Berlin. Bundesfinanzminister Christian Lindner überrascht mit einem Vorstoß zur Geldwäschebekämpfung. Der FDP-Chef plant eine neue Behörde.

Seit einigen Monaten steht eine Zahl wie keine andere für das deutsche Versagen im Kampf gegen organisierte Kriminelle: 100 Milliarden Euro. So viel, davon gehen Forscher in einer Erhebung aus, waschen illegale Geschäftemacher aus dem In- und Ausland in Deutschland. Jedes Jahr, wohlgemerkt. Deutschland ist nach Einschätzung von Fachleuten längst zum Paradies für Geldwäsche geworden, eine Art Waschmaschine der internationalen Kartelle.

Vor allem im Immobiliensektor und der Baubranche soll illegales Geld in Milliardenhöhe zurück in den regulären Finanzverkehr geschleust werden. Aber auch die Glücksspielbranche und die Gastronomie gelten als anfällig für Geldwäsche, das zeigen Ermittlungen der vergangenen Jahre. Auch Gebrauchtwagen, Kunstwerke, Schmuck – überall kann in Deutschland mit Bargeld bezahlt werden, lassen sich Spuren verwischen.

Geldwäsche: Lindner plant neue Superbehörde

So kann es nicht weitergehen, findet Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP). Um künftig schlagkräftiger zu sein, will Lindner eine Art Superbehörde schaffen: ein neues Bundesfinanzkriminalamt. „Es soll darum gehen, dass wir mit einer Bundesbehörde, die alle geldwäscherelevanten Bereiche bei der Auswertung und Verfolgung in der Hand hält, ein sehr starkes Instrument zu schaffen, mit dem auch wirklich komplexe Fälle verfolgt werden können“, hieß es am Dienstag aus Kreisen des Bundesfinanzministeriums zu dem Vorhaben. Zuerst hatte der „Spiegel“ über die Pläne berichtet.

Lesen Sie auch den Kommentar: Organisierte Kriminalität: Geldwäscher sind Schwerverbrecher

Lindner handelt nach dem Vorbild Italien: Dort geht die Guardia di Finanza mit mehr als 60.000 Ermittlerinnen und Ermittlern seit vielen Jahren rigoros gegen Mafiosi vor. Die Finanzpolizei hat etliche Schwerkriminelle festgenommen, die Wege des illegalen Geldes aufgedeckt.

Der Erfolg ist auch deshalb so groß, weil sie als Zentralstelle eine große Expertise in oft komplexen Finanzströmen aufgebaut hat – und zugleich wie eine Polizei ermitteln darf. Die „Guardia“ gibt sich selten mit den „kleinen Fischen“ zufrieden, versucht die Hintermänner der Kartelle zu erwischen.

Die italienische Guardi di Finanza geht rigoros gegen Geldwäsche vor. Anfang August beschlagnahmten die Ermittler während einer Operation Bargeld und Wertgegenstände im Wert von 144 Millionen Euro.
Die italienische Guardi di Finanza geht rigoros gegen Geldwäsche vor. Anfang August beschlagnahmten die Ermittler während einer Operation Bargeld und Wertgegenstände im Wert von 144 Millionen Euro. © VIA REUTERS | Guardia di Finanza

Verdachtsmeldungen steigen rasant an

In Deutschland läuft der Kampf gegen organisierte kriminelle Netzwerke schleppend. Vor fünf Jahren führte die Bundesregierung ein Transparenzregister ein, erst vor drei Jahren zog sie die Zügel beim Geldwäschegesetz an. Seitdem steigen die Verdachtsmeldungen rasant an.

Wie zahnlos die deutschen Behörden hier aber sind, wurde spätestens beim Zusammenbruch des ehemaligen Dax-Konzerns Wirecard sichtbar. Der Zahlungsdienstleister hatte jahrelang seine Bilanzen frisiert – vor den Augen der Bankenaufsicht Bafin, der Anti-Geldwäsche-Einheit des Zolls, der Financial Intelligence Unit (FIU) und vor Wirtschaftsprüfern.

Länder-Aufsichtsbehörden sollen verringert werden

Als wichtige Reform will Lindner nun den deutschen Behörden-Flickenteppich im Kampf gegen Geldwäsche zusammenschustern. Justiz und Polizei sind Sache der Bundesländer, dort existieren laut Bundesfinanzministerium mittlerweile über 300 Aufsichtsbehörden. In das Geflecht reihen sich dann die Bundesbehörden ein, etwa die Bankenaufsicht Bafin oder die Anti-Geldwäscheeinheit FIU.

Eine neue Bundesbehörde soll Ansprechpartner für die Geldwäscheaufsicht werden, die die Europäische Union (EU) einrichten wird. Die FIU des Zolls, die nach dem Wirecard-Skandal bereits neu aufgestellt wird, soll weiter als unabhängige Analyseeinheit fungieren, dabei aber in das geplante Bundesfinanzkriminalamt integriert werden.

Immobiliensektor ist anfällig für Geldwäsche

Die neue Finanzpolizei soll zudem selbst spezialisierte Ermittler ausbilden und Register digitalisieren. Nur: Teilweise gibt es die gar nicht. Auch hierbei entpuppt sich der Immobilienmarkt als Eldorado für Geldwäscher.

In Deutschland ist es nicht nur möglich, Immobilien mit Bargeld zu bezahlen, es gibt auch kein zentrales Immobilienregister, aus dem hervorgeht, wem ein Gebäude gehört. Das führte bereits bei den Russland-Sanktionen zu Problemen, weil oft gar nicht klar ist, welche Immobilien russischen Oligarchen, die auf der Sanktionsliste stehen, zuzurechnen sind.

Dass Immobilien bar bezahlt werden können, will die Ampel-Koalition verbieten. Bei der Baugewerkschaft IG BAU stößt das auf Zustimmung. „Viel zu lange hat der Staat weggeguckt. Wenn er jetzt den Missbrauch von Immobilien als ‘Waschmaschinen für schmutziges Geld’ konsequent bekämpft, dann wird das höchste Zeit“, sagte der IG-BAU-Bundesvorsitzende Robert Feiger unserer Redaktion.

Vorstoß kommt nicht zufällig

Auch von Lindners Regierungspartner SPD kommt Lob. Angesichts der starken finanziellen Belastungen für den Staatshaushalt etwa durch Ausgaben im Gesundheitssektor, im Kampf gegen die Klimakrise und die Folgen des Ukraine-Kriegs „wäre es ein Unding, wenn wir weiter so erfolglos in der Geldwäschebekämpfung agieren würden wie bisher“, sagte SPD-Innenexperte Sebastian Fiedler unserer Redaktion.

Auch die Opposition hält den Lindner-Plan für richtig. „Der Bund braucht jetzt endlich eine Behörde, die nicht nur Anzeigen sammelt, sondern auch etwas tut. Das gilt genauso für die in Deutschland notleidende Durchsetzung von Russland-Sanktionen“, sagte der rechtspolitische Sprecher der Union, Günter Krings.

Zufällig kommt der Lindner-Vorstoß übrigens nicht: Am Donnerstag wird die Financial Acton Task Force on Money Laundering (FATF), eine internationale Institution zur Geldwäschebekämpfung, ihren Länderbericht vorlegen. Durchgesickert ist bereits: Sie wird Deutschland akuten Nachholbedarf bescheinigen.

Dieser Text erschien zuerst auf morgenpost.de