Schönhaide/Beerwalde. Eine Rentnerin als Ordnungskraft und ein 73-Jähriger im Deeskalationsauto: So engagieren sich Menschen im Altenburger Land für die Bauernproteste.

  • Wer im Altenburger Land seit Montag die Bauernproteste unterstützt.
  • Warum sie das tun und welches Echo sie bekommen.
  • Das planen die Landwirte im Altenburger Land in den kommenden Tagen.

Für „ihre“ Bauern ist Rentnerin Birgit Naumann aus Schmölln am Montag schon sehr früh am Tag unterwegs. Um 3.30 Uhr trifft sie bei minus 7 Grad an der Auffahrt zur A/4 Schmölln bei Schönhaide ein. „Ich hab mich freiwillig gemeldet, um die Protestaktion unserer Bauern hier zu unterstützen“, sagt sie. Darüber musste sie nicht lange nachdenken, fügt die Schmöllnerin hinzu.

Rentnerin aus Schmölln zeigt ihre Solidarität ganz praktisch

„Ich finde es so ungerecht, unseren Bauern jetzt noch tiefer in die Tasche greifen zu wollen. Der Diesel ist so teuer, und dann noch Kfz-Steuer. Wie soll ein kleiner Bauer diese Kosten tragen?“, fragt sie. Sie zeigt ihre Solidarität ganz praktisch: Am Montag regelt sie ab 3.30 Uhr den Verkehr auf der Landesstraße zwischen Schmölln und Crimmitschau, erläuterte wartenden Pkw-Fahrern geduldig die Gründe für die Demonstration, fragte bei den Protestierenden, ob sie heißen Kaffee oder Tee wollen. Bis elf Uhr hat sie sich Zeit genommen für ihr Engagement.

Carsten Schulz (l.) steht für das Kfz-Handwerk, Mario Weinschröder für die Baubranche. Beide unterstützen am Montagmorgen die Bauernproteste im Altenburger Land.
Carsten Schulz (l.) steht für das Kfz-Handwerk, Mario Weinschröder für die Baubranche. Beide unterstützen am Montagmorgen die Bauernproteste im Altenburger Land. © Funke Mediengruppe Thüringen | Jana Borath

Firmeninhaber unterstützt und repräsentiert damit seine Branche

Carsten Schulz gehört am Montag ebenfalls zum Helferteam in Schönhaide und sorgte für Ordnung und Sicherheit des fließenden Verkehrs. Nicht alle Vorbeifahrenden passieren den Veranstaltungsort mit Daumen hoch, Winken, einem Lächeln im Gesicht und anderen Zeichen ihrer Solidarität mit den Bauern. Nicht nur einmal muss Schulz zur Seite springen, damit er von einem rasenden Auto nicht erfasst wird. „Beschimpft wurden wir auch“, sagt er, der Mann mit den zwei Meisterbriefen in der Tasche. Einer als Kfz-Mechaniker, der zweite als Galvaniseur.

Sein Handwerk hat er seit 1992 von der Pike auf gelernt, inzwischen leitet er die Geschäfte von Reifen-Schulze am Schmöllner Gewerbegebiet am Kemnitzgrund. „Ich bin hier für die Handwerker. Das Gestümpere der Ampel betrifft ja nicht nur die Bauern“, erklärt er. Immer höhere Auflagen auch für seine Branche, überbordende Bürokratie, steigende Kosten und Abgaben: „Und auf der anderen Seite wirft die Ampel-Regierung in Berlin das Geld mit vollen Händen raus, aber immer für andere. Nicht für die eigenen Leute“, schimpft er.

Das gebe es in Deutschland dringend zu tun

Dabei gebe es so viel zu tun im Land: marode Schulhäuser sanieren, das Gesundheitswesen verbessern, damit alle Menschen gleich gut behandelt werden und noch mehr. „Gegeben wird den Großen. Wenn ich allein an Corona denke: nach 14 Tagen hat die Bahn Millionen bekommen, um mögliche Ausfälle zu kompensieren, die Lufthansa sowieso.“ An die Kleinen im Land, die Handwerke und Mittelständler denke kaum einer, so Schulz.

