Krieg in der Ukraine

Kommt jetzt die allgemeine Dienstpflicht in Deutschland?

Christian Unger
| Lesedauer: 5 Minuten
Munster: Kampfpanzer der Bundeswehr vom Typ Leopard 2 A7V fahren über den Truppenübungsplatz.

Munster: Kampfpanzer der Bundeswehr vom Typ Leopard 2 A7V fahren über den Truppenübungsplatz.

Foto: Philipp Schulze / dpa

Berlin .  Vor zehn Jahren wurde die Wehrpflicht abgeschafft. Doch mit dem Ukraine-Krieg werden Rufe nach einer allgemeiner Dienstpflicht laut.

Junge Menschen sollen nach der Schule ein Jahr in der Bundeswehr Dienst leisten, oder aber in sozialen Einrichtungen wie Pflegeheimen oder im Naturschutzverein, der Feuerwehr oder einer Bücherhalle oder einem Theater – so jedenfalls die Befürworter einer „allgemeinen Dienstpflicht“. Die Idee: Ein allgemeines Dienstjahr soll die Gesellschaft stärken: die Truppen, aber auch die Angebote in sozialen und ökologischen Einrichtungen.

Der Krieg in der Ukraine hat die Debatte wieder auf die Agenda gesetzt – für viele gilt der russische Einmarsch, befohlen durch Wladimir Putin, in ein Land in Europa als Zeitenwende, auf die Deutschland reagieren müsse. Ein solches allgemeines Dienstjahr, so die Argumentation, mache Ressourcen frei in Bundeswehr und Zivilgesellschaft, die es einst schon gegeben hatte: Als noch die Wehrpflicht und der Zivildienst Pflicht waren.

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Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Carsten Linnemann sagte der „Bild“: „Ich persönlich setze mich seit Jahren für die Einführung eines Gesellschaftsjahres ein, das sich verpflichtend an junge Männer und Frauen nach Beendigung ihrer Schulzeit richtet.“

Ein Dienstjahr in der Bundeswehr – aber auch bei der Feuerwehr und in Pflegeheimen

„Ein solcher Dienst würde sich nicht auf die Bundeswehr beschränken, sondern auch den Pflege- und Sozialbereich sowie THW, Feuerwehr oder Vereine berücksichtigen“, sagte Linnemann weiter. „Das würde die Krisenresilienz unserer Gesellschaft stärken. Soziale Kompetenzen werden vermittelt, die es in diesen anhaltend schwierigen Zeiten braucht.“

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Unterstützung kam vom stellvertretenden Vorsitzenden der Unionsfraktion im Bundestag, Johann Wadephul (CDU). „Wenn dieser Dienst finanziell attraktiv gemacht wird und konkrete Vorteile wie das Ansammeln von Rentenpunkten oder ein erleichterter Zugang zu Studien- oder Ausbildungsplätzen geschaffen werden, haben wir die Chance, sehr viel mehr Personal anzuwerben“, sagte Wadephul der „Welt“.

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Es war CSU-Politiker Karl-Theodor zu Guttenberg, der 2011 als damaliger Verteidigungsminister die Wehrpflicht ausgesetzt hatte. Damit fiel auch der Zivildienst weg, den jedes Jahr Hunderttausende junger Männer genauso wie den Grundwehrdienst absolvierten.

Wehrdienst hat eine lange Tradition, geht zurück bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts

Ein solcher Wehrdienst hat eine lange Tradition, geht sogar zurück bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts, als Preußen nach der Niederlage in den „Befreiungskriegen“ gegen Frankreichs Napoleon ein Pflichtdienst an der Waffe einführte.

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Seit der Abschaffung der Wehrpflicht 2011 können junge Menschen nach der Schule oder später ein freiwilliges Jahr in der Bundeswehr verbringen – oder in einer sozialen Einrichtung, der Bundesfreiwilligendienst, den jedes Jahr mehrere Zehntausend Menschen in Anspruch nehmen.

Schon 2018 hatte die damalige CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer dann das „allgemeine Dienstjahr“ ins Spiel gebracht. Kramp-Karrenbauer hob damals die Bindung des Bürgers an den Staat hervor. Angesichts des Aufstiegs des Populismus müsse man sich die Frage stellen: „Gibt es überhaupt noch einen Kitt, der unsere Gesellschaft zusammenhält?“

Logistik für Zehntausende Freiwillige würde Milliarden kosten

Nun ist es der Krieg in der Ukraine, der die Frage nach der Widerstandskraft und der Stärke der deutschen Gesellschaft zurück in die Debatte trägt. Doch nicht alle sind überzeugt davon. So spricht sich die FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann gegen eine neue Wehrpflicht aus. Das sei auch militärtaktisch fragwürdig, so der Tenor. Denn die Bundeswehr benötigt für moderne Kriege vor allem hochspezialisiertes technisches Gerät und Waffensysteme. Die könnten nicht durch junge Freiwillige bedient werden.

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Außerdem fehle die Logistik für die Unterbringung und Versorgung von Zehntausenden jungen Wehrdienstleistenden. Das wieder aufzubauen, würde Milliarden kosten, so die Kritiker der Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht. Lesen Sie hier: Allgemeine Dienstpflicht - Was hinter der Idee steckt

Schon heute können Menschen sich freiwillig für ein Jahr in der Bundeswehr melden. Die sicherheitspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Sara Nanni, sagte der „Welt“: „Wer in die Bundeswehr investiert, muss selbstverständlich zuallererst in das Personal investieren. Es ist das Rückgrat der deutschen Verteidigungspolitik.“ Die beste Werbung für die Bundeswehr seien sinnvolle Mandate und eine gute Arbeitsumgebung.

Und auch aus der Union kommt Widerspruch zu möglichen Plänen für ein allgemeines Dienstjahr. CSU-Verteidigungsexperte Florian Hahn hob hervor, dass Technologie und Waffensystem notwendig seien, „und keine Köpfe“.