Madrid. Hitze und Feuer konnten die Urlauber nicht aus Spanien fernhalten. Dennoch wird sich der Tourismus im beliebten Urlaubsland verändern.

Der Klimawandel, der Spanien in diesem Jahr mehrere historische Hitzewellen brachte, scheint die Urlauber nicht zu schrecken. Das Mittelmeerland verzeichnete in den vergangenen zwölf Monaten einen neuen Urlauberrekord: Annähernd 85 Millionen ausländische Touristen, so die Schätzung der Reisebranche, werden Spanien bis Ende 2023 besucht haben. Demzufolge dürfte die bisherige Höchstmarke von 83,7 Millionen internationalen Reisenden aus dem Vorpandemiejahr 2019 übertroffen werden.

Hitze in Spanien: Urlaubssaison verschiebt sich

Immer mildere Temperaturen in der Nebensaison sorgen für einen Reiseboom und machen Spanien neuerdings zum Ganzjahresziel. Der Badeort Malaga im südspanischen Andalusien registrierte dieser Tage mitten im Dezember Sommertemperaturen von 30 Grad, auf Mallorca wurden zeitgleich 25 Grad gemessen.

Die Auswirkungen der Klimakrise bekam Spanien 2023 deutlich zu spüren – die Touristen konnte das nicht fernhalten.
Die Auswirkungen der Klimakrise bekam Spanien 2023 deutlich zu spüren – die Touristen konnte das nicht fernhalten. © dpa | Clara Margais

Das gab es noch nie und lockt Sonnenhungrige aus dem nördlichen Europa nun auch im Dezember und Januar nach Spanien. Für Mallorca bedeutet dies: Das Ferienparadies fällt neuerdings nicht mehr wie früher in den Winterschlaf. Immer mehr Inselherbergen bleiben das ganze Jahr geöffnet, teilte der Hotelverband FEHM mit.

Internationale Konflikte: Spanien punktet als sicheres Reiseziel

Ein weiterer Faktor: Spanien profitiert von seinem Ruf, ein sicheres Reiseziel zu sein. Der im Oktober nach dem Hamas-Terrorangriff auf Israel ausgebrochene Nahostkonflikt ließ die Buchungen in Israels Nachbarländern Jordanien und Ägypten einbrechen. Das sorge für eine Umlenkung der Reiseströme, heißt es im Madrider Tourismusministerium.

Statt östliches Mittelmeer und Rotes Meer werden verstärkt Ziele am westlichen Mittelmeer gebucht – zum Vorteil Spaniens, das laut der Welttourismusorganisation UNWTO nach Frankreich bereits jetzt das meistbesuchte Land der Erde ist.

Mallorca: Über 10 Millionen Besucher allein in diesem Jahr

Traumstrände an der 8000 Kilometer messenden spanischen Küste und vielerorts mehr als 300 Sonnentage im Jahr – das sind die wichtigsten Exportartikel Spaniens. Das gilt erst recht für die Insel Mallorca, die unangefochten das beliebteste Reiseziel in dem südeuropäischen Land bleibt.

Die Klimakrise wirkt sich auf das Verhalten der Spanienurlauber aus: Auf Mallorca ist mittlerweile das ganze Jahr über Saison.
Die Klimakrise wirkt sich auf das Verhalten der Spanienurlauber aus: Auf Mallorca ist mittlerweile das ganze Jahr über Saison. © dpa-tmn | Clara Margais

Allein auf diesem Eiland, das zwischen der spanischen und der nordafrikanischen Mittelmeerküste liegt, machten im zu Ende gehenden Jahr über zehn Millionen internationale Besucher Urlaub. Dabei sprechen mehr als 40 Prozent der ausländischen Feriengäste auf Mallorca Deutsch und stammen aus Deutschland, Österreich, der Schweiz oder Luxemburg.

Landesweit sind aber nicht die Deutsch-, sondern die Englischsprechenden die stärkste Urlaubergruppe: Die Briten stellen mehr als 20 Prozent aller Spanienreisenden. Auch der EU-Austritt des Vereinigten Königreichs, der Brexit, hat nichts daran geändert, dass die britischen Bürger besonders gerne kommen, um Sonne zu tanken. Die zweitgrößte Besucherzahl stammt aus dem spanischen Nachbarland Frankreich. Auf dem dritten Platz folgt Deutschland, das etwa 13 Prozent aller Feriengäste stellt.

Klimakrise fordert Umdenken im Tourismus

Die weltweite Klimakrise brachte Spaniens Tourismusmotor bisher nicht zum Stottern. Obwohl die Erderwärmung die Reisebranche durchaus besorgt: In diesem Sommer wurden örtlich Spitzentemperaturen von mehr als 45 Grad im Schatten gemessen. Dies ließ Bewohner wie Urlauber gleichermaßen stöhnen – auch in den Ferienhochburgen Mallorca und Kanaren. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass 2023 als eines der wärmsten Jahre aller Zeiten in die Wettergeschichte eingehen wird.

Spaniens Umweltministerium warnt in einer Studie, dass die schon spürbare Klimaveränderung innerhalb des Landes die Reiseströme verschieben werde: „Einige Urlaubsziele werden durch den Klimawandel gewinnen, andere werden an Attraktivität verlieren.“

Erste Zeichen dafür gibt es bereits. Die Zahl der Feriengäste an Spaniens kühlerer und bisher sehr viel ruhigerer atlantischen Festlandküste wuchs nach Angaben des Branchenverbandes Exceltur in diesem Sommer um bis zu 30 Prozent – das sind deutlich größere Zuwächse als etwa an der wärmeren Mittelmeerküste.

Temperaturen von über 40 Grad im Sommer schrecken mittlerweile viele Spanienurlauber ab. Viele wählen die kühleren Monate für ihren Strandurlaub.
Temperaturen von über 40 Grad im Sommer schrecken mittlerweile viele Spanienurlauber ab. Viele wählen die kühleren Monate für ihren Strandurlaub. © dpa | María José López

Die spanischen Ferienhochburgen Mallorca und Kanaren können zwar ebenfalls ein üppiges Plus verzeichnen, aber dies vor allem in den kühleren Monaten. Die beiden Inselferienziele melden für diese Wintermonate ein zweistelliges Buchungsplus gegenüber dem Vorjahr.

Zu viele Urlauber – immer mehr Spanier protestieren

Der spanische Tourismusminister Jordi Hereu freut sich, dass sein Land zunehmend zum Ganzjahresziel wird. „Wir sind auf dem Weg, unseren Tourismus umzugestalten“, sagt er. Es zeige sich, dass Spanien nicht nur im Sommer, sondern das ganze Jahr über attraktiv sei. Die Fachleute nennen dies „Saisonentzerrung“. Damit soll auch dem „overtourism“, der Überfüllung vieler Urlaubshochburgen, entgegengesteuert werden. Denn die Urlaubermassen in der Hochsaison sorgen für immer mehr Probleme.

Auf den Kanarischen Inseln mussten die Einheimischen diesen Sommer Wasser sparen, damit Duschen und Pools in den Urlauberhotels funktionierten. Erstmals sah man dieses Jahr an kanarischen Hauswänden aufgesprühte Protestsprüche wie „Tourists, go home!“. Solche Parolen kannte man bisher nur aus Mallorca oder der Tourismusmetropole Barcelona. Wohl auch deswegen warnte die Regionalregierung der Kanaren: „Der Tourismus muss nachhaltig sein – oder er wird bald nicht mehr existieren.“