Berlin. Der Stromverbrauch hierzulande steigt – den Netzen droht die Überlastung. Welche drastischen Pläne die Bundesnetzagentur nun schmiedet.

  • Über die Stabilität des deutschen Energiesektors wurde in den vergangenen Monaten viel geschrieben
  • Grund dafür ist der Wegfall von fossilen Brennstoffen aus Russland, der für teurere Preise bei Strom, Gas und Öl gesorgt hat
  • Ungeachtet davon wird der Strombedarf in Deutschland in den nächsten Jahren weiter steigen, auch wegen der Energiewende. Die Bundesnetzagentur hat deshalb einen drastischen Plan, um auf alle Fälle vorbereitet zu sein

Der Stromverbrauch in Deutschland wird in den kommenden Jahren deutlich steigen. Das liegt vor allem daran, dass immer mehr E-Autos auf den Straßen unterwegs sind und mehr Menschen ihre Häuser mit Wärmepumpen heizen. Zwar sinkt durch die zunehmenden Effizienz vieler Geräte deren Verbrauch – die Zunahme beim Verkehr und der Wärmegewinnung übersteigt das dadurch entstehende Sparpotenzial aber klar.

Um den größeren Strombedarf zu decken, will Deutschland auf erneuerbare Energien setzen und deren Ausbau vorantreiben. Doch nicht nur die Energiegewinnung ist ein Problem – auch deren Verteilung stellt eine große Herausforderung dar. Um die Stromnetze, die bisher nicht ausreichend auf den höheren Strombedarf vorbereitet sind, nicht zu überlasten, sollen die Betreiber bestimmten Kunden den Verbrauch drosseln können.

Bundesnetzagentur plant Strom-Drosselung für Wärmepumpen und E-Autos

Konkret hat die Bundesnetzagentur laut einem Bericht der Tageszeitung "Welt" dabei Besitzer von Wärmepumpen oder privaten Ladestationen für E-Autos im Auge. Sie brauchen besonders viel Strom, weshalb ein Eingreifen an diese Stelle erfolgversprechend scheint. Gleichwohl wäre ein ambitionierter Netzausbau die bessere Wahl – doch der ist in naher Zukunft wohl nicht in ausreichendem Maß umsetzbar. Lesen Sie auch: Wärmepumpe – So erkennt man, ob sich das eigene Haus eignet

Deshalb könnte es die Verbraucher treffen. Der Plan, der aus einem ersten Eckpunktepapier der Bundesnetzagentur hervorgeht: Immer, wenn eine Überlastung des Netzes droht, könnte für Wärmepumpen und Ladestationen weniger Strom zur Verfügung gestellt werden. Eine komplette Stromsperre ist dabei nicht geplant – vielmehr ist von einer Drosselung auf 3,7 Kilowatt die Rede. Damit könnte ein E-Auto zwar noch aufgetankt werden. Laut Bundesnetzagentur würde es aber drei Stunden dauern, um 50 Kilometer Reichweite nachzuladen.

Wärmepumpen könnten bei einer drohenden Überlastung des Netzes weniger Strom erhalten.
Wärmepumpen könnten bei einer drohenden Überlastung des Netzes weniger Strom erhalten. © dpa | Silas Stein

Das würde für Fahrerinnen und Fahrer von E-Autos enorme Unannehmlichkeiten mit sich bringen und macht den Abschied vom Benziner, der in kurzer Zeit vollgetankt ist, weniger attraktiv. Auch die Bundesnetzagentur selbst spricht laut "Welt" von der "Inkaufnahme erforderlicher Komforteinschränkungen durch Schaltmaßnahmen". Dennoch sei die Maßnahme unabdingbar, um bis zum Ausbau der Netze "Stromausfälle aufgrund von Betriebsmittelüberlastungen" zu vermeiden.

Strom-Drosselung: Viele Hürden erschweren die Umsetzung

Doch auch bei den geplanten Maßnahmen gibt es ein großes Problem: Sie sind, ähnlich wie der Netzausbau, nicht kurzfristig umsetzbar. Ein Beispiel:

  • Eigentlich will die Bundesnetzagentur die "dynamische" Steuerung des Energieverbrauchs zulassen.
  • Damit würde der Verbrauch von Wärmepumpen und Ladestationen kurzfristig in in den Teilen des Netzes gedrosselt, in dem er besonders hoch ist.
  • Um so vorzugehen, muss die Agentur aber wissen, wo besonders viel Strom verbraucht wird. Und dafür fehlt bisher die nötige Messtechnik.

