Madrid. Nach Prognosen gewinnen die Sozialisten die Neuwahl in Spanien deutlich. Es droht aber dennoch eine Fortsetzung der politischen Blockade.

Ein Sieg, aber wieder keine klare Mehrheit: Auch die Neuwahl am Sonntag brachte Spaniens bisherigem sozialistischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez offenbar nicht den erhofften Durchbruch. Laut ersten offiziellen Teilergebnissen (44 Prozent ausgezählt) von Sonntagabend lag der Sozialist zwar deutlich vor seinem Rivalen, dem konservativen Oppositionsführer Pablo Casado. Doch reichte dieses Ergebnis nicht, um eine stabile Regierung bilden zu können. Damit droht die politische Hängepartie, die Spanien bereits seit Monaten lähmt, weiterzugehen.

Nach den provisorischen Ergebnissen haben Sánchez’ Sozialisten mit dieser Wahlwiederholung ihre Position nicht verbessern können. Sie blieben mit etwa 29 Prozent Stimmen auf ähnlichem Niveau wie im April 2019. Damals holten sie 28,7 Prozent. Entsprechend gab es am Sonntagabend in der Madrider Parteizentrale lange Gesichter, denn es war ein bitterer Sieg für die Sozialisten.

Der 47-jährige Sánchez, der seit April nur noch geschäftsführend im Amt ist, müsste sich also wieder links oder auch rechts seiner sozialdemokratisch ausgerichteten Sozialistischen Arbeiterpartei (PSOE) Unterstützung suchen. Er braucht im Parlament eine Mehrheit, welche eine Minderheits- oder eine Koalitionsregierung absegnen muss. Einen entsprechenden parlamentarischen Pakt hatte er bereits nach den Wahlen im April, die er mit einem ähnlichen Ergebnis gewonnen hatte, angestrebt – aber ohne Erfolg. Deswegen musste nun die Parlamentswahl wiederholt werden.

Rechtspopulistische Partei Vox ist heimlicher Gewinner

Zum heimlichen Gewinner der Wahl wurde am Sonntagabend die rechtspopulistische Partei Vox. Die europa- und fremdenfeindlichen Rechtspopulisten stiegen zur drittstärksten Kraft im spanischen Parlament auf. Den vorläufigen Daten zufolge konnte Vox die Zahl der Parlamentssitze von bisher 24 auf nahezu 50 steigern. Dies entspricht etwa 14,5 Prozent der Stimmen (April 2019: 10,3). Die Rechtsaußenpartei plädiert für ein hartes Durchgreifen im Unabhängigkeitskonflikt in Katalonien und will die katalanischen Separatistenparteien verbieten lassen.

Die linke Partei Podemos (Wir Können), potentieller Bündnispartner der Sozialisten, erlitt leichte Einbußen und landete bei ungefähr 13 Prozent (April 2019: 14,3). Hinzu kommt im linken Spektrum die kleine Podemos-Abspaltung Más País (Mehr Land), die ebenfalls mit den Sozialisten kooperieren will und mit wenigstens zwei Abgeordneten erstmals ins Parlament einzog.

Konservatives Dreier-Bündnis steht progressiven Parteien gegenüber

Den progressiven Parteien steht ein nahezu gleich starkes konservatives Dreier-Bündnis gegenüber, das von der konservativen Volkspartei (PP) angeführt wird. Die PP steigerte sich auf rund 20 Prozent. Damit könnte sich die Volkspartei unter ihrem jungen Vorsitzenden, dem 38-jährigen Pablo Casado, wieder etwas erholen. Im April 2019 hatte die PP mit 16,7 Prozent das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte eingefahren.

PP, die rechtspopulistische Vox und die bürgerlich-liberale Partei Ciudadanos (Bürger) sind im Prinzip bereit, gemeinsam zu regieren – so wie sie es bereits in drei spanischen Regionen machen. Allerdings kommen sie zusammengerechnet ebenfalls nicht auf eine ausreichende Mehrheit im nationalen Parlament. PP und Vox erstarkten zwar, aber Ciudadanos stürzte nach den Teilergebnissen auf etwa sechs Prozent (April 2019: 15,9).

Das Zünglein an der Waage in der sich abzeichnenden Patt-Situation im neuen spanischen Parlament werden erneut die katalanischen Separatisten sein. Sie wollen sich aber teuer verkaufen. Sie würden zweifellos eher eine sozialistische als eine konservative Regierung unterstützen, fordern aber Zugeständnisse auf dem Weg zur katalanischen Unabhängigkeit.

Wahlbeteiligung ging zurück

Die Wahlbeteiligung lag mit 68,2 Prozent unter jener der vergangenen Wahl im April, als 71,8 Prozent der Berechtigten abstimmten. Soziologen hatten davor gewarnt, dass diese Wahlwiederholung die Zahl der Stimmverweigerer in die Höhe treiben könnte.

Es war die vierte Parlamentswahl in den letzten vier Jahren. Seit Ende 2015 wird Spanien von wackeligen Minderheitskabinetten regiert. Bis Mai 2018 war die Volkspartei am Ruder. Dann kam per Misstrauensvotum der Sozialist Sánchez an die Macht.

Der Wahlkampf war völlig von der Katalonienkrise bestimmt worden. Sozialisten und Konservative warfen sich gegenseitig vor, bei der Lösung des Unabhängigkeitskonflikts versagt zu haben. Die Debatte um die Zukunft Kataloniens war durch die Verurteilung von mehreren Separatistenführern zu hohen Gefängnisstrafen angefacht worden. Daraufhin kam es zu Massenprotesten in Barcelona, die von schweren Krawallen überschattet worden waren.

Sánchez tritt in Sachen Katalonien für einen mäßigenden Kurs ein und will den Konflikt mit dem Angebot einer größeren regionalen Selbstverwaltung lösen. Der konservative Oppositionschef Casado lehnt derweil jegliche Gespräche mit der katalanischen Separatistenführung ab.

Spaniens Regierung hatte die Polizeikräfte in Katalonien verstärkt, um einen störungsfreien Ablauf der Wahl zu garantieren. Die Unabhängigkeitsbewegung hatte zuvor neue Proteste für das Wahlwochenende und die nachfolgenden Tage angekündigt. Bis zum Sonntagabend blieb es in Katalonien jedoch ruhig.