Brüssel. Um Lösungen in der Energiekrise wird auf EU-Ebene mit harten Bandagen gekämpft. Das bekommt vor allem Kanzler Olaf Scholz zu spüren.

Bundeskanzler Olaf Scholz gab sich zufrieden: „Wir haben uns zusammengerauft in Europa“, sagte er nach gut zehnstündigen Verhandlungen beim EU-Gipfel in Brüssel. Dies sei ein gutes Zeichen der Solidarität. Ob er isoliert sei in der Europäischen Union? „In keinster Weise“, versicherte der Kanzler. Doch das sehen nicht alle so: Der Eindruck einer deutschen Isolation hatte das Gipfeltreffen zeitweise begleitet. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron befeuerte die Einschätzung, als er zum Auftakt erklärte: „Es ist nicht gut, weder für Deutschland noch für Europa, wenn es sich isoliert.“

Tatsächlich kämpft Kanzler Scholz auf EU-Ebene mit ungewöhnlich heftigem Gegenwind – je stärker europäische Länder in der Energiekrise unter Druck geraten, desto massiver versuchen sie, die Bundesregierung für ihre Interessen unter Druck zu setzen. Bislang ohne Erfolg, Scholz bleibt standhaft. Aber unverkennbar befindet sich die Bundesregierung in der Defensive.

Erst sorgte das 200 Milliarden Euro schwere „Doppelwumms“-Hilfspaket gegen die Energiekrise, das die Ampelkoalition auflegt, wegen seiner ungewöhnlichen Dimension für böses Blut in der EU. Selbst EU-Kommissare warnen vor einer Wettbewerbsverzerrung im Binnenmarkt. Berlin wehrt sich gegen den Vorwurf des Egoismus, hat aber wohl versäumt, die Pläne rechtzeitig abzustimmen.

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EU-Gipfel: Einigung auf gemeinsamen Gaseinkauf

Die Forderung Frankreichs und von Ländern Süd- und Osteuropas, nun erst recht für alle EU-Staaten einen gemeinsam finanzierten europäischen Milliardenfonds gegen die Energiekrise aufzulegen, lehnt die Bundesregierung ab und ist damit keineswegs allein – aus grundsätzlichen Bedenken, aber auch, weil in großen Hilfstöpfen noch hunderte Milliarden Euro zur Verfügung stünden.

Schließlich kulminiert die Missstimmung im Streit um einen Gaspreisdeckel, den etwa zwei Drittel der EU-Staaten fordern. Die Bundesregierung ist gegen eine solche Preisobergrenze, weil sie fürchtet, Europa werde dann weniger Gas importieren können – die Tankschiffe mit LNG-Gas würden lieber nach Asien weiterfahren.

Die Bedenken werden von den Niederlanden, Dänemark, Luxemburg oder Ungarn geteilt. Beim Gipfel lenkten sie ein bisschen ein: Geprüft werden soll nun ein „vorübergehender dynamischer Preiskorridor“ für den Handel mit Gas. Eine Einigung dürfte schwierig bleiben. Scholz und der niederländische Premier Mark Rutte machten deutlich, dass sie an ihren Vorbehalten festhalten. Nur der gemeinsame Gaseinkauf zur Speicherung fand beim Gipfel allgemeine Zustimmung.

EU-Gipfel zeigt die Krise im deutsch-französischen Verhältnis

Dass aus den Interessensunterschieden solche Verwerfungen werden, liegt auch an einer akuten Störung im deutsch-französischen Verhältnis. Die überraschende Absage des Regierungstreffens in Paris wegen inhaltlicher Differenzen hat dies für alle Europäer sichtbar gemacht. Paris ist unter anderem verärgert, weil Deutschland die Initiative zum Aufbau eines gemeinsamen europäischen Luftabwehrsystems ergriffen hat; Frankreich ist nicht dabei.

Und in der Energiepolitik finden das Atomland Frankreich und das Atom-Ausstiegsland Deutschland nur schwer gemeinsame Positionen. Vergeblich drängte Scholz auf den Bau der Midcat-Gaspipeline von Spanien durch Frankreich nach Deutschland. Am Rande des Gipfels präsentierte Macron mit den Regierungschefs von Spanien und Portugal die Einigung auf ein alternatives Projekt. Scholz blieb die Zuschauerrolle.

Der Kanzler versicherte dennoch, die Zusammenarbeit mit Frankreich sei „intensiv und erfolgreich“. Der Präsident äußerte sich umgekehrt viel kühler über die Kooperation mit Berlin: „Wir haben nicht immer die gleichen Positionen und das ist normal“, erklärte Macron in Brüssel. „Wenn sich in Europa viele Dinge ändern – Energie, Verteidigung, Wirtschaft –, ist die Arbeit hart.“

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Dieser Artikel erschien zuerst bei morgenpost.de.