Berlin. Die USA und die Taliban haben sich angeblich verständigt. Dabei reißen die Anschlagsmeldungen nicht ab. Wie passt das zusammen? Eine Analyse.

Afghanistan erlebt einen extrem blutigen Sommer – kaum eine Woche vergeht ohne neue Anschläge. Erst in der Nacht zu Dienstag wurden bei der Explosion einer Autobombe in Kabul mindestens 16 Menschen getötet und mehr als 110 verletzt. Kurz zuvor hatte ein TV-Sender gemeldet, dass die USA und die aufständischen Taliban sich auf einen Friedensplan geeinigt hätten. Wie passt das zusammen?

Islamisten kontrollieren die Hälfte des Landes. Am Wochenende haben ihre Kämpfer Angriffe auf Kunduz und Puli Khumri im Norden gestartet. Geländegewinne unmittelbar vor einem Waffenstillstand sind nichts Ungewöhnliches, sondern in der Logik des Krieges ein Signal der Stärke. Hinzu kommt, dass Ende des Monats eine Präsidentenwahl ansteht – Gewalt hat noch jeden Urnengang am Hindukusch begleitet.

Krieg in Afghanistan geht nun schon ins 18. Jahr

Der Waffengang am Hindukusch geht in sein 18. Jahr. US-Präsident Donald Trump hat seinen Wählern versprochen, die Soldaten heimzuholen. Nun muss er liefern und will bei seinen Anhängern punkten. Seit mehr als einem Jahr schon führen Vertreter der Taliban mit den USA Friedensgespräche. Die achte Verhandlungsrunde ist gerade in Doha zu Ende gegangen. Der US-Sonderbeauftragte Zalmay Khalilzad erklärte, das Abkommen stehe „im Prinzip“. Alles weitere hängt jetzt vom amerikanischen Präsidenten ab.

Der US-Sondergesandte für Afghanistan, Zalmay Khalilzad.
Der US-Sondergesandte für Afghanistan, Zalmay Khalilzad. © dpa | Jacquelyn Martin

Offenbar sollen in den kommenden Monaten rund 5000 US-Soldaten abgezogen werden. Das ist zwar unbestätigt, aber durchaus plausibel, hatte der Präsident doch erst letzte Woche in einem Interview gesagt, dass er die Truppenpräsenz – derzeit 14.000 Militärs – reduzieren will. Trump: „Wir gehen runter auf 8600 (Truppen) und machen die Entscheidung, wie es weitergeht, davon abhängig, was passiert.“

Trump: „Wir müssen ein Auge auf Afghanistan haben“

Der Präsident will einen „Deal“ mit den Taliban, aber nicht riskieren, dass das Land wieder zu einem Rückzugsort für Terroristen wird. „Wir müssen ein Auge auf Afghanistan haben.“ Die ursprüngliche Kampfmission endete im Dezember 2014. Die Nato ist im Rahmen der Mission „Resolute Support“ noch mit rund 17.000 Soldaten in der Region engagiert, darunter 1300 Soldaten der Bundeswehr.

Mit Ausnahme der Amerikaner, die auch Kampfeinsätze durchführen, sollen die ausländischen Soldaten die afghanische Armee nur trainieren und unterstützen. Das deutsche Mandat endet am 31. März 2020. Wenn die USA ihre Präsenz zurückfahren, wird der Bundestag darauf drängen, auch den Beitrag der Bundeswehr reduzieren.

I m Bundestag stellt nicht nur die FDP längst die Sinnfrage

Bei der Vereidigung von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) sagte FDP-Chef Christian Lindner, „wir erwarten von Ihnen Leadership bei der Aufarbeitung unserer Auslandseinsätze“. Er wünsche sich einen „unbefangenen Blick“ bei der Evaluation des Einsatzes und bei der Planung einer Exit-Strategie.

Zahlreiche Tote nach Explosion und Schüssen in Kabul

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    Lindner ist keineswegs der einzige im Bundestag, der die Sinnfrage gestellt. Von Brunnenbohren und Mädchenschulen, von Demokratie nach westlichem Vorbild, von „Herzen und Köpfe gewinnen“ ist schon lange nicht mehr die Rede – die Geschichte dieses Einsatzes ist eine Chronik der Wunschwahrheiten.

    Trump hat keine Zeit, die Taliban aber schon

    Die Taliban pochen auf einen baldigen und vollständigen Abzug ausländischer Truppen, spätestens in 18 Monaten. Die nächsten Schritte wären ein Waffenstillstand und ein innerafghanischer Dialog. Bewusst haben die Taliban nur mit den USA, nicht aber mit der Regierung in Kabul verhandelt. Bislang halten die afghanischen Streitkräfte noch ein militärisches Patt. Die Frage ist nur, ob noch ein Afghane für seine Regierung kämpfen will, wenn die westlichen Truppen überstürzt abgezogen werden; am Hindukusch ist Loyalität eine Wanderdüne.

    „Die USA rennen zum Frieden“, sorgt sich Daud Nadschi, ein politischer Aktivist in Kabul. Die Uhr läuft nicht für den US-Präsidenten, sondern für die Taliban. Denn sie haben Zeit, viel Zeit.