Dietmar Brauer, Landwirt aus Vollmershain, ist am Montagmorgen am Protestplatz bei Schönhaide dabei.  Am Mittag spendiert er für alle, die Hunger haben, Roster.
Dietmar Brauer, Landwirt aus Vollmershain, ist am Montagmorgen am Protestplatz bei Schönhaide dabei. Am Mittag spendiert er für alle, die Hunger haben, Roster. © Funke Medien Thüringen | Jana Borath

„Wir sind doch nicht die Goldesel der Nation, um Umweltfantasien zu finanzieren“, nennt Landwirt Dietmar Brauer aus Vollmershain seinen Grund, warum er am Montagfrüh mit von der Partie ist bei der Bauerndemo in Schönhaide. Seine Frau Ines - Inhaberin des Eiscafés Bravo - ist gleich zur großen Demo nach Erfurt gefahren, um zu protestieren. Am Mittag zeigt ihr Mann an der A4-Auffahrt in Schmölln ganz stolz ein Foto, das sie ihm aufs Handy geschickt hat: Ines Brauer redet inmitten einer Menschentraube auf Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke) ein.

Landwirte im Altenburger Land sehen sich internationaler Konkurrenz gegenüber

Landwirt Brauer sagt: „Das geht doch alles nicht mehr auf. Uns Landwirten bleibt finanziell keine Luft mehr. Und man muss doch sehen, dass wir in internationaler Konkurrenz stehen. Beispielsweise mit den Bauern in Frankreich, die noch mit Heizöl fahren.“ Nirgendwo in Europa seien die Auflagen für die Bauern so hoch wie in Deutschland. Und die Preise würden auch anderswo gemacht. „Eigentlich müssten wir gleich nach Brüssel fahren, um dort zu demonstrieren.“ Oder vor den Geschäften jener Großhandelsketten, die billiges Fleisch, Obst und Gemüse verkaufen, statt regionale Produkte aus Deutschland und außerdem die Preise bestimmen. „Das ist doch alles eine große Schweinerei.“

73-Jähriger mit Deeskalationsfahrzeug in Thüringen und Sachsen unterwegs

Dass die Bauern mit ihrem Protest auch Impulsgeber sind, spüren am Montag Sören Gehrt aus Großbraunshain und Andreas Kluge aus Meucha, die am zweiten Protestort - der A4-Auffahrt Ronneburg bei Beerwalde - Posten bezogen haben. Damit die Demonstrierenden nicht nur in der eisigen Kälte stehen, hat ihnen dort Container-Dienst Seyfarth aus Schmölln zwei Baucontainer gestellt. Ein 73-Jähriger aus Ronneburg - seinen Namen möchte er nicht in dieser Zeitung lesen - hält spontan, springt aus seinem Wagen und umfasst Gehrt und Kluge mit seinen Armen: „Jungs, ich möchte euch einfach Danke sagen, dass ihr das macht.“ Er selbst stamme aus der Speditionsbranche. Für den Protest-Montag hat er seinen Pkw mit Dachleuchte und allerlei Plakat zum Deeskalationsauto umgebaut, wie er sagt. „Ich fahre jetzt zu den einzelnen Veranstaltungsorten und will die Menschen aufklären, warum wir das heute machen.“ Bis weit nach Sachsen ist er an diesem Montag unterwegs.

Schon am Mittwoch, 10. Januar, gehen die Bauernproteste im Altenburger Land weiter. Eine Blockade ist von 6 bis 12 Uhr an den Auf- und Abfahrten am Zschaschelwitzer Kreuz geplant. Am Abend soll ein Konvoi in Altenburg stattfinden: „Da bin ich wieder dabei, falls ich vor Ort gebraucht werde“, sagt die Schmöllner Rentnerin Birgit Naumann.