Berlin. Max Otte, CDU-Politiker und Bundespräsidentenkandidat der AfD, beschert der Parteiführung unter Friedrich Merz ein gewaltiges Problem.

Es gibt zwei Momente im Leben des CDU-Politikers Max Otte, in denen er für richtige Schlagzeilen sorgte. Der eine liegt drei Jahre zurück und datiert zum 18. Juni 2019. An diesem Tag, zwei Wochen nach dem kaltblütigen Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, nannte er den Schützen einen „minderbemittelten Einzeltäter“ und beklagte, dass die Medien „gegen die rechte Szene hetzen“.

Der zweite Augenblick war an diesem Dienstag, als sich der Ökonom im dunkelblauen Einreiher an der Seite der AfD-Politiker Alice Weidel und Tino Chrupalla als Kandidat der AfD in Berlin für das Amt des Bundespräsidenten präsentierte.

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Otte gilt schon lange als „Crash-Prophet“

Was ist das für ein Mann, der auf dem Ticket der CDU für die Union größtmöglichen Schaden anrichtet und der AfD bereitwillig als Werkzeug dient?

Auf seinem Twitter-Profil grüßt der 57-jährige Ökonom, der im sauerländischen Plettenberg geboren wurde, schon als „Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten“. Darunter 60.731 Follower. Alice Weidel wird sogar mit Foto gezeigt. Otte gilt unter Wirtschaftsexperten schon lange als „Crash-Prophet“, der den Zusammenbruch der Aktienmärkte und des Finanzsystems voraussieht.

Entsprechend heißen seine Bücher „Der Crash kommt“, „Stoppt das Euro-Desaster!“, „Rettet unser Bargeld!“ – Titel, die eine wirtschaftliche Katastrophe voraussagen und bis dahin eine gute Geldquelle für den pessimistischen Autor sind.

Ein CDU-Mann bei der AfD: Die Fraktionschefs Alice Weidel und Tino Chrupalla (r.) mit Max Otte im Bundestag.
Ein CDU-Mann bei der AfD: Die Fraktionschefs Alice Weidel und Tino Chrupalla (r.) mit Max Otte im Bundestag. © dpa | Kay Nietfeld

Werteunion mittlerweile sogar für Maaßen zu rechts

Seit Mai vergangenen Jahres war Otte Vorsitzender der Werteunion, seit Dienstag lässt er dieses Amt ruhen. Der eingetragene Verein ist kein Organ der Partei und hat sich binnen sechs Jahren von einem Sammelbecken Ultrakonservativer zu einer Bewegung gewandelt, die sogar dem ehemaligen Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen mittlerweile zu rechts ist.

„Es ist nicht akzeptabel, dass sich ein Unionsmitglied als Bundespräsidentenkandidat von der AfD aufstellen lässt“, sagte Maaßen zu Ottes Plänen und war damit raus aus der Werteunion.

Werteunion akutes Problem für Friedrich Merz

4000 Mitglieder umfasst die Werteunion – das sind nur etwas mehr als ein Prozent der rund 380.000 CDU-Mitglieder. Dennoch reicht es, um seit Gründung für unverhältnismäßig viel Aufsehen und Ärger in der Partei zu sorgen. Jetzt ist die Werteunion das akuteste Problem in der beginnenden Amtszeit von Friedrich Merz. Dass ausgerechnet ihr Chef jetzt mit der AfD paktiert, beschreibt die Dimension.

„Mit mir wird es eine Brandmauer zur AfD geben“, hatte Friedrich Merz vor seiner Wahl versprochen. Diese Wand muss er jetzt auch gegen Otte und Teile der Werteunion stehen lassen, wenn er glaubwürdig sein will.

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Verfahren zum Parteiausschluss schwierig und langwierig

Gemäß dieser Merz-Doktrin hat die Partei am Dienstag schnell reagiert. Sowohl der alte als auch der designierte Generalsekretär erklärten, Otte wegen extrem parteischädigenden Verhaltens aus der Partei ausschließen zu wollen. Da solche Schiedsgerichte – in diesem Fall beim Kölner Kreisverband – lange dauern können, wurden Otte bereits vorläufig die Mitgliedsrechte entzogen.

Das heißt, er darf nicht an internen Parteiversammlungen teilnehmen und innerhalb der Partei weder wählen noch gewählt werden. Ob dieser Beschluss Bestand hat, ist noch nicht ausgemacht.

Die SPD hat im Fall des ehemaligen Berliner Finanzsenators Thilo Sarrazin erlebt, wie schwierig und vor allem langwierig es ist, einen unliebsamen Parteigänger vor die Tür zu setzen. Bei Sarrazin dauerte es zehn Jahre vom ersten Versuch bis zum finalen Rauswurf.

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„Sturm der Entrüstung“ in der CDU

CDU-General Paul Ziemiak, der nur noch bis zur offiziellen Bestätigung seines Nachfolgers Mario Czaja im Amt ist, fühlt sich in seinem Handeln durch die Basis bestätigt. Ziemiak sagte unser Redaktion: „Nach der Ankündigung der Kandidatur von Max Otte für die AfD haben wir einen regelrechten Sturm der Entrüstung in der Mitgliedschaft der CDU erlebt.“

Der ehemalige Ost-Beauftragte der Bundesregierung, Marco Wanderwitz, sagte: „Wir haben nun endlich sozusagen stellvertretend klargemacht, dass nicht wenige der Mitglieder der sogenannten Werteunion bei der CDU falsch sind. Diesen Weg sollten wir konsequent weitergehen.“ Wer „Brücken zur AfD“ schlage, könne „kein Christdemokrat“ sein.

Es bleibt ein gewaltiger Schaden

Auch wenn dieser Sturm aus der Basis der Parteiführung hilft, Otte loszuwerden, bleibt ein gewaltiger Schaden. Für die Union ist der Coup der AfD Salz in die Wunden, die man beim Thema Bundespräsident ohnehin schon pflegen muss. CDU und CSU war es nicht gelungen, eine eigene Kandidatin zu finden, aufzustellen und ihr eine mögliche Mehrheit zu sichern.

Noch-CDU-Chef Armin Laschet und CSU-Chef Markus Söder mussten sich verbiegen und notgedrungen für die zweite Amtszeit Frank-Walter Steinmeiers aussprechen, obwohl man mit den Grünen schon über Alternativen gesprochen hatte.

Und Otte, der mit den 150 Stimmen der AfD in der Bundesversammlung keine Chance hat, vertiefte diesen Schmerz jetzt noch. Er werde die Kandidatur zurückziehen, wenn die Union doch noch einen eigenen Kandidaten aufstelle, erklärte er gönnerhaft.