Berlin. Der Ukraine-Krieg bremst den Klimaschutz aus. Können Deutschland und seine Partnerländer das beim Petersberger Klimadialog verhindern?

Knappes Gas, hohe Preise und ein brutaler Krieg, mitten in Europa: In Deutschland, aber auch in vielen anderen Ländern, haben die Folgen von Russlands Überfall auf die Ukraine die politischen Prioritäten in den vergangenen Monaten neu sortiert – und den Klimaschutz von der Spitze der Tagesordnung verdrängt.

Gemeinsam mit Ägypten, dem Gastgeberland der kommenden Weltklimakonferenz, wollte die Bundesregierung das jetzt ändern: Beim Petersberger Klimadialog in Berlin kamen Vertreterinnen und Vertreter von rund 40 Ländern zusammen, um zu versuchen, Dynamik zurückzubringen in den Kampf gegen die Klimakrise.

Wo steht die Welt im internationalen Klimaschutz?

Die Grenze von 1,5 Grad globaler Erwärmung, die die Weltgemeinschaft einhalten will, um die schlimmsten Schäden zu verhindern, rückt bedrohlich nah. Schon jetzt ist die Erde im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter mehr als ein Grad heißer, und das im Schnitt – viele Teile der Erde haben sich schon deutlich weiter erwärmt, darunter Deutschland mit 1,6 Grad. Und wenn die Treibhausgasemissionen in den kommenden Jahren nicht drastisch fallen, warnen Analysten, bewegt der Planet sich auf 3 Grad Erwärmung zu.

Bei der Weltklimakonferenz der Vereinten Nationen in Glasgow hatten sich rund 200 Nationen deshalb im vergangenen Jahr darauf geeinigt, dieses Jahr noch einmal ehrgeizigere Ziele zu setzen. Vor der nächsten Konferenz im Herbst in Scharm el Scheich sollen alle nachbessern. Bislang allerdings hat das kaum ein Land getan.

Längst geht es zudem nicht mehr nur darum, Emissionen einzusparen. Vor allem arme und wenig industrialisierte Länder, die kaum zum weltweiten Ausstoß von Treibhausgasen beigetragen haben, aber oft überproportional unter den Folgen leiden, fordern seit langem mehr Unterstützung von den Industriestaaten. Es geht um Mittel für die Anpassung an Klimafolgen, aber auch für die Schäden und Verluste. Allein in Deutschland hat der Klimawandel seit 2000 durchschnittlich Schäden in Höhe von 6,6 Milliarden Euro pro Jahr verursacht, das ergab eine Studie des Bundeswirtschaftministeriums, die am Montag vorgestellt wurde. Die Gesamtsumme liegt bei mindestens 145 Milliarden Euro.

In allen drei Bereichen aber hat der Krieg in der Ukraine neue Hürden aufgebaut.

Ukraine: Welche Folgen hat der Krieg für die internationale Klimapolitik?

RusslandsKrieg in der Ukraine ist die jüngste in einer ganzen Reihe von dramatischen Krisen, die zusammenhängen und sich gegenseitig verschärfen: So sorgen zum Beispiel die fehlenden Weizenexporte aus der Ukraine in Ländern weit über Europa hinaus für ernsthafte Engpässe in der Nahrungsmittelversorgung. Und die dadurch steigenden Preise erschweren es internationalen Organisationen, ausreichend Nahrungsmittel zum Beispiel ans Horn von Afrika zu bringen, sich die Klimakrise in Form einer katastrophalen Dürre auswirkt und Millionen Menschen hungern.

Statt in Klimaschutz zu investieren, liegt der Fokus vieler Regierungen derzeit auf akutem Krisenmanagement. Das wiederum hat das Potenzial, die Klimakrise noch zu verschärfen. Denn die hohe Nachfrage nach Gas sorgt nicht nur dafür, dass viele Länder, auch Deutschland, wieder verstärkt auf Kohle als Energieträger setzen. Sie sorgt auch für einen regelrechten „Goldrausch“ bei Investitionen in Gas-Infrastruktur, wie der Thinktank Climate Action Tracker im Juni feststellte.

