Berlin. Umwelthilfe gewinnt gegen Autobauer vor Gericht. Autos stoßen auch mit neuer Software zu viele Schadstoffe aus. Das sind die Folgen.

Für die Deutsche Umwelthilfe ist das Urteil ein Triumph. Das Verwaltungsgericht Schleswig hält bestimmte Software für unzulässig, die die Abgasreinigung bei Dieselautos abschaltet. Das Kraftfahrtbundesamt hätte sie so nicht genehmigen dürfen, entschieden die Richter. Jetzt sind Autofahrer verunsichert: Muss der Golf Diesel mit Euro-5-Norm in der Garage bleiben? Und was ist mit Audi-, BMW-, Mercedes-Fahrzeugen?

Dass Autos sofort stillgelegt werden, ist nicht zu erwarten. Üblicherweise werden Mängel im Zuge eines Rückrufs oder bei einem Werkstattbesuch behoben. Erst wenn das nicht möglich ist, würden Fahrzeuge möglicherweise aus dem Verkehr gezogen, wie es die Umwelthilfe jetzt fordert.

Urteil zu Diesel: Um diesen Fall geht es konkret

Dazu dürfte es aber lange nicht kommen. Denn das Urteil des Verwaltungsgerichts ist nicht rechtskräftig, Berufung beim Oberverwaltungsgericht Schleswig ist zugelassen, auch eine sogenannte Sprungrevision bei der höchsten Instanz, dem Bundesverwaltungsgericht. Letzteres ist üblich, wenn es um sehr grundsätzliche Fragen geht.

In dem Verfahren (Az. 3 A 113/18) ging es um einen Golf Plus TDI mit der 2,0-Liter-Version des Motors EA189 und 103/110 kW. Das Fahrzeug gehörte zu denen, die im Zuge des Dieselabgasskandals bei VW nachgerüstet werden mussten. Der Autohersteller hatte jahrelang eine Schummelsoftware in Dieselmotoren des Typs EA189 eingebaut, die im Teststand saubere Abgaswerte lieferte, auf der Straße aber ein Vielfaches der erlaubten Stickoxide in die Luft blies. Nachdem der Skandal im September 2015 aufgeflogen war, musste VW die Software der meisten Motoren aktualisieren und die Schummelsoftware beseitigen.

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VW und Kraftfahrtbundesamt könnten in Berufung gehen

Die Umwelthilfe stellte nach den Updates fest, dass einige Fahrzeuge immer noch mehr Stickoxide ausstießen, als erlaubt war. Grund waren sogenannte Thermofenster, die die Abgasreinigung bei niedrigen Temperaturen praktisch ausschalten. Auch bei anderen Herstellern als VW fanden die Umweltschützer solche Thermofenster. Autohersteller halten sie für einen sicheren Betrieb für nötig.

Weil das Kraftfahrtbundesamt die Thermofenster im Zuge der VW-Updates genehmigt hatte, klagte die Umwelthilfe gegen die Behörde. VW war in diesem Fall beigeladen. Beide können in die Berufung gehen. Das Kraftfahrtbundesamt will die schriftliche Begründung des Urteils abwarten, prüfen und über weitere Maßnahmen entscheiden. Der Autohersteller formuliert, man werde die Urteilsgründe „sorgfältig prüfen und dann über weitere Schritte entscheiden“.

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Diesel: Diese Autos sind von dem Urteil betroffen

Der Golf-Fall ist nicht der einzige: Insgesamt 119 ähnliche Klagen der Umwelthilfe gegen das Kraftfahrtbundesamt sind anhängig. Dabei geht es um Dieselfahrzeuge unterschiedlicher Hersteller, die mit dem VW-Dieselskandal nichts zu tun haben, in Motorsoftware aber Thermofenster eingebaut haben. Betroffen sind Dieselfahrzeuge der Abgasnormen Euro 5 und Euro 6a oder 6b. Derzeit gilt Euro 6d, die ohne üppige Thermofenster auskommt.

Die Umwelthilfe forderte Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) umgehend auf, das Kraftfahrtbundesamt anzuweisen, das Urteil zu akzeptieren und betroffene Autos zurückzurufen. Insgesamt sehen die Umweltschützer direkt etwa fünf Millionen Pkw, mittelbar sogar bis zu zehn Millionen Fahrzeuge betroffen. Von VW heißt es, dass das Software-Update, in dem es im Verfahren ging, damals für eine bestimmte Gruppe von ähnlichen Fahrzeugen genehmigt worden sei. „Betroffen sind also circa 88.000 produzierte Fahrzeuge. Wie viele davon noch tatsächlich im Verkehr sind, ist offen.“