Von 2024 bis 2029 soll daher auf die "statistische" Steuerung zurückgegriffen werden. Bei diesem System wird vorab berechnet, in welchen Spitzenzeiten von einem besonders hohen Verbrauch auszugehen ist. In diesen Zeiträumen soll die Drosselung dann präventiv greifen. Auch interessant: Nachrage nach Wärmepumpen steigt – Doch es gibt ein Problem

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Strom-Drosselung für einzelne Geräte: Smarte Stromzähler als Voraussetzung

Eine weitere Hürde ist, dass die Bundesnetzagentur nicht in der Lage ist, den Strom nur für einzelne Geräte, also etwa eine Wärmepumpe, zu drosseln. Möglich wäre das über smarte Stromzähler. Deren Einführung will die Bundesregierung aktuell zwar vorantreiben. Bis sie flächendeckend etabliert sind, wird es aber noch dauern. Mehr dazu: Energie sparen – Wo sich Smart-Home-Geräte auszahlen

Doch dann könnten sie für Verbraucherinnen und Verbraucher große Vorteile mit sich bringen. So soll es ab 2026 variable Stromtarife geben, bei denen Energie weniger kostet, wenn besonders viel zur Verfügung steht. Durch die smarten Stromzähler könnte dann in Verbindung mit einer Steuerbox oder einem Smart-Home-System geregelt werden, dass das E-Auto geladen oder die Waschmaschine eingeschaltet wird, wenn es am günstigsten ist. Und auch die Verringerung der Stromzufuhr an Wärmepumpen oder Ladestationen für E-Autos wäre möglich. Doch noch ist das Zukunftsmusik.

Alternativplan des Bundesnetzagentur: Strom-Drosselung für ganze Haushalte

Die Idee daher: Die Strommenge soll im Fall einer drohenden Netzüberlastung nicht für einzelne Geräte sondern ganze Haushalte verringert werden. Von mindestens fünf Kilowattstunden, die weiterhin zur Verfügung stehen sollen, ist die Rede. Für normale Elektrogeräte würde das reichen. Besitzer von Wärmepumpen oder Ladestationen müssten diese aber während der Drosselung unter Umständen abschalten, um genug Strom für die übrigen Geräte zur Verfügung zu haben. Noch völlig offen ist, wie das Vorhaben bei Mehrfamilienhäusen, in denen mehrere Parteien ihren Strom über einen Anschluss beziehen, umgesetzt werden könnte.

Noch befindet sich die Bundesnetzagentur in der Planungsphase. Mit dem Ansatz, den Strom bei bestimmten Geräten zu drosseln, setzt sie dabei auf ein teilweise bereits etabliertes Vorgehen. Denn viele Verbraucherinnen und Verbraucher mit Ladestationen für E-Autos oder Wärmepumpen haben bereits jetzt einen Vertrag mit ihrem Verbraucher abgeschlossen, in dem sie freiwillig einer Drosselung in Spitzenzeiten zustimmen und dafür günstigere Tarife erhalten. Ab 2024 soll die Regelung aber zur Pflicht werden. Auch interessant: Verbrenner-Aus ab 2035 – Wie lange darf ich noch fahren?

Einen Rabatt soll es dabei auch weiterhin geben. Wie hoch dieser jedoch ausfallen könnte, ist derzeit noch nicht klar. Ein Weiterer Vorteil für Besitzer von Wärmepumpen und Ladestationen: Die Pläne würden sicherstellen, dass sie garantiert einen Stromvertrag bekommen. Würde man die Zwangsdrosslung nicht einführen, könnten neue private Ladestationen von den Netzbetreibern abgelehnt oder sogar bestehende Anlagen abgeschaltet werden, fürchtet man bei der Bundesnetzagentur.

Elektro-Autos sind auf dem Vormarsch.
Elektro-Autos sind auf dem Vormarsch. © dpa | Hendrik Schmidt

Gemischte Reaktionen auf geplante Strom-Drosselung für Wärmepumpen und E-Autos

Von den zuständigen Branchenverbänden gibt es in Bezug auf das Vorhaben gemischte Reaktionen. So steht der Bundesverband Wärmepumpe ihnen grundsätzlich positiv gegenüber, wünscht sich aber eine zeitliche Begrenzung der möglichen Drosselung und eine höhere Mindestleistung. Auch interessant: Wärmepumpe im Altbau – Stromverbrauch & Kosten

Deutliche Kritik kommt dagegen aus der Autoindustrie. Dem Konzept mangle es an "intelligenten Anreizen, um lokale Netzüberlastungen schon vor deren Entstehen präventiv zu vermeiden", zitiert die "Welt" Hildegard Müller, die Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie. Statt der Verpflichtung von Besitzern privater Ladestationen sollten finanzielle Anreize für Fahrerinnen und Fahrer von E-Autos etabliert werden.

Eine Möglichkeit wäre es dabei etwa, das Laden von E-Fahrzeugen zu günstigeren Konditionen anzubieten, wenn gerade ausreichend Strom zur Verfügung steht und das Netz nicht überlastet ist. Um das auch in privaten Haushalten zu ermöglichen, ist jedoch der Einsatz von smarten Stromzähler nötig. Und die sind bisher nicht ausreichend verbreitet.

Strom-Drosselung für die Netzstabilität: Klappt es im zweiten Anlauf?

Ob die Pläne tatsächlich in die Tat umgesetzt werden, ist noch offen. Bereits der ehemalige Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hatte sich einst an einer ähnlichen Idee, damals als "Spitzenglättung" bezeichnet, versucht. Doch nach heftiger Kritik aus der Auto-Lobby kassierte er den Vorschlag.

Ob es auch beim zweiten Anlauf so kommen wird, dürfte sich in den kommeden Monaten entscheiden. Noch bis Ende Januar können Verbände und Unternehmen zu den Plänen Stellung beziehen. Im letzten Quartal 2023 will sich die Bundesnetzagentur dann auf ein Vorgehen festlegen.