Berlin. Wegen Omikron greifen Notfallpläne zum Schutz der Infrastruktur. So könnten die Bundeswehr, Bundespolizei und THW bei Ausfällen helfen.

Minutenlang bewegt sich der Stahlkoloss, bis die tonnenschwere Tür den Weg freigibt: in die größte unterirdische Apotheke der Welt. Sollte es wegen der Omikron-Variante zu gravierenden Ausfällen bei der Infrastruktur kommen, dürfte die „hinreichende Vorratshaltung von Material und Medikamenten“ gesichert sein, die ein Expertenrat der Bundesregierung angemahnt hat.

Hier im Harz, in Blankenburg, bunkert die Bundeswehr Tausende Medizinprodukte und unterhält ein eigenes Labor. Das Stollensystem befindet sich im Felsmassiv des Regensteins und erstreckt sich in einer Tiefe von bis zu 80 Metern über eine Länge von acht Kilometern. In den Kühlcontainern und Regalen, oft Hunderte Meter lang, stapeln sich Tabletten und andere Arzneimittel.

Das Pillendepot versorgt die Truppe mit Medikamenten und ist ein Umschlagplatz für monatlich Tausende Großkartons, die per Lastwagen gebracht und wieder ausgeliefert werden – eine Reserve, die im Notfall sicher nicht allein der Bundeswehr offenstehen würde.

Gespaltenes Risikobewusstsein

Wegen schnell steigender Inzidenzen sieht der Expertenrat „hohe Risiken für die kritische Infrastruktur“: Krankenhäuser, Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienst, Strom- und Wasserversorgung. Es bedürfe einer „umfassenden und sofortigen Vorbereitung des Schutzes der kritischen Infrastruktur“. Bundeswehr und Technische Hilfswerke sollten eingebunden werden. Die Experten verweisen etwa auf Dänemark, