Berlin. An Bord des verschollenen U-Boots zur Titanic geht der Sauerstoff zur Neige. Experten erklären was passiert, wenn ein Mensch erstickt.

Mittlerweile besteht kaum noch Hoffnung für die Passagiere der Titan. Mutmaßlich jedenfalls. 96 Stunden sollte der Sauerstoffvorrat des Tauchboots Titan, verschollen auf seinem Tauchgang zum Wrack der Titanic, reichen. Dieser Zeitraum ist Schätzungen zufolge mittlerweile abgelaufen. Ganz genau lässt sich das allerdings nicht feststellen, aber wenn die Retter die fünf Männer, eingeschlossen in der Stahlröhre, nicht schnellstens finden, bedeutet der Sauerstoffmangel an Bord das Todesurteil für die Titanic-Taucher.

Im "besten" Falle, sollten sie gefunden werden, drohen schwere, bleibende Gehirnschäden. Im schlimmsten, und inzwischen leider wahrscheinlichsten, Fall der Tod. Was passiert genau im Körper, wenn er plötzlich keinen Sauerstoff mehr bekommt? Zwei Fachärzte klären auf und zeichnen ein Bild der Situation an Bord der Titan.

Sauerstoffmangel im Titanic-U-Boot: "Ich würde nicht von einem milden Tod sprechen"

"Es gibt schönere Tode", sagt der Lungenfacharzt Rainer Schädlich. "Der Prozess dauert lange, da sich der Sauerstoff langsam aufbraucht und zusätzlich CO2 durch Atmung entsteht." Im Normalfall betrage der Sauerstoffgehalt der Luft etwa 21 Volumenprozent. "Sinkt der Sauerstoffgehalt unter 15 Volumenprozent, wird die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit zunehmend vermindert", so der Facharzt für Innere Medizin, Lungen-und Bronchialheilkunde, Allergologie und Umweltmedizin in Straelen bei Düsseldorf.

