Berlin. Hartz-IV-Empfänger leiden unter den Rekordpreisen. DGB und Sozialverbände fordern jetzt dauerhafte Hilfe statt neuer Pauschalzahlungen.

  • Die Lebensmittelpreise steigen immer weiter in Deutschland
  • Vor allem Hartz-IV-Empfänger sind davon betroffen, weshalb Forderungen laut werden, mehr Hilfen an sie zu zahlen
  • Wird der Regelsatz jetzt erhöht?

Deutschland ächzt seit Wochen unter hohen Preisen. Angetrieben von den gestiegenen Energiekosten und verschärft durch den Krieg in der Ukraine hat die Inflationsrate auch im März weiter zugelegt. Eine kurzfristige Entspannung ist nach Einschätzung von Experten nicht in Sicht.

Besonders für die Verbraucher ist die hohe Inflationsrate eine Belastung, denn sie schmälert ihre Kaufkraft. Das bedeutet, dass sich die Bürgerinnen und Bürger für einen Euro weniger leisten können. Zuletzt erreichte die Teuerungsrate mit 7,3 Prozent sogar den höchsten Stand im wiedervereinigten Deutschland.

Die aktuelle Entwicklung ist heftig und macht besonders jenen Menschen zu schaffen, die ein niedriges Einkommen haben und schon in der Vergangenheit nur mit großer Mühe über die Runden kamen. Dazu zählen vor allem Menschen in Hartz IV. Ihre ohnehin schmal bemessenen staatlichen Regelsätze pro Monat bleiben gleich, obwohl die Kosten für Strom, Gas und Lebensmittel steigen.

Hartz IV: Ausgleichszahlung für hohe Preise laut DGB und Sozialverbänden zu gering

Damit verschärft sich die finanzielle Lage von Menschen in Grundsicherung massiv. Hierzu zählen vor allem Langzeitarbeitslose und bedürftige Rentnerinnen und Rentner in Hartz IV. Um gegenzusteuern, haben die Ampel-Partner SPD, Grüne und FDP vor kurzem ein Entlastungspaket auf den Weg gebracht. Es sieht auch spezielle Hilfen für Menschen in Hartz IV vor.

Gewerkschaften und Sozialverbände halten die Hilfe angesichts der Preisentwicklung jedoch für viel zu gering. Laut den Plänen der Regierungsparteien sollen Bezieher von Transferleistungen im Juli eine Einmalzahlung erhalten. Sie soll bei 200 Euro pro Person liegen. Der Betrag wird nicht auf die Hartz-Regelsätze angerechnet. 2021 wurde bereits ein einmaliger Pandemie-Ausgleich von 150 Euro gezahlt.

Die Gewerkschaften halten diese Pauschalen für Menschen in Grundsicherung für zu niedrig bemessen. „Mickrige 12,50 Euro monatlich mehr bedeuten alle Einmalzahlungen in der Corona-Pandemie zusammen für Hartz-IV-Beziehende. Das ist nicht mal annähernd ein Ausgleich für die Mehrbelastungen durch Pandemie und aktuelle Preissteigerungen“, sagte DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel unserer Redaktion.

Gewerkschaften beklagen „mickrige 12,50 Euro monatlich“ für Menschen in Hartz IV

Als Grundlage nimmt der DGB die 2021 ausgereichte Einmalzahlung an Grundsicherungsempfänger von 150 Euro plus die jetzt geplanten 200 Euro. Auf 28 Pandemie-Monate gerechnet - also von Anfang März 2020 bis Ende Juni 2022 - ergibt sich aus der Summe von 350 Euro ein Betrag von 12,50 Euro monatlich. Piel bemängelte, schlechte Versorgung und Armut würden auf diese Weise nicht abgewendet.

Ohnehin hält der DBG das Instrument von Pauschalbeträgen für ungeeignet. „Einmalzahlungen sind grundsätzlich der falsche Weg. Die Bundesregierung muss stattdessen endlich dafür sorgen, den laufenden Lebensunterhalt für Hartz-IV-Berechtigte und Geringverdienende zu decken“, sagte Piel. Hierzu gehöre, dass Stromkosten realistisch ermittelt würden und der Regelsatz entsprechend angepasst werde.

