Brüssel. Wie wirken das Importverbot und der Preisdeckel für Russlands Öl? Eine Erste Bilanz zeigt Milliarden-Einbußen für die Kriegskasse.

Russland hat viele der westlichen Sanktionen wegen des Ukraine-Kriegs bislang überraschend gut überstanden. Doch eine der jüngsten Strafmaßnahmen tut Präsident Wladimir Putin jetzt richtig weh: Das neue Ölembargo und der damit verbundene Ölpreisdeckel kosten den Kreml sehr viel Geld.

Einnahmen von 160 Millionen Euro pro Tag entgehen Russland, seit die EU-Staaten am 5. Dezember die Einfuhr von russischem Seeöl stoppten und Deutschland zusätzlich seit Jahresende auch den Import von Pipelineöl nach Ostdeutschland untersagte. Das zeigt eine Untersuchung der finnischen Forschungsorganisation Center for Research on Energie and Clean (CREA) zu ersten Sanktionswirkungen.

Wenn am 5. Februar auch das Verbot für die Einfuhr russischer Raffinerie-Produkte wie Diesel oder Kerosin in Kraft tritt, dürfte der Verlust demnach auf 280 Millionen Euro pro Tag steigen. Bis Ende des Jahres fehlen Russland mithin Einnahmen von fast 100 Milliarden Euro. „Das Ölverbot der EU und die Ölpreisobergrenze sind endlich in Kraft getreten, die Auswirkungen sind so erheblich wie erwartet“, sagt Crea-Chefanalyst Lauri Myllyvirta. „Dies zeigt, dass wir über die Mittel verfügen, um der Ukraine zu helfen, sich gegen die russische Aggression durchzusetzen.“

Öl-Sanktionen wirken: Putin fehlen Milliarden für seinen Krieg

Ähnlich ist die Bewertung der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), die die Bundesregierung berät: „2023 wird ein deutlich schlechteres Jahr für die russischen Rohstoffexporte als 2022“, sagt SWP-Russlandexperte Janis Kluge. Die neuen Sanktionen seien ein großes Hindernis für den russischen Export. „Russland muss sein Öl zu hohen Rabatten in den Markt drücken“, erläutert Kluge. Die Folgen sind klar: Wladimir Putin hat wesentlich weniger finanziellen Spielraum für die Fortsetzung seines Angriffskrieges gegen die Ukraine.

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Die EU-Staaten hatte das Embargo schon im Sommer beschlossen, um nicht länger auch mit den Öl-Milliarden Putins Krieg gegen die Ukraine zu finanzieren; nur Ungarn, Slowenien und Tschechien dürfen wegen ihrer besonderen Abhängigkeit zunächst noch Öl über Pipelines aus Russland beziehen. Hinzu kam im Dezember die Einigung der Europäischen Union, der USA und anderer westlicher Industriestaaten auf einen Ölpreisdeckel: Russland soll demnach zwar weiter Öl an Drittstaaten verkaufen können, damit es nicht zu Engpässen auf dem Weltmarkt kommt – aber ein Preisdeckel von 60 Dollar pro Barrel (etwa 159 Liter) soll die Einnahmen für den Kreml drücken. Der Hebel: Russisches Öl zu Preisen über 60 Dollar dürfen die – zum Großteil europäischen - Reedereien nicht transportieren, andernfalls drohen ihnen Strafen.

Wegen Preisdeckel: Russland muss sein Öl zum Niedrigpreis verramschen

Einige Experten hatten befürchtet, dass der Ölpreis in die Folge durch die Decke gehen würde. Das Gegenteil ist der Fall, der Preis ist gesunken, und russisches Öl wird wie vom Westen erhofft mit starken Preisabschlägen gehandelt. Öl der Nordsee-Sorte Brent kostet derzeit rund 79 Dollar je Barrel, russisches Ural-Öl dagegen 38 Dollar – Russland verramscht sein „schwarzes Gold“. China und Indien nutzen die Gelegenheit, Öl zum Schnäppchenpreis zu kaufen. Die russische Zentralbank spricht schon von einem „neuen ökonomischen Schock“, der die wirtschaftliche Dynamik deutlich schwächen werde.

Die Erdölleitung
Die Erdölleitung "Freundschaft - Druschba" auf dem Gelände der PCK-Raffinerie im brandenburgischen Schwedt. Bislang transportierte die Pipeline russisches Rohöl nach Deutschland, bald könnte Öl aus Kasachstan fließen. © dpa | Patrick Pleul

Laut Crea-Studie gingen durch das Rohölimportverbot der EU und die Preisobergrenze schon im Dezember die russischen Rohölexporte um 12 Prozent zurück, die Verkaufspreise parallel um 23 Prozent - was zusammen die Einnahmen um ein Drittel schrumpfen ließ. Zusätzlich zu diesen Maßnahmen stoppte Deutschland Ende Dezember die Einfuhr von Pipelineöl, das bisher in die Raffinerien Schwedt (Brandenburg) und Leuna (Sachsen-Anhalt) floss; dies führte zu einem weiteren Rückgang um 5 Prozent.

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Nach Ölimport-Stopp aus Russland: Noch ist die Raffinerie Schwedt nicht ausgelastet

Allerdings: Trotz dieser heftigen Einbußen bringen Russlands Exporte fossiler Brennstoffe immer noch 640 Millionen Euro pro Tag ein, die ab Februar auf etwa 520 Millionen Euro sinken dürfen. Nicht nur die Ukraine hatte deshalb von Anfang an eine viel niedrigere Preisobergrenze gefordert. Auch die Autoren der Crea-Studie fordern nun, die Preisobergrenze von 60 Dollar auf 25 bis 35 Dollar zu senken. Die Bereitschaft dazu dürfte im Westen aber nicht allzu groß sein, vor allem in Deutschland nicht. Denn noch ist nicht klar, wie gut die Nebenwirkungen des Ölembargos abgefedert werden können.

Vor Beginn des Ukraine-Kriegs deckten Ölimporte aus Russland rund 35 Prozent des deutschen Bedarfs. Das russische Tankeröl kann zwar bislang vollständig ersetzt werden, wie die Mineralölwirtschaft versichert. Nicht so positiv ist die Bilanz für die Raffinerie PCK Schwedt in Brandenburg, die bisher über die Druschba-Pipeline Rohöl aus Russland bezog. Derzeit ist die Raffinerie mit Lieferungen über den Hafen Rostock nur etwa zur Hälfte ausgelastet. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) versichert zwar, dass mit zeitnahen Lieferungen über Danzig die Auslastung auf 70 Prozent steigen werde; vertraglich gesichert ist das noch nicht. Immerhin kündigte Kasachstan jetzt an, im ersten Quartal 300 000 Tonnen Rohöl über die Druschba-Pipeline zu liefern – angesichts einer Jahreskapazität in Schwedt von 12 Millionen Tonnen ist das noch kein Durchbruch. Hinzu kommt, dass das Öl durch Tausende Kilometer Öl-Pipelines des russischen Staatskonzerns Transneft geleitet werden muss. Trotz Ölembargo verdient Russland dann kräftig an den Transitgebühren.