Berlin. Wie können Verbraucher und Unternehmen von den hohen Gaspreisen entlastet werden? Am Wochenende steht eine wichtige Entscheidung an.

Es ist eine richtungweisende Entscheidung für Verbraucherinnen und Verbraucher, aber auch für die Unternehmen: Am Wochenende tritt erneut die 21-köpfige Expertenkommission zusammen, um die Ausgestaltung der Gaspreisbremse zu besprechen.

Eigentlich hätte das Gremium, das sich aus Ökonomen, Unternehmen, Arbeitnehmervertretern, Umwelt-, Sozial und Mietverbänden sowie Akteuren wie der Bundesnetzagentur zusammensetzt, für seine Arbeit mehrere Wochen Zeit haben sollen. Doch nun soll schon nach dem Wochenende eine Lösung präsentiert werden.

Gas: Saarländische Ministerpräsidentin fordert schnelle Entlastung

Ein abgesenkter Gaspreis auf einen festgelegten Grundverbrauch, ein Rabatt auf den Gaspreis, Sparprämien oder Einmalzahlungen: Vorschläge liegen viele auf dem Tisch. Am Ende müssen sie aber auch praktikabel sein – und zeitnah kommen.

"Wichtig ist das Signal, dass es vorangeht und die Preise effektiv gedämpft werden – das erwarte ich mir von der Kommission", sagte Saarlands Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) unserer Redaktion. "Die Gaspreisbremse muss effektiv sein, möglichst einfach und verständlich und vor allem schnell diejenigen entlasten, die am Abgrund stehen – egal ob Verbraucher oder Unternehmen."

Gas: Linken-Fraktionschef Bartsch fordert Absenkung auf Vorjahresniveau

Ein schwieriges Unterfangen. Denkbar wäre auch, dass die Kommission zwei verschiedene Modelle entwirft: eines für Verbraucher und eines für Unternehmen. Am Ende komme es darauf an, dass auch wirklich ein Deckel stehe, findet Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch.

"Debatten über Einmalzahlungen sind der falsche Weg, weil sie insbesondere für Betriebe und Teile der Industrie keine Lösung sind", so Bartsch. Er fordert einen Preisdeckel, der die Gaspreise dauerhaft auf das Vorjahresniveau für den Grundverbrauch absenkt.

Das allerdings ist unwahrscheinlich – immerhin schließt Ökonomin Veronika Grimm, Vorsitzende der Kommission, aus, dass die Preise durch den staatlichen Eingriff wieder auf Vorjahresniveau fallen werden. Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), der federführend für die politische Gestaltung der Gaspreisbremse ist, hat solchen Überlegungen bereits eine Absage erteilt.

Regierung bringt Gesetz für milliardenschweres Sondervermögen auf den Weg

Immerhin: An Geld wird es vorerst nicht mangeln. Die Bundesregierung will den zuletzt in der Pandemie genutzten Wirtschafts- und Stabilisierungsfonds (WSF) umwidmen, um damit unter anderem die Gas- und Strompreisbremse mit Krediten zu finanzieren.

Über einen ersten Entwurf, der unserer Redaktion vorliegt, soll am Montag das Bundeskabinett beraten. Noch im Oktober soll er durch Bundestag und Bundesrat gepeitscht werden. Dann stehen bis 2024 insgesamt bis zu 200 Milliarden Euro zur Finanzierung bereit.

Energiekrise: Wirtschaftsexpertin warnt Ampel-Koalition

Die Wirtschaftsweise Grimm warnte die Bundesregierung derweil eindringlich vor einer Strommarktreform. "Wir müssen aufpassen, dass wir in dieser Krise nicht noch zusätzlichen Schaden anrichten", sagte die Ökonomin dieser Redaktion. "In der jetzigen Situation den Strompreis vom Gaspreis zu entkoppeln, indem das Merit-Order-Prinzip abgeschafft wird, ist gefährlich."

Grimm, Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, betonte: "Der aktuelle Strompreis ist Ausdruck einer Angebotsknappheit. Das ist unangenehm, aber kein Fehler des Marktes. Ändern wir jetzt grundlegend das Marktdesign, dann werden wichtige Investitionen in neue Kraftwerke ausgebremst – und das Problem verschärft."

Habeck plant eine grundlegende Reform des Strommarkts, um die Preise für Verbraucher zu dämpfen. Dafür sollen "Übergewinneffekte" im Strommarkt adressiert werden, die durch die sogenannte Merit-Order entstehen.

Habeck will Reform: Das ist das Merit-Order-Prinzip

Als Merit-Order wird die Einsatzreihenfolge der an der Strombörse anbietenden Kraftwerke bezeichnet. Kraftwerke, die billig Strom produzieren können, werden zuerst herangezogen – zum Beispiel Windkraftanlagen. Um die Nachfrage zu decken, richtet sich der Preis aber nach den zuletzt geschalteten und somit teuersten Kraftwerken – derzeit sind dies Gaskraftwerke. Dadurch sind auch die Strompreise deutlich gestiegen.

Eine gelbe Leitung für Erdgas auf dem Gelände eines Gaskraftwerkes.
Eine gelbe Leitung für Erdgas auf dem Gelände eines Gaskraftwerkes. © dpa

Strom- und Gaspreise könnten mit einer Reform entkoppelt werden. "Angesichts dieser Komplexität ist diese Reform eine mittelfristige und komplexe, da auch europäischer Partner und die europäische Ebene eingebunden werden müssen", sagte eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums.

Grimm entgegnete, zur Senkung des Strompreises müssten andere Kraftwerke angeworfen werden, um den Einsatz von Gaskraftwerken zu verhindern. "Durch die Aktivierung von Kraftwerkskapazitäten – etwa Kohle oder Atom – werden die Strompreise gesenkt", sagte die Wirtschaftsweise.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.