Titanic-Fotostrecke- Verschwundenes U-Boot sorgt für Rätsel

Die Titanic galt bei ihrer Jungfernfahrt von Southampton nach New York 1912 als unsinkbar. Doch es kam anders. Das Wrack des Schiffs liegt seitdem in etwa 3800 Meter Tiefe rund 600 Kilometer von Neufundland/Kanada entfernt auf dem Meeresgrund.
Die Titanic galt bei ihrer Jungfernfahrt von Southampton nach New York 1912 als unsinkbar. Doch es kam anders. Das Wrack des Schiffs liegt seitdem in etwa 3800 Meter Tiefe rund 600 Kilometer von Neufundland/Kanada entfernt auf dem Meeresgrund. © imago stock&people
Hochauflösende 3D-Aufnahmen zeigen das Wrack der Titanic.
Hochauflösende 3D-Aufnahmen zeigen das Wrack der Titanic. © Atlantic Productions/Magellan
Das Foto aus dem Jahr 2004 zeigt die Überreste eines Mantels und von Stiefeln im Schlamm des Meeresbodens nahe des Hecks der Titanic.
Das Foto aus dem Jahr 2004 zeigt die Überreste eines Mantels und von Stiefeln im Schlamm des Meeresbodens nahe des Hecks der Titanic. © Institute for Exploration, Center for Archaeological Oceanography/AP/dpa
Das U-Boot Titan des Unternehmens Oceangate Expeditions versprach Touristen, es bis zum Wrack der Titanic zu führen, um all diese Dinge aus der Nähe zu sehen.
Das U-Boot Titan des Unternehmens Oceangate Expeditions versprach Touristen, es bis zum Wrack der Titanic zu führen, um all diese Dinge aus der Nähe zu sehen. © OceanGate Expeditions/AP/dpa
Seit seiner letzten Mission am Sonntag, 18. Juni, galt das U-Boot jedoch als verschollen. Inzwischen steht fest: Es ist gesunken.
Seit seiner letzten Mission am Sonntag, 18. Juni, galt das U-Boot jedoch als verschollen. Inzwischen steht fest: Es ist gesunken. © Google/dpa
Insgesamt fünf Menschen befanden sich an Bord des Tauchbootes.
Insgesamt fünf Menschen befanden sich an Bord des Tauchbootes. © Oceangate Expeditions/PA Media/dpa
Dieses von American Photo Archive zur Verfügung gestellte Foto zeigt den Innenraum des Tauchboots Titan mit den damals reisenden Passagieren. Die Ticketpreise lagen bei ca. 250.000 Dollar.
Dieses von American Photo Archive zur Verfügung gestellte Foto zeigt den Innenraum des Tauchboots Titan mit den damals reisenden Passagieren. Die Ticketpreise lagen bei ca. 250.000 Dollar. © American Photo Archive/Alamy/PA Media/dpa
Unter den wohlhabenden Touristen war auch der britische Geschäftsmann und Abenteurer Hamish Harding.
Unter den wohlhabenden Touristen war auch der britische Geschäftsmann und Abenteurer Hamish Harding. © Felix Kunze/Blue Origin/AP/dpa/Archiv
An Bord des Bootes befanden sich außerdem der Kommandant Paul-Henry Nargeolet (l), der als einer der bekanntesten Experten für das Titanic-Wrack galt und daher den Spitznamen
An Bord des Bootes befanden sich außerdem der Kommandant Paul-Henry Nargeolet (l), der als einer der bekanntesten Experten für das Titanic-Wrack galt und daher den Spitznamen "Mr. Titanic" trug. © JIM ROGASH/AP/dpa
An der Rettungsaktion waren mehrere Flugzeuge, Schiffe und Sonarboote beteiligt.
An der Rettungsaktion waren mehrere Flugzeuge, Schiffe und Sonarboote beteiligt. © Handout / US Coast Guard / AFP
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Als erste Symptome bekommen die Männer im U-Boot Kopfschmerzen, ihnen wird übel, sie müssen sich übergeben. Atemnot, Verwirrtheit, Schwindel und Benommenheit sind möglich. Ist der Sauerstoffgehalt zu gering, folgt die Bewusstlosigkeit und schließlich der Erstickungstod. Das liege daran, sagt Schädlich, dass Sauerstoff entscheidend für die Energiegewinnung in den Zellen sei. "Ohne ausreichende Sauerstoffzufuhr werden die Zellen geschädigt." Der Arzt zeichnet ein düsteres Szenario für die U-Boot-Besatzung: "Die bei einem Sauerstoffmangel auftretenden Symptome, insbesondere die Atemnot, können sehr unangenehm sein. Insofern würde ich nicht von einem milden Tod sprechen."

Experte beschreibt: So läuft ein Erstickungstod ab

Als Erstes trifft es das Gehirn. Professor Stefan Kluge, Direktor der Klinik für Intensivmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, erklärt, was das bedeutet. Denn selbst wenn die fünf U-Boot-Fahrer im bewusstlosen Zustand geborgen werden, drohten irreversible Schäden. Immerhin: "Eine zeitnahe Sauerstoffgabe kann in einzelnen Fällen schwere Schäden vermeiden."

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Kluge betont, dass U-Boote zwar Kohlendioxid-Filter haben, um möglichst viel davon aus der Kabine zu filtern. Sind die Filter aber erschöpft, steige der CO2-Anteil ungehindert. Ein wenig Einfluss auf ihr Schicksal haben die Titanic-Taucher dann aber schon. Wie schnell sich die Anteile von O2 und CO2 verschieben, hänge nämlich von der Aktivität an Bord ab, sagt Stefan Kluge. Wenig Aktivität, gar Schlaf, spart Sauerstoff, hektischer Betrieb verbraucht ihn schneller. Ein Sonderfaktor in der Titan: Die ungefähr vier Grad in der Kabine können zu Muskelzittern führen – und das verbraucht wiederum mehr Sauerstoff.

Rainer Schädlich hat wenig Hoffnung für die Männer der Titan, historisch betrachtet. "In der Geschichte gesunkener U-Boote sind mehr Männer gestorben als überlebt haben", sagt er und beschreibt eine mögliche Szene: "Am Anfang versuchen sie noch hektisch, die mechanischen Probleme zu lösen. Es folgt eine ruhigere Phase angespannten Schweigens und Nachdenkens." Dann kämen die ersten Symptome, später Bewusstlosigkeit und der Tod. (fmg/mit dpa)