Tillia/Niamey. Im Niger bildet die Bundeswehr einheimische Spezialkräfte aus. Die kaum bekannte Mission gilt als großer Erfolg im instabilen Sahel.

Der nigrische Soldat liegt reglos auf dem Boden, Arme und Beine von sich gestreckt. Das Maschinengewehr neben ihm. Über ihm kniet ein Kamerad des Spezialkräftebataillons und sucht den kampfunfähigen Soldaten konzentriert nach Schusswunden und Brüchen ab. Er hat ihm die Schutzweste abgenommen, das Hemd hochgeschoben und fährt mit den Fingerspitzen vorsichtig die Wirbelsäule entlang. Daneben steht Olaf Scholz. Und guckt interessiert zu.

Der Bundeskanzler besucht die Ausbildungsmission "Gazelle" der Bundeswehr in Niger. Es ist seine erste Visite bei deutschen Soldaten im Auslandseinsatz seit Amtsantritt. Scholz setzt damit ein Zeichen, dass er die fragile Sicherheitslage in der Sahelzone ernst nimmt. Inmitten des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hätte schließlich auch eine Reise zu den Bundeswehrtruppen an der Nato-Ostflanke auf seinem Programm stehen können.

Ein Bett für den Kanzler

Scholz hat in der Hauptstadt Niamey den komfortablen Regierungsflieger gegen einen Bundeswehrtransporter A400M eingetauscht, um sich eine Flugstunde entfernt ein Bild von der Mission zu machen. Anstatt Krawatte und Anzug trägt Scholz feste Schuhe, ein dunkelblaues Polohemd und eine dunkel-beige Hose. Das Thermometer zeigt an diesem Morgen bereits 34 Grad an. Das ist vergleichsweise kühl, da es in der Nacht geregnet hat. Die Temperaturen können hier in der Wüste auf mehr als 55 Grad Klettern.

Dass der Kanzler sich auf seiner dreitägigen Afrika-Reise durch Senegal, Niger und Südafrika die Zeit nimmt, um das karge Camp zu besichtigen, hat nicht nur für die nigrischen Soldaten eine große Bedeutung, sondern auch für die örtliche Bevölkerung. Von Vertretern der Araber und Tuareg bekommt der Kanzler ein in Handarbeit hergestelltes traditionelles Bett aus bunt bemaltem Holz geschenkt, das am Ende des Besuchs verschnürt in den A400M geladen wird.

Kampftaucher im Wüstensand

Aber auch Fregattenkapitän Sven Rump sieht in dem Besuch ein "Zeichen der Wertschätzung". Ob der Einsatz in Deutschland ausreichend gewürdigt werde, wird der Chef der deutschen Ausbildungsmission gefragt. Dazu will Rump nichts sagen. Weitgehend unbemerkt von der deutschen Öffentlichkeit bilden in Tillia deutsche Kräfte Soldaten des Niger im Kampf gegen Terrormilizen wie den IS aus, damit die Armee im ärmsten Land der Welt selbst für die Sicherheit sorgen kann.

Der Bundeskanzler im Gespräch mit Fregattenkapitän Sven Rump, Bundeswehr Kommandeur der EUTM Mali Joint Special Operations Task Force Gazelle.
Der Bundeskanzler im Gespräch mit Fregattenkapitän Sven Rump, Bundeswehr Kommandeur der EUTM Mali Joint Special Operations Task Force Gazelle. © Michael Kappeler/dpa

Dafür sind neben knapp 200 Bundeswehrsoldatinnen und -soldaten auch eine "Handvoll" Spezialkräfte vor Ort, ihre genaue Zahl darf nicht genannt werden. Es sind ausgerechnet Kampfschwimmer aus Eckernförde, die hier mitten im rotbraunen Sand, wo es weit und breit kein Meer gibt, die einheimischen Soldaten schulen. Als die Ausbildung 2018 begann, war das Kommando Spezialkräfte (KSK) in Afghanistan im Einsatz. Die Kampfschwimmer waren verfügbar.

Die Region rund um das Camp gilt als sicher. Die Bundeswehrsoldaten begleiten die Einsätze der Nigrer, um die Trainingserfolge zu überwachen. Selbst kämpfen dürfen die Deutschen nicht. Aber das reicht: "Mit den nigrischen Spezialkräften hier will sich keiner anlegen, auch nicht der IS", sagt Major L., der seinen vollen Namen nicht nennen darf. "Die wissen, was die auf dem Kasten haben." Anders ist die Situation im 80 Kilometer entfernten Grenzgebiet zu Mali. Dort treiben mehrere Terrormilizen ihr Unwesen, plündern Dörfer, verüben Terroranschläge.

Mission erfolgreich

Das Camp Tillia ist Teil einer Kette von Stützpunkten entlang der Grenze, mit dem das Übergreifen von Chaos und Gewalt auf den Niger verhindert werden soll. In Mali hat sich die Situation zuletzt dramatisch verschlechtert. Die durch einen Putsch an die Macht gekommene Militärjunta behinderte den Einsatz ausländischer Truppen so stark, dass Frankreich sein Engagement beendet.

Deutschland will sich weiter an der UN-Stabilisierungsmission Minusma beteiligen, stellt aber die Ausbildung malischer Streitkräfte ein. Auch, weil die malische Regierung zunehmend auf den Einsatz berüchtigter russischer Söldner setzt. Ein Desaster für das jahrelange ausländische Engagement in dem zentralen Sahelstaat. Die Mission Gazelle im Niger hingegen gilt als Erfolg, Ende des Jahres sind 500 einheimische Soldaten von der Bundeswehr geschult worden. Der Auftrag endet damit.

Deutscher Einsatz soll weitergehen

"Die Bundeswehr hilft, dass sich Instabilität und Chaos im Zentrum des Sahelraumes in Niger und Mali nicht weiter ausbreiten", sagt Ulf Laessing, Leiter des Sahel-Programm der Konrad-Adenauer-Stiftung, unserer Redaktion. "Niger hat Teile seines Territoriums an Dschihadisten verloren, die aus Mali kamen." Die Bundeswehrmission spiele eine zentrale Rolle, um die nigrischen Spezialkräfte auszubilden. "Hier gibt es im Gegensatz zu Mali konkrete Erfolge, daher sollte Deutschland sein Engagement ausbauen."

Zurück in Niamey. In der Hauptstadt trifft Scholz den Präsidenten Mohamed Bazoum. Schnell kommt Bazoum auf Gazelle zu sprechen: "Ich habe den Kanzler gebeten, uns gemeinsam zu überlegen, wie wird das fortsetzen können." Scholz verspricht eine langfristige Zusammenarbeit. "Was wir gemeinsam erreicht haben, muss Ansporn sein für die Aktivitäten der Zukunft."

Dieser Artikel erschien zuerst bei waz.de.