Berlin. Ab Januar gelten neue Regeln für Behandlungen im Krankenhaus – und es fließt mehr Geld. Was das für Patientinnen und Patienten heißt.

Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will das Hamsterrad anhalten. Die deutschen Kliniken strampeln seit Jahren in einer Endlosschleife, die am Ende nur einen Effekt hat: Um die Kosten im Griff zu behalten, wird die Qualität gesenkt. Eine große Krankenhausreform soll nun die Zeitenwende im Gesundheitswesen bringen.

Doch weil so etwas dauert, es aber akut an allen Ecken und Enden brennt, gibt es bereits zum 1. Januar erste Änderungen, die die Kliniken entlasten sollen. Was sich jetzt für Patienten ändert - und welche Kritik es daran gibt.

Krankenhausbehandlung: Über Nacht nach Hause

Bestimmte Klinikuntersuchungen sollen künftig auch als Tagesbehandlung ohne Übernachtung im Krankenhaus möglich sein. Auf diese Weise sollen die Kliniken mehr Kapazitäten beim knappen Pflegepersonal schaffen, weil Nachtschichten nicht mehr besetzt werden müssen.

Über Nacht nach Hause – das soll immer dann möglich sein, wenn der Fall medizinisch geeignet ist und der Patient oder die Patientin einwilligt. Ein Anspruch auf Erstattung der Fahrtkosten besteht in der Regel nicht.

Ärztevertreter sorgen sich, dass die neue Regelung zur häuslichen Übernachtung für ökonomische Zwecke missbraucht werden könnte. Das Ziel sei richtig, praktikable Möglichkeiten zur tagesstationären Behandlung zu schaffen, sagte die Vorsitzende der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, Susanne Johna, dieser Redaktion. Eine solche Regelung könne in manchen Fällen das Pflegepersonal entlasten und auch dem Patientenwunsch entsprechen. Es dürfe aber keinen Druck auf die Ärztinnen und Ärzte geben.

Auch die Krankenkassen fürchten, dass ohne einen klaren Katalog, in welchen Fällen tagestationäre Behandlungen sinnvoll sind, Patienten künftig je nach Kalkül der Geschäftsführung über Nacht nach Hause geschickt werden.

Patientenschützer sehen das „Hop-on-Hop-off-System“ ebenfalls kritisch. Kranke Menschen dürften nicht dem Diktat der Kliniken unterstellt werden. „Karl Lauterbach beschwichtigt, alles solle auf freiwilliger Basis geschehen. Doch Kostenrechner werden entscheiden, wer am Abend bleiben darf“, warnte Egon Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz.

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Kinder im Krankenhaus: Mehr Geld für die Pädiatrie

Für Kinderkliniken soll es 2023 und 2024 jeweils insgesamt 300 Millionen Euro mehr geben, zum Sichern von Geburtshilfestandorten jeweils 120 Millionen Euro zusätzlich. Die Finanzspritze soll dagegen helfen, dass nicht noch weitere Stationen geschlossen werden oder ganze Kliniken dicht machen müssen. Und: Sie soll Kinderkliniken dabei unterstützen, die saisonalen Schwankungen beim Versorgungsbedarf auszugleichen. Das zentrale Problem aber wird damit nicht gelöst. Lesen Sie auch: Kinderkliniken: Warum die Notlage ein Drama mit Ansage ist

Die 110 Kliniken, die jüngst an einer Umfrage der Deutschen Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) teilgenommen hatten, wiesen insgesamt 607 aufstellbare Kinderintensivbetten aus, von denen aber lediglich 367 Betten betrieben werden können. Mehr als 70 Prozent gaben an, dass Pflegepersonalmangel der Grund für die Bettensperrungen sei. „Gefragt nach den Intensivkapazitäten zeichnet sich ein Bild, dass deutschlandweit, egal ob Norden, Süden, Osten oder Westen, durchschnittlich 40 Prozent der Kinder-Intensivbetten wegen Personalmangels gesperrt sind“, heißt es bei der DIVI.

Pflegenotstand: Personalschlüssel werden überprüft

Um die Arbeit häufig stark belasteter Pflegekräfte zu verbessern, soll ein neues Instrument der Personalbemessung für die Krankenhäuser kommen - ausgehend von errechneten Idealbesetzungen für die Stationen. Vorgesehen ist eine schrittweise Einführung: Ab 1. Januar 2023 ist eine Erprobungsphase geplant, um das Instrument in der Praxis zu testen, zunächst auf Normalstationen und in der Kinderheilkunde. Auf dieser Basis sollen den Krankenhäusern künftig Vorgaben für die Personalschlüssel gemacht werden. Ab 2025 soll die Personalbemessung dann verbindlich sein.

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Ohne Bewerber jedoch, hilft der beste Personalschlüssel nichts: Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) geht aktuell von mehr als 200.000 fehlenden Vollzeitkräften aus. Die Techniker Krankenkasse kritisiert, das Instrument löse kein einziges Problem in der Pflege - im Gegenteil. Vorstandschef Jens Baas: „Statt neuer Kolleginnen und Kollegen wird die geplante Pflegepersonalbemessung den Pflegekräften jede Menge zusätzlichen Bürokratieaufwand bescheren.“

Krankenhausreform: Wie geht es jetzt weiter?

Am kommenden Dienstag will Lauterbachs Expertenkommission für die Reform der Krankenhausversorgung ihre Vorschläge vorstellen. Zentral geht es um die Frage, wie das jetzige System der Fallpauschalen überwunden werden kann, bei dem die Kliniken pro Behandlungsfall eine feste Vergütung bekommen. Dieses System habe sich mittlerweile so verselbstständigt, dass es zulasten der Qualität der Versorgung gehe, so Lauterbach.

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Es ist der „Hamsterrad-Effekt“: Nur mit einer Steigerung der Fallzahl könnten Kliniken das Budget halten oder erhöhen. Und es machten jene Kliniken Gewinn, die für Leistungen möglichst wenig Geld ausgäben, also auch wenig Personal einsetzen. 20 Jahre nach Einführung der Fallpauschalen, an der Lauterbach damals selbst maßgeblich beteiligt war, ist das System am Ende: „Wir haben das Gleichgewicht verloren zwischen Ökonomie und Medizin.“