Berlin. Holz, Benzin und Solaranlagen: Energiekrise und Inflation verändern auch die Ziele von Einbrechern. Wie sich Bewohner schützen können.

Diebe hebeln die Eingangstür einer Gartenhütte auf und stehlen daraus das technische Herzstück – den Wechselrichter einer Solaranlage. Wert: 200 Euro. Ein weißer Transporter fährt an die Tankstelle, ein Mensch steigt aus, tankt für 123 Euro, steigt wieder ein, fährt los, ohne zu zahlen. Auf einer Großbaustelle fehlen plötzlich 81 Heizkörper im Wert von 17.000 Euro – Unbekannte haben sie abtransportiert.

Das sind nur drei von vielen Fällen in den vergangenen Monaten, die aufhorchen lassen. Entwickelt sich mit der Energiekrise ein neues begehrtes Diebesgut? Tendenziell gibt es tatsächlich neue Tatorte für Diebe, wie eine Umfrage dieser Redaktion bei Landeskriminalämtern ergeben hat.

„Mit dem Fernseher schleppt sich keiner mehr ab“, sagt Patrick Martin von der LandespolizeidirektionThüringen. Begehrt seien stattdessen Photovoltaikanlagen. Teilweise räumten die Kriminellen sogar große Photovoltaik-Felder komplett leer, berichtet Martin. „Sie nehmen die Module, die Kabel, alles mit.“ Den Beamten verwundert das nicht – wegen der, wie er sagt, „Rohstoffmangel-Lage“.

Lesen Sie auch: So viel Schulden machen wir durch Corona und Energiekrise

Corona: Solarpanele durch Lieferengpässe besonders gefragt

Angesichts andauernder Lieferengpässe durch die Corona-Pandemie sind Materialien knapp, Lieferungen bleiben aus. Die Energiekrise infolge des Ukraine-Kriegs lässt Öl-, Gas, auch Strompreise stark steigen. Hausbesitzer rüsten ihre Immobilien nach, wollen sich eine moderne Heizung oder Photovoltaikanlagen anschaffen. Das hat alles seinen Preis und lockt Diebe. Gleichzeitig seien gerade Solarpanele stark gefragt.

Zum Beispiel in Sachsen. Dort registrierte die Polizei allein in den ersten sechs Monaten dieses Jahres 34 Fälle, in denen Diebe es auf Photovoltaik-Anlagen und Solartechnik abgesehen hatten. 28 Mal davon waren sie erfolgreich und verursachten damit einen Schaden von insgesamt knapp 253.000 Euro. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2021 lag der Schaden durch ähnliche Delikte nur bei fast 90.000 Euro.

Die Täter plünderten vor allem Solarmodule von Dächern größerer Hallen und Lager sowie von Solarparks und Solarfeldern. Mittlerweile klauen sie diese auch gezielt von privaten Grundstücken. Meistens handelt es sich um Profis, berichtet die Polizei. Die Diebe kämen vermutlich nachts, seien oft sehr gut organisiert und fahren das Diebesgut mit kleinen Transportern oder Lastwagen weg.

Benzin und Diesel: Diebe tanken, ohne zu bezahlen

Das Landeskriminalamt Sachsen-Anhalt macht nicht nur bei Photovoltaik-Anlagen einen „aktuellen Anstieg der Fallzahlen“ aus, sondern auch bei Kraftstoffen. Seit Benzin und Diesel deutlich teurer geworden sind, werden mehr Tankbetrüger registriert. Sprit zapfen und wegwegfahren - diese Methode nimmt auch in Brandenburg zu, berichtet das zuständige Landeskriminalamt. Die Kennzeichen der Autos, mit denen die Diebe vorfahren, sind oft gefälscht - entsprechend schwer können die Täter ermittelt werden.

Spritbetrug oder Solaranlagen-Klau — dabei bleibt es nicht. Carola Jeschke, Sprecherin des Landeskriminalamtes Schleswig-Holstein rechnet „generell mit einem Anstieg der Kriminalität“ rund im die Energieversorgung, auch wenn im nördlichsten Bundesland bislang „insgesamt noch keine signifikante Steigerung festgestellt“ worden sei.

Lesen Sie auch: Energiekrise: Wer jetzt mit bis zu 4647 Euro entlastet wird

Brennholz: Nachfrage stark gestiegen

Anders sei dies jedoch bei Brennholz. Da gebe es „eine leicht ansteigende Tendenz“, sagte Jeschke. Bei Brennholz macht auch das Landeskriminalamt Hessen bis Ende August im Vergleich zum Vorjahreszeitraum eine „geringfügige Steigerung“ aus.

Wer einen Kamin hat, will sich derzeit mit Brennholz gegen die hohen Energiepreise wappnen. Es ist stark gefragt. Egal, ob es sich um abgebrochene Äste, geschnittene Holzscheite, umgeknickte Bäume und nur kleine Mengen handelt - gerne sammeln dies manche im nächstgelegenen Wald. Doch Vorsicht: Im Wald darf sich niemand einfach so bedienen.

Vorsicht: Niemand darf sich einfach Holz aus dem Wald holen

„Jeder Wald gehört jemandem. Meistens ist er in Privatbesitz oder Eigentum der Gemeinden, Bund oder Länder“, sagt Michael Rempel, Jurist bei der R+V Versicherung. Das Sammeln von Holz für den heimischen Kamin ist daher nur gestattet, wenn eine Erlaubnis der Gemeinde dazu vorliegt. Rempel rät, sich beim zuständigen Forstamt oder Gemeindeverwaltung zu erkundigen.

Manche Bundesländer haben noch keine signifikante Zunahme oder Verschiebungen der Delikte im Zuge der Energiekrise registriert. Dazu zählen Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg. Berlin, Rheinland-Pfalz und Saarland erfassen dazu keine gesonderten Daten.

Podcast: Wie gesundes Essen in der Energiekrise machbar ist

Diebstahl von Holz und Solaranlagen: So können Sie es Kriminellen schwerer machen

Jede Bürgerin und jeder Bürger kann aber zumindest versuchen, es den Dieben schwerer zu machen. „Je mehr Aufwand der Diebstahl erfordert, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Täter von seinem Handeln absieht“, sagt der Hamburger Polizeisprecher Sören Zimbal.

„Wer eine Solaranlage auf dem Dach hat, sollte zum Beispiel Mülltonnen, Gartenmöbel, Leitern wegschließen, um es den Dieben nicht zu leicht zu machen hochzuklettern.“ Holz und Holzpellets sollten möglichst „in umfriedetem Besitztum“ gelagert werden. Und, so der Polizeisprecher: Allen, denen etwas verdächtig vorkomme, die sollten ihre Nachbarn und die Polizei informieren.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.