Auch der Sozialverband Deutschland kritisiert, dass die stark erhöhten Lebenshaltungskosten dieser Haushalte trotz Pauschale nicht abgedeckt werden. Die geplante Einmalzahlung gingen zwar in die richtige Richtung, aber aufs Jahr gerechnet könne dies „die exorbitanten Teuerungen nicht ausreichend abfedern“, sagte Verbandspräsident Adolf Bauer unserer Redaktion.

Mindestlohn: Sozialverband fordert Erhöhung auf 13 Euro pro Stunde

Bauer verlangte, den Menschen in Grundsicherung bis zur angekündigten, grundsätzlichen Neufestlegung der Regelsätze „einen monatlichen Krisenzuschlag in Höhe von 100 Euro zu zahlen“. Die Ampel-Koalition geht nach eigenen Angaben davon aus, dass die Sätze zum 1. Januar des kommenden Jahres wegen der gestiegenen Energiepreise „angemessen erhöht werden“.

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Hartz IV – Infos und Fakten zum Arbeitslosengeld II

  • Bedeutung: Hartz IV ist die finanzielle Unterstützung für "arbeitsfähige Arbeitssuchende" in Deutschland.
  • Einführung: Hartz IV wurde 2005 unter der grün-roten Bundesregierung von Gerhard Schröder eingeführt.
  • Empfängerinnen und Empfänger: Rund 3,6 Millionen Menschen haben laut der Bundesagentur für Arbeit im Dezember 2021 Hartz IV erhalten.
  • Sanktionen: Wenn Hartz-IV-Empfänger ihren Pflichten nicht nachkommen, können Leistungen gekürzt werden.
  • Träger: Für die Auszahlung von Hartz IV sind die Jobcenter zuständig.
  • Kritik: Kritikerinnen und Kritiker bemängeln vor allem, dass Hartz IV nicht für einen angemessenen Lebensstandard reiche – viele Empfängerinnen und Empfänger sind von Armut bedroht.

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Bauer warnte zugleich davor, Haushalte mit geringem Einkommen, die leicht über Grundsicherungsniveau lägen, zu vergessen. Auch sie müssten entlastet werden. Der Verbandspräsident forderte die Koalition auf zu prüfen, ob „die für Oktober geplante Mindestlohnanhebung vorgezogen werden muss und in der geplanten Höhe noch ausreicht. Der SoVD fordert 13 Euro Mindestlohn“, sagte Bauer.

Es gehe darum, die Kaufkraft von Menschen im Niedriglohnbereich zu verbessern. Derzeit liegt der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland bei 9,82 Euro pro Stunde. Zum 1. Juli ist eine Anpassung auf 10,45 Euro geplant. Am 1. Oktober dann soll das Niveau der Lohnuntergrenze auf 12 Euro angehoben werden.

Hartz IV-Regelsätze: Chef der Tafeln verlangt sofortige Erhöhung der Regelsätze

Der Vorsitzende von Tafel Deutschland, Jochen Brühl, sprach sich angesichts der Teuerungen ebenfalls für eine Hartz IV-Erhöhung aus. „Die Regelsätze für Grundsicherung/ALG II müssen sofort angehoben werden, da führt kein Weg dran vorbei“, sagte Brühl unserer Redaktion. Seine Organisation gibt verteilt Lebensmittel an Bedürftige.

Der Tafel-Chef betonte, es sei „allerhöchste Zeit dafür, dass unmittelbar Geld bei den Menschen ankommt, denn sie haben keine Reserven. Eine Einmalzahlung, die vielleicht im Sommer auf dem Konto sei, reicht nicht.“ Auch könnten viele die Monate bis zur Mindestlohnerhöhung Anfang Juli nicht überbrücken, daher bräuchten auch Menschen mit geringen Einkommen Entlastungen.

Dieser Text erschien zuerst auf waz.de