheit der Reaktoren aber nicht gefährdet. "Es ist mir wichtig zu berichten, dass alle Sicherheitssysteme der sechs Reaktoren in dem Kraftwerk in keiner Weise beeinträchtigt sind. Es wurde kein radioaktives Material freigesetzt", sagte IAEA Chef Rafael Grossi am Freitag.

Auch das Bundesamt für Strahlenschutz meldete am Freitag, alle radiologischen Messwerte am Kraftwerk bewegten sich im normalen Bereich.

Jodtabletten kaufen kann die Gesundheit gefährden

Trotz dieser beruhigenden Nachrichten rund um die Geschehnisse in Saporischschja fragen sich derzeit in Deutschland viele Menschen, wie sie sich vor einen möglichen Strahlenunfall schützen können. Die Suchanfragen bei Google schießen durch die Decke. Besonders gefragt sind dabei Jodtabletten.

Das Wichtigste zuerst: Das Bundesumweltministerium warnt ausdrücklich davor, derzeit mit Jodtabletten vorsorgliche Selbstmedikation zu betreiben. Diese "birgt erhebliche gesundheitliche Risiken, hat aktuell aber keinerlei Nutzen", heißt es. Es gebe derzeit "keinen Anlass für die Einnahme von Jodtabletten". Das Ministerium werde informieren, sollte es relevante Entwicklungen geben.

Jodtabletten werden nach Atomunfall verteilt

Wichtig ist in dem Zusammenhang auch: Die Bundesregierung bevorratet knapp 190 Millionen Jodtabletten. Anders als etwa bei den lange fehlenden Corona-Impfstoffen kann die Bevölkerung im Zweifelsfall also schnell vor einer Gefahr geschützt werden – denn die Mittel dafür sind da.

Normalerweise sollen die Tabletten bei einem Unfall in einem Kernkraftwerk kostenlos an die Bevölkerung ausgeteilt werden, besonders an Kinder und Jugendliche. Auch sie sind also, anders als in der Corona-Pandemie, von Anfang an besser geschützt. Abgabestellen im Ernstfall sind etwa Feuerwachen, bekannte Wahllokale, Rathäuser oder Apotheken.

Jodtabletten schützen Schilddrüse vor Radioaktivität

Zudem gilt bei der Einnahme von Jodtabletten: Das Mittel schützt ausschließlich vor der Aufnahme von radioaktivem Jod in der Schilddrüse. Dieses kann in dem Organ mit Jahrzehnten Verzögerung Schilddrüsenkrebs auslösen, besonders bei jungen Menschen. Ältere Jahrgänge über 45 hingegen sollten überhaupt kein hochdosiertes Jod einnehmen, warnt etwa der Deutsche Apothekerverband DAV.

Wird hochdosiertes Jod rechtzeitig eingenommen, flutet es die Schilddrüse und verhindert, dass sich dort radioaktives Jod ansammelt. Dazu muss das Medikament außerdem zum rechten Zeitpunkt eingenommen werden. Der Effekt verpufft sonst wirkungslos. Wird es zu spät genommen, kann sich bereits radioaktives Jod in der Schilddrüse angesammelt haben.

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Jodtabletten in Apotheken kaufen ist sinnlos

Da derzeit keine Gefahr von den Reaktoren in Tschernobyl und Saporischschja ausgeht, ist es sinnlos, Jodtabletten zu kaufen. Das gilt doppelt für handelsübliche Jodtabletten, die in der Apotheke gekauft werden können. In mehreren Online-Apotheken sind die Mittel bereits vergriffen.

Der Kauf ist aber vergebens, denn: Jodtabletten, wie sie etwa zur Behandlung von Schilddrüsenkrankheiten benutzt werden, führen nicht zu der Jodblockade, mit der die Schilddrüse vor der Ablagerung radioaktiven Materials geschützt werden kann. Die Dosierung ist viel zu gering – um das 100 bis 1000-Fache.

Zu guter Letzt ist die Ukraine auch zu weit von Deutschland weg, als dass die Einnahme von hochdosiertem Jod notwendig werden könnte. Selbst wenn es zu einem nuklearen Zwischenfall kommen sollte. Der DAV schreibt dazu: "Derzeit gibt es in Deutschland keine rationale Begründung für die Einnahme hochdosierter Jod-Präparate." Es sei aufgrund der Entfernung nicht damit zu rechnen, dass eine Einnahme von Jodtabletten erforderlich werden könnte.

Dieser Artikel erschien zuerst auf www.waz.de.