Washington, D.C. In den USA müssen Geimpfte drinnen teilweise wieder Masken tragen. Dabei hatte der US-Präsident vor kurzem etwas anderes versprochen.

Joe Biden sprach von einem „Meilenstein” und einem „großen Tag” für Amerika, als er Mitte Mai im Rosengarten des Weißen Hauses den üblicherweise von ihm getragenen schwarzen Mundschutz abnahm und seinen Landsleuten die frohe Botschaft überbrachte: Maskenpflicht ab sofort unnötig - für alle mit vollständiger Corona-Impfung. Auch nicht in Kneipen, Restaurants oder Kinos.

„Auf uns warten jetzt bessere Zeiten, das verspreche ich Ihnen”, sagte Biden und löste damit im politisch chronisch polarisierten Amerika einen seltenen Moment der einhelligen Zustimmung aus. Republikaner wie Demokraten sahen in dem Wegfallen der für viele lästigen Schutzmaßnahme einen „Tag der Befreiung”.

USA: Delta-Variante lässt Infektionszahlen explodieren

Zehn Wochen später zieht die für Biden maßgebende Gesundheitsbehörde CDC ihre Empfehlung drastisch zurück. In Landesteilen wie Florida, Missouri oder Arkansas, wo die Infektionszahlen zuletzt in kurzer Zeit explosionsartig gestiegen und meist auf die aggressive Delta-Variante zurückführbar sind, wird ab sofort wieder das Tragen von Mundschutz in Innenräumen empfohlen, erklärte CDC-Chefin Rochelle Walensky. Das gilt ausdrücklich auch für vollständig Geimpfte.

Adressaten der Richtlinie sind laut CDC insgesamt 21 Bundesstaaten von Alaska im Norden bis Texas im Süden. Überall wird dort ein überproportionaler Anstieg der Neu-Ansteckungen gemeldet.

US-Gesundheitsbehörde: Studien zu Delta „besorgniserregend”

Laut Walensky waren zuletzt gehäuft Fälle aufgetreten, bei denen vollständig Geimpfte trotzdem infiziert wurden; mit Delta. Zwar sei bei diesen sogenannten Impfdurchbrüchen in der Regel mit einem milderen Krankheitsverlauf zu rechnen. Allerdings unterscheide sich die Virusmenge, die leicht übertragen werden kann, bei geimpften Delta-Infizierten nicht wesentlich von der, die per Nasen- oder Rachenabstrich bei Nichtgeimpften gemessen wurde.

Ein vollständig geimpfter Mitarbeiter des Weißen Hauses ist positiv auf das Coronavirus getestet worden. Der Betroffene keinen Kontakt zu US-Präsident Joe Biden.
Ein vollständig geimpfter Mitarbeiter des Weißen Hauses ist positiv auf das Coronavirus getestet worden. Der Betroffene keinen Kontakt zu US-Präsident Joe Biden. © IMAGO / MediaPunch

Diese Erkenntnisse hat die CDC nach eigenen Angaben kürzlich aus rund 100 Proben gewonnen, deren Details „besorgniserregend” seien. Geimpfte, so Walensky, „haben das Potenzial, dieses Virus auf andere zu übertragen”. Und: „Dieses Virus zeigt jeden Tag seine Entschlossenheit uns zu überlisten.”

Joe Biden: Maskenpflicht und Impfungen verhindern Lockdowns

Präsident Joe Biden rief nach Vorstellung der CDC-Empfehlungen dazu auf, die neuen Richtlinien dringend zu befolgen. „Mehr Impfungen und das Tragen von Masken in den von der Delta-Variante am stärksten betroffenen Gebieten werden es uns ermöglichen, die Art von Lockdowns, Schließungen, Schulschließungen und Störungen zu vermeiden, mit denen wir im Jahr 2020 konfrontiert waren.” Biden sagte zu, dass die Vereinigten Staaten nicht mehr zu derart radikalen Maßnahmen zurückkehren würden.

Vor diesem Hintergrund rät die CDC auch dazu, ab Herbst Schülern, Lehrern, Mitarbeiter und Besuchern in den Lehranstalten landesweit - ungeachtet ihres Impfstatus` - Maskenpflicht aufzuerlegen. Nur so sei das Ziel erreichbar, dauerhaft personenbezogenen Unterricht anzubieten.

Maskenpflicht gilt schon in vielen Städten

In Erwartung der CDC-Neubewertung, die keinen rechtsverbindlichen Charakter besitzt (entscheiden tun die Bundesstaaten und dort die jeweiligen Landkreise und Städte), sind etliche Gebietskörperschaften und Institutionen bereits vorgeprescht.

So haben die Metropolen Los Angeles (Kalifornien), St. Louis (Missouri), Chicago (Illinois), New Orleans (Louisiana) und Savannah (Georgia) bereits wieder Maskenpflicht in Gebäuden angeordnet. In New York müssen sich städtische Angestellte, vor allem im Gesundheitssektor, impfen lassen bzw. wöchentliche Corona-Tests absolvieren. Die Universität von Kalifornien verlangt ab Winter-Semester von Studenten und Professoren einen Impfnachweis.

Auf Bundesebene hat das Veteranen-Ministerium als erste Einrichtung angeordnet, dass alle Angestellten sich binnen acht Wochen impfen lassen müssen. Es wird damit gerechnet, dass Präsident Biden bereits am Donnerstag eine De-facto-Impfpflicht für alle 2,2 Millionen Bundesangestellten verfügen wird - alternativ: wöchentliche Corona-Tests für Impfskeptiker.

Joe Bidens Sprecherin: Sind im Krieg mit dem Virus

Die Kehrtwende nur knapp zwei Monate nach Verkündung der Lockerungsmaßnahmen setzt das Weiße Haus unter Argumentationszwang. Regierungssprecherin Jen Psaki wehrte den Vorwurf von Journalisten ab, Präsident Biden sei im Mai vorschnell gewesen. „Wir sind im Krieg mit einem sich weiter entwickelnden Virus.”

Wissenschaftliche Expertise ändere sich unter diesen Umständen nun mal. Mit der neuen Handreichung der CDC komme die Regierung ihrer Verantwortung gegenüber der Bevölkerung nach; wissend, dass das Maskentragen vielerorts als lästig oder gar als Eingriff in die individuelle Freiheit empfunden wird. Lesen Sie auch: Neue Welle droht - doch Deutschland impft im Schneckentempo

CDC-Chefin hat Angst vor weiteren Mutationen

Experten der Regierung räumten ein, dass der Anstieg der Neuinfektionen (binnen drei Wochen von rund 10.000 auf über 50.000 am Tag) und der Umstand, dass weite Teile des Landes trotz überreichlich vorhandener Impfstoffe nicht mal zur Hälfte durchgeimpft sind, eine „Gemengelage” ergeben hätten, die mit Beginn der kälteren Jahreszeit erneut zu dramatischen Engpässen in Krankenhäusern und erhöhten Todeszahlen führen könne, wenn man nicht gegensteuert.

CDC-Chefin Rochelle Walensky treibt eine Sorge dabei am meisten um: Weitere Mutationen des Corona-Virus könnten dazu führen, sagte sie, dass die bereits über 300 Millionen Mal in den USA verabreichten Impfstoffe quasi unterlaufen würden.