Berlin. Aktive Sterbehilfe stand lange unter Strafe. Nach einem Karlsruher Urteil muss der Bundestag demnächst eine Neuregelung finden.

Darf ein Arzt, eine Ärztin, Sterbewilligen ein tödliches Medikament geben? Und wenn ja, was sind die Voraussetzungen für eine derartige aktive Sterbehilfe? Muss sich der Patient beraten lassen? Über diese Fragen debattiert der Bundestag. Hintergrund ist die Neuregelung des Sterbehilfe-Paragrafen 217, der im Jahr 2020 vom Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärt wurde.

Bis dahin drohte Sterbehelfern, die wiederholt und damit gewohnheitsmäßig die Durchführung eines Suizids ermöglichen, eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren. Es war also mit dem Paragrafen 217 für Organisationen, Vereine oder Ärzten nicht möglich, straffrei ein tödliches Medikament für den Sterbewilligen zu beschaffen, da es – auch wenn kein Gewinn erzielt wurde – sich um sogenannte geschäftsmäßige Sterbehilfe handelte.

Verfassungsgericht: Jeder Mensch hat Recht auf selbstbestimmtes Sterben

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat allerdings jeder Mensch das Recht auf selbstbestimmtes Sterben – und dabei darf er auch Hilfe in Anspruch nehmen. Diskutiert werden derzeit drei Gesetzesentwürfe, die auf unterschiedlichen Wegen das Recht auf selbstbestimmtes Sterben sichern wollen. Vermutlich wird der Bundestag im Herbst über diese Initiativen entscheiden.

Im ersten Gesetzentwurf soll die sogenannte geschäftsmäßige Förderung der Sterbehilfe grundsätzlich strafbar bleiben, unter bestimmten Voraussetzungen und mit verpflichtender Beratung allerdings erlaubt sein. Obendrein soll die Suizidprävention weiter ausgebaut werden. In einem zweiten Entwurf ist ebenfalls die Beratung obligatorisch.

Aktive Sterbehilfe: Drei Gesetzentwürfe stehen im Bundestag zur Debatte

Außerdem wird zwischen medizinischer Notlage und Nicht-medizinischer Notlage unterschieden. Ob die Sterbehilfe legal ist, hängt also von Gesundheitszustand des Sterbewilligen ab. Der dritte Gesetzentwurf ist der liberalste: Danach dürfen Ärzte Sterbewilligen mit „autonom gebildetem, freien Willen“ ein Arzneimitteln zum Zweck der Selbsttötung verschreiben – wenn der Betroffene ergebnisoffen beraten wurde.

Diesen dritten Entwurf unterstützt Linken-Politikerin Petra Sitte. Für die Bundestagsabgeordnete ist selbstbestimmtes Sterben ein Ausdruck der Würde des Menschen. Wer Sterbewilligen helfe – etwa als Arzt oder Ärztin – brauche Rechtssicherheit und die könne es nur mit einem umfassenden Beratungsangebot geben.

Dieses müsse aber unbedingt ergebnisoffen sein, um dieses Selbstbestimmungsrecht ohne Einschränkung zu gewährleisten. Zugangsbedingungen wie Krankheit oder gar Gutachterhürden aufzubauen, sei falsch, sagte sie unserer Redaktion.

Ein Hospiz - was ist das und wie läuft die Behandlung ab?

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    Patientenschützer fordern Regeln, um Einflussnahme auf Todkranke zu verhindern

    Die Deutsche Stiftung Patientenschutz vermeidet es, sich konkret für einen der drei Entwürfe auszusprechen. Aber sie fordert den Gesetzgeber dazu auf, unbedingt dafür zu sorgen, dass ein alter oder kranker Mensch in seinem Willen zu sterben nicht etwa von Angehörigen beeinflusst oder sogar dazu gedrängt wurde.

    Eine Regelung der organisierten Suizidbeihilfe dürfe nur erfolgen, „wenn die Selbstbestimmung der Sterbewilligen gestärkt wird und der Schutz vor Fremdbestimmung gewährleistet ist“, sagte der Stiftungsvorstand Eugen Brysch unserer Redaktion.

    Durch das jüngste Gerichtsurteil des Bundesgerichtshofs verschwimme die Grenze zwischen Tötung auf Verlangen und assistiertem Suizid: Auch aktives Tun des Sterbehelfers könne nun straffrei sein. Bisher habe die Tatherrschaft beim Suizidwilligen liegen müssen, das sei nun anders. Diese Unschärfe zu ignorieren, sei hochgefährlich. „Der Gesetzgeber ist gefordert, hier für Klarheit zu sorgen“ sagte Brysch. (mit ape)

    Dieser Text erschien zuerst auf morgenpost.de.

    Anmerkung der Redaktion: Aufgrund der hohen Nachahmerquote berichten wir in der Regel nicht über Suizide oder Suizidversuche, außer sie erfahren durch die Umstände besondere Aufmerksamkeit. Wenn Sie selbst unter Stimmungsschwankungen, Depressionen oder Selbstmordgedanken leiden oder Sie jemanden kennen, der daran leidet, können Sie sich bei der Telefonseelsorge helfen lassen. Sie erreichen sie telefonisch unter 0800/111-0-111 und 0800/111-0-222 oder im Internet auf www.telefonseelsorge.de. Die Beratung ist anonym und kostenfrei, Anrufe werden nicht auf der Telefonrechnung vermerkt.