Berlin. Die Regierung tut sich schwer, die Impfquote in den eigenen Großorganisationen zu erhöhen. Auch bei der Bundeswehr geht es kaum voran.

Von Tag zu Tag wächst in den Kasernen der Bundeswehr die Zahl der Soldatinnen und Soldaten, die sich mit Corona infiziert haben. Am 2. November wurden 356 aktive Fälle gemeldet, eine Woche später war die Zahl bereits auf 542 gestiegen. Und doch läuft Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) seit Monaten regelmäßig gegen eine Wand, wenn sie eine Corona-Impfpflicht durchsetzen will.

Bundesweit ist eine Impfpflicht für bestimmte Einrichtungen im Gespräch, etwa für die Alten- und Pflegeheime in den Kommunen. Wie schwer es ist, vor der eigenen Tür zu kehren, zeigt die Bundesregierung beim Versuch, ihre eigenen Großorganisationen zu einer höheren Impfquote zu bewegen. Bei den Soldaten lässt sie sich grob schätzen, bei den Polizeibehörden werden diese Zahlen gar nicht erst erhoben.

Nur noch geimpfte Soldaten dürfen Amtshilfe leisten

Wie ein Sprecher des Verteidigungsministeriums unserer Redaktion mitteilte, wurden bislang 276.000 Impfungen gegen Covid-19 verabreicht. Wenn man diese Zahl durch zwei teilt und in Relation zu den rund 184.000 Soldaten stellt, ergibt sich eine Quote von annähernd 75 Prozent.

Exakt ist sie allerdings nicht, da Erst-, Zweit- und Drittimpfungen nicht differenziert erfasst werden. Immerhin erscheint die Impfbereitschaft zumindest etwas höher als in der Gesamtbevölkerung zu sein. Laut Robert-Koch-Institut verfügen bloß 67,4 Prozent der Bürger über einen vollständigen Impfschutz.

Bei Auslandseinsätzen ist die Corona-Impfung Pflicht

Verpflichtend ist eine Covid-19-Impfung für die Soldaten in Auslandseinsätzen, beispielsweise in Mali. „Sie sollte für alle in der Truppe gelten, damit die Einsatzbereitschaft gewährleistet ist“, forderte die Wehrbeauftragte Eva Högl im Gespräch mit unserer Redaktion.

Zum einen trügen Soldatinnen und Soldaten eine besondere Verantwortung, „sich und andere Kameradinnen und Kameraden zu schützen“. Zum anderen sei unabhängig von der aktuellen vierten Welle schon jetzt klar, „dass uns Covid-19 auf absehbare Zeit beschäftigen wird“.

Corona: Auch Reservistenverband plädiert für Impfpflicht

Auch der Vorsitzende des Reservistenverbandes mit seinen über 100.000 Mitgliedern, Patrick Sensburg, plädiert „dringend für eine Impfpflicht“ – nicht zuletzt mit Blick auf die Amtshilfe. „Wir wollen schließlich Menschen helfen und nicht gefährden“, sagte Sensburg unserer Redaktion.

Unter dem Eindruck der vierten Welle hatte der Kommandeur des Kommandos Territoriale Aufgaben, Generalmajor Carsten Breuer, erst am 10. November befohlen, dass lediglich geimpfte Soldaten in Gesundheitsämtern oder Krankenhäusern Amtshilfe leisten sollten. Bis dahin reichte ein Test.

Kramp-Karrenbauer will die „Duldungspflicht“ schon lange

Kramp-Karrenbauer trat nach Angaben ihres Ministeriums „bereits im Frühjahr“ und „mit Nachdruck“ für die Einführung einer – so heißt es in der Truppe – „Duldungspflicht" der Impfstoffe gegen das Virus Sars-CoV 2 ein. Was bei Krankheiten wie Influenza seit Jahren bewährte Praxis in der Bundeswehr ist, sollte auch in der Corona-Pandemie gelten.

Doch für einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit braucht die Ministerin die Zustimmung des 65-köpfigen Gesamtvertrauenspersonenausschusses (GVPA), der überwiegend aus Vertretern der Soldaten und aus Personalräten besteht. Und der stimmte der Duldungspflicht bloß in Auslandseinsätzen zu.

Corona: Ein Impf-Appell als „Geheimsache“

Um die Impfung tobt ein Stellungskrieg mit dem Apparat. Im September wurde ein Schlichtungsausschuss angerufen, angeblich zum ersten Mal in der der fast 30-jährigen Geschichte des GVPA. Über die Gründe schweigen sich beide Seiten aus.

Die Verschwiegenheitspflicht wurde auf die Spitze getrieben, als ein Appell der Ministerin und sechs verschiedener Personalvertretungen am 14. September („Impfen schützt“) an alle 250.000 Angehörigen der Bundeswehr rausging. Das Dokument, das unserer Redaktion vorliegt, trägt bis heute die bizarre Aufschrift „VS – Nur für den Dienstgebrauch“. Ein Appell mit einer Verteilerliste, die gut 250.000 Namen umfasst, wird wie eine Geheimsache behandelt.

Auch bei der Bundespolizei steigt die Zahl der Fälle

Kramp-Karrenbauers Kabinettskollege, Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), tat sich den Kampf für die Impfpflicht gar nicht erst an. „Wir müssen die Leute überzeugen, dass sie sich impfen lassen“, warb er. Man dürfe eine Impfung nicht zur Voraussetzung für ein Arbeitsverhältnis oder den Abschluss eines Versicherungsvertrages machen. „Das dürfen wir in Deutschland nicht beginnen“, sagte er noch im Juli. Inzwischen äußert er sich dazu gar nicht mehr.

Dabei ist der Innenminister der oberste Dienstherr von fast 50.000 Bundespolizisten, die teilweise auch in Kasernen zusammenkommen und die tausendfach täglich in Kontakt mit Bürgern kommen, etwa an den Grenzen, in Flughäfen und Bahnhöfen. Auch bei der Bundespolizei wurden allein am vergangenen Freitag 207 neue Corona-Fälle gemeldet, 816 Beamte mussten daraufhin in Quarantäne gehen.

Högl hofft auf eine baldige Einigung auf eine Impfpflicht

Mit der Impffrage wird sich Seehofers Amtsnachfolger herumschlagen müssen. Der Gremienstreit im Verteidigungsministerium könnte sich ohnehin bis zum Regierungswechsel hinziehen – sehr zur Verwunderung der Wehrbeauftragten, die nach eigenen Worten auf einen „schnellen Abschluss“ hofft. Bei ihren Truppenbesuchen, erzählt Högl, nehme sie „große Zustimmung“ für die Corona-Impfung wahr.