Berlin . Gerade wegen der Inflation sollten bedürftige Rentner wissen, dass finanzielle Hilfen bereitstehen. Nicht alle nutzen sie auch. Warum?

Für bedürftige Rentnerinnen und Rentner will der Staat 2023 mehr Geld zur Verfügung stellen: Mit einem höheren Wohngeld, mit Zuschlägen zur Grundsicherung oder mit der Aufstockung der Grundrenten.

Doch die Ruheständler werden unter ihren Möglichkeiten bleiben und gar nicht beantragen, was ihnen zusteht. Das sagt der Mathematiker Werner Siepe in einer Studie für die Versicherungsberater-Gesellschaft VERS voraus. Das muss nicht sein – wir zeigen, wie "Kleinrentner" zu mehr Geld kommen können.

In der Studie "finanzielle Hilfen für bedürftige Rentner", die unserer Redaktion vorliegt, schreibt Siepe, aus Unkenntnis oder Scham würde schätzungsweise die Hälfte der Antragsberechtigten den Gang zum Sozialamt nicht antreten. Auch würden sie durch die "recht komplizierten Antragsformulare" und oft langen Bearbeitungszeiten abgeschreckt. Indes lassen sie sich so auch viel Geld entgehen; und das bei steigenden Lebenskosten. Lesen Sie auch: Wohngeld: Wer nach der Reform jetzt mehr Geld bekommt

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von einem externen Anbieter, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Beispiel Grundsicherung im Alter: Bei alleinstehenden Senioren beträgt der Mindestversorgungsbedarf zurzeit 1250 Euro im Monat, was einer monatlich gesetzlichen Rente von brutto 1.405 Euro entspricht. Die Grundsicherung errechnet sich aus der Differenz zwischen Bedarf und Einkommen, anders gesagt: Bedarf minus Einkommen.

Rente: Freibetrag von bis zu 251 Euro für Bezieher von Grundsicherung

Der Regelbedarfssatz steigt für alleinstehende Rentner im nächsten Jahr um rund zwölf Prozent auf 502 Euro. Und ein Freibetrag von bis zu 251 Euro kommt für alle Bezieher von Grundsicherung im Alter sowie von Wohngeld in Frage, die mindestens 33 Jahre an Grundrentenzeiten nachweisen können.

Technisch läuft das so ab: Der Freibetrag wird vom Einkommen abgezogen, so dass sich die Grundsicherung im Alter entsprechend erhöht. Eine Entlastung entsteht auch durch den so genannten Grundrentenzuschlag, der allen zusteht, die mindestens 33 Jahre lang gearbeitet, aber unterdurchschnittlich verdient haben.

Beispiel Wohngeld: Nach den Plänen der Bundesregierung wird sich der Kreis der Anspruchsberechtigten verdreifachen. Und die Höhe der gezahlten Leistungen soll sich verdoppeln.

Nach Siepes Berechnungen gibt der Staat für die mindestens 3,7 Millionen bedürftigen Rentnerinnen und Rentner jährlich rund 17 Milliarden Euro aus. Das entspricht knapp fünf Prozent der Ausgaben für die gesetzliche Rente.

Die Hilfen werden auch gebraucht angesichts der Inflation und insbesondere der höheren Energiepreise. Denn die einmalige Energiekostenpauschale in Höhe von 300 Euro und der zweite Heizkostenzuschuss von 415 Euro für Wohngeldempfänger noch in 2022 reichen laut Siepe bei weitem nicht aus, "um die höheren Energiekosten auf Dauer zu decken".

Rente: Sozialverband fordert, "Zugangshindernisse" abzubauen

Dass viele Rentner die Geldtöpfe nicht kennen oder ausschöpfen, deckt sich mit den Erfahrungen des Sozialverbands VDK. Und das, obwohl der Verband darüber informiere, Rechtsberatung anbiete und zur Antragstellung auffordere, wie VDK-Chefin Vera Bentele unserer Redaktion versicherte. "Doch viele arme Seniorinnen und Senioren beantragen dennoch keine Grundsicherung im Alter, denn die Scham und die Angst sind bei vielen zu groß."

Es sei aber auch eine wichtige Aufgabe der verantwortlichen staatlichen Stellen, "die Zugangshindernisse abzubauen". Sie forderte, analog dem Vorgehen beim neuen Bürgergeld auch in der Grundsicherung in der Anfangszeit die Vermögensprüfung auszusetzen. Diese Prüfung sei "extrem umständlich", so Bentele, und für viele Menschen eine "beschämende Erfahrung".

Dieser Artikel erschien zuerst auf www.morgenpost.de