Berlin. Wie leidet der Mittelstand unter den Energiepreisen? Ein großer Verband hat seine Mitglieder befragt – die Ergebnisse haben es in sich.

Die jüngste Ankündigung des russischen Staatskonzerns Gazprom, aufgrund angeblicher Wartungen die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 für drei Tage herunterzufahren, bleibt nicht ohne Folgen. Der Gaspreis ist regelrecht durch die Decke gegangen.

Zum Wochenbeginn näherte sich der Preis für die Megawattstunde Gas am Amsterdamer Handelspunkt TTF wieder der 300-Euro-Marke und damit dem Rekordwert aus dem März an. Viele Verbraucherinnen und Verbraucher fragen sich, wie sie die Preisaufschläge stemmen können. Doch auch kleine und mittlere Unternehmen geraten offenbar zunehmend in die Bredouille.

Gas, Öl, Strom immer teurer – Mittelständler fürchten um Existenz

Der Bundesverband mittelständische Wirtschaft BVMW hat unter seinen Mitgliedsunternehmen eine Umfrage zu den Belastungen durch die hohen Preise durchgeführt. Die Ergebnisse liegen unserer Redaktion vorab vor – und haben es in sich. Drei von vier Firmen gaben an, unter den hohen Energiepreisen zu leiden. 42 Prozent der 853 befragten Unternehmen fürchten demnach sogar um ihre Existenz.

„Im unternehmerischen Mittelstand herrscht bereits jetzt der Energienotstand“, sagte Verbandschef Markus Jerger unserer Redaktion. Der Bundesvorsitzende dringt mit drastischen Worten auf politische Hilfe: „Wenn die Bundesregierung in dieser akuten Notlage nicht handelt, droht in Zehntausenden mittelständischen Betrieben schon bald buchstäblich das Licht auszugehen. Das würde auch zu einem massiven Anstieg der Arbeitslosigkeit führen und die Sozialkassen sprengen.“

Mittelstand fordert Absenkung der Energiesteuern

Hilfe fordern auch die Unternehmen selbst. Knapp 89 Prozent der befragten Unternehmen plädierten für staatliche Maßnahmen zur Energiepreissenkung. So verlangten drei Viertel der befragten Unternehmer ein Absenken der Stromsteuer auf das EU-Niveau.

Für kurzfristige Steuersenkungen oder Steuerbefreiungen auf Energie sprachen sich zwei Drittel der befragten Mittelständler aus. Auch ein gemeinsamer Einkauf von Energie durch die EU-Mitgliedsstaaten sowie Energiekostenzuschüsse wurden gewünscht. Angesichts der Teuerung fordert zudem jeder zweite Unternehmer, den Anstieg des CO2-Preises auszusetzen.

Verbandschef fordert höhere Pendlerpauschale

Verbandschef Jerger forderte zudem eine Erhöhung der Pendlerpauschale. Die Bundesregierung hatte im Zuge ihres Entlastungspaketes die Pendlerpauschale für das laufende Jahr bereits um drei Cent erhöht. Ab dem 21. Entfernungskilometer können sich Arbeitnehmer 38 Cent pro Kilometer erstatten lassen, unabhängig von der Wahl des benutzen Verkehrsmittels.

Jerger dringt aber darauf, dass die Pauschale bereits ab dem ersten Kilometer gelten solle – und auf 40 Cent angehoben werde. Zuletzt hatte auch Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) für eine deutliche Erhöhung der Pendlerpauschale ab dem kommenden Jahr geworben. Die Ampel-Koalitionspartner von SPD und insbesondere den Grünen stehen dem Vorschlag ablehnend gegenüber.

Auf ein geteiltes Echo stoßen bei den Mittelständlern die Spar-Appelle der Ampel-Koalition. Während rund jeder dritte Mittelständler der Auffassung ist, dass Energiespartipps helfen könnten oder eine sehr gute Idee seien, sieht rund jeder Zweite nur geringe Möglichkeiten, so die Situation zu verbessern. 15 Prozent schreiben den Appellen zum Energiesparen gar keine Wirkung zu.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.