Berlin. Nur eine schräge Idee? Forschende wollen Lebensraum im All schaffen – und sind damit erstaunlich weit. Einen Planeten braucht es nicht.

Das Thema Weltraumkolonisation ist nicht neu. Forschende suchen seit Jahrzehnten nach neuen Lebensräumen außerhalb der Erdatmosphäre. Mit Kriegen und dem Klimawandel ist die Zukunft der Erde unsicher.

Doch einen neuen Planeten zu finden, auf dem dieselben Bedingungen herrschen wie auf der Erde, ist nicht so einfach – und auch nicht notwendig. Bereits in den 1950er und 1970er Jahren wurden Konzepte zur Weltraumkolonisierung entwickelt, für die lediglich Asteroide benötigt werden. O'Neill-Zylinder oder O'Neill-Kolonie wird diese Art der Weltraumbesiedlung genannt. Forschende der University of Rochester in den USA haben das Konzept aufgegriffen und in einer Studie erweitert.

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Im Prinzip handelt es sich bei der Stadt im Weltall um eine besondere Art von Raumstation. Man kann aber nicht einfach Häuser auf einen astronomischen Körper bauen. Der Asteroid muss unter anderem diese Voraussetzungen erfüllen:

  • Größe: Der Asteroid braucht eine bestimmte Größe. Mit Blick auf die Population der Erde erscheint ein großer Körper naheliegend. Doch die Forschenden fokussieren sich in ihrer Analyse auf kleine Asteroiden mit einem Radius von 100 bis 500 Meter, da diese weitaus häufiger in unserem Sonnensystem vorkommen.
  • Schwerkraft: Damit ein Lebensraum für Menschen geschaffen werden kann, braucht der Asteroid ein Gravitationsfeld. Das Konzept zur Weltraumkolonisierung sieht dafür zwei gegenläufige Zylinder vor, die durch Drehung die nötige Schwerkraft erzeugen.

In Science-Fiction-Filmen wird der Asteroid einfach in Rotation versetzt. Doch eine Überprüfung durch das Forschungsteam ergab, dass Asteroiden nicht fest genug sind, um der Rotationsgeschwindigkeit standzuhalten. "Kleinere Asteroiden haben als 'Trümmerhaufen' nur eine geringe Zugfestigkeit und würden sich schnell auflösen", heißt es in dem wissenschaftlichen Bericht.

Forschende entwickeln ein neues Konzept zur Weltraumkolonisierung. Dabei sollen  Asteroiden in Erdnähe zu möglichen Siedlungen für Menschen umgebaut werden.
Forschende entwickeln ein neues Konzept zur Weltraumkolonisierung. Dabei sollen Asteroiden in Erdnähe zu möglichen Siedlungen für Menschen umgebaut werden. © Miklavčič et al./Frontiers in Astronomy and Space Sciences

Um das zu verhindern, schlagen die Forschenden vor, den Asteroiden mit einer Art Sicherheitsnetz vor dem Auflösen zu schützen. Es "wird die Möglichkeit in Betracht gezogen, die Asteroidenmasse mit Hilfe von Materialien höherer Festigkeit wie Kohlenstoff-Nanofasern einzudämmen", erklären die Forschenden.

Durch die Drehung werde nicht nur Schwerkraft erzeugt, sondern auch das auf dem Asteroiden befindliche Material nach außen gedrückt. Dadurch entstehe ein großer und breiter Ring, der bebaut werden könne. Bei "einem Radius von 3 km und einer entsprechenden Länge von 3 km erstreckt sich die abgeschirmte Region im Inneren über 56 km - ein Gebiet von der Größe Manhattans", erklären die Forschenden weiter.

Weltraumkolonisierung: Darum sind Asteroiden geeignet

Die Forschung habe sich bei Diskussionen über die Besiedlung des Sonnensystems sowie Terraforming überwiegend auf den Mars konzentriert. Doch die Nutzung von Asteroiden biete laut der Analyse viele Vorteile:

  • Menge: Kleinere Asteroiden kommen sehr viel häufiger vor als große. Es gebe in unserem Sonnensystem über 10.000 Asteroide mit einem Durchmesser von 100 Metern, doch nur rund 900 mit einem Durchmesser von über einem Kilometer.
  • Erdnähe: Es befinden sich viele Asteroiden in Erdnähe, sodass die Menschen für den Transport nicht weit reisen müssten.
  • Strahlenschutz: Während der Rotation wird das Material auf dem Asteroiden nach außen gedrückt. Dadurch entsteht laut den Forschenden nicht nur ein Ring, sondern zugleich auch eine "Schutt- und Regolith-Schilddicke" von zwei Meter "zum Schutz vor kosmischer Strahlung".
  • Kosten: Der Bau eines Asteroiden-Habitats nach dem Design der Forschenden sei "weniger kostspielig und technisch komplex als der Bau eines klassischen O'Neill-Habitats, bei dem alle strukturellen Materialien hergestellt und zum Bauorbit transportiert werden müssen", heißt es in dem Bericht. In diesem Fall befinden sich viele der Baumaterialien bereits in Reichweite von Asteroiden.

Auch wenn das Konzept sehr futuristisch gedacht ist – die Forschenden sprechen von einem "Zeithorizont von mehreren Dekaden oder sogar einem Jahrhundert" –, ist es physikalisch umsetzbar. Die Technologie dafür sei zwar noch nicht vorhanden, werde es aber aufgrund "des derzeitigen Interesses und der Investitionen in die Raumfahrt" irgendwann sein, heißt es in der Studie.