Dazu kommt: Die diplomatische Eiszeit zwischen dem Westen und Russland erstreckt sich auch auf die Zusammenarbeit beim Klimaschutz. Russland lag 2020 nach China, den USA und Indien auf Platz vier der größten Emittenten von Treibhausgasen und müsste unter anderem dringend seine Energieversorgung umstellen, die bislang fast vollständig fossil ist. Doch das scheint derzeit in weiter Ferne.

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    Klimaschutz: Hat der Petersberger Dialog neuen Schwung gebracht?

    Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) betonte am Montag, dass der Krieg nicht zu einer dauerhaften Stärkung von fossilen Energieträgern führen dürfe: „Niemand kann zufrieden sein damit, dass auch bei uns der Anteil der Kohleverstromung gerade wieder steigt“, sagte er in Berlin. „Umso wichtiger ist es, dass wir eines ganz klar festhalten: Das ist eine zeitlich eng befristete Notmaßnahme, die nicht zu Lasten unserer Klimaziele geht.“ Der Kanzler erneuerte auch die Zusage Deutschlands, bis 2025 sechs Milliarden Euro zur Klimafinanzierung für ärmere Länder beizutragen.

    Doch das ist nicht genug, um die Klimapolitik wieder in Schwung zu bringen, kritisieren Nicht-Regierungsorganisationen und Aktivisten. „Es ist purer Zynismus, dass Olaf Scholz beim Petersberger Klimadialog vor der Rückkehr fossiler Energieträger warnt“, sagte Carla Reemtsma, Sprecherin von Fridays for Future, dieser Redaktion. „Alleine in den vergangenen Monaten hat die Bundesregierung unter seiner Kanzlerschaft neue fossile Energieverträge abgeschlossen, angefangen, Terminals für fossiles Gas zu bauen, jegliche Klimaschutz-Ambition beim G7-Gipfel versagt und neue Gasfelder in Senegal gefördert.“

    Was heißt das für die nächste Weltklimakonferenz?

    Die nächste Weltklimakonferenz soll Ende des Jahres im ägyptischen Scharm el Scheich stattfinden. Bei dem Treffen auf afrikanischem Boden wird stärker als bisher die Anpassung an Klimafolgen im Zentrum stehen, aber auch die Frage, wer für die unvermeidlichen Schäden aufkommt.

    Deutschland stellte am Montag ein Konzept für einen Schutzschirm gegen Risiken und Schäden in Entwicklungsländern vor. Der Vorschlag ziele auf Regelungen für Frühwarn-Systeme in besonders anfälligen Ländern, Vorsorgepläne und schnelle Finanzierungssysteme im Falle von Schadensereignissen, wie das Entwicklungsministerium am Montag in Berlin mitteilte. „Es ist nicht mehr die Frage, ob Klimaschäden auftreten, sondern nur noch wie oft, wie heftig und wie teuer sie werden – und vor allem, wen sie besonders treffen“, erklärte dazu Staatssekretär Jochen Flasbarth.

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    Doch Klimaschützer haben Zweifel, ob das reicht, das Vertrauen ärmerer Ländern in die Industriestaaten zu stärken. „Es hätte Scholz gut angestanden konkrete Geld-Zusagen zu geben, um der Verantwortung gegenüber dem Globalen Süden gerecht zu werden“, sagte Olaf Bandt, Vorsitzender des BUND, dieser Redaktion.

    Auch die Welthungerhilfe sieht die Industrieländer in der Pflicht, mehr zu tun. „Zumindest die reichen Staaten müssen sich verpflichten, die zusätzlichen energiepolitischen Herausforderungen, die durch den Ukraine Krieg entstanden sind, nicht mit weiteren Subventionen in fossile Energien aufzufangen“, forderte Michael Kühn, Klimareferent der Welthungerhilfe.

    Wie es wirklich steht um den internationalen Klimaschutz wird sich spätestens Ende des Jahres zeigen. UN-Generalsekretär Antonio Guterres hob am Montag hervor, dass ein Scheitern globale Auswirkungen hätte: „Entweder handeln wir gemeinsam, oder wir begehen gemeinsam Selbstmord.“

    Dieser Artikel erschien zuerst auf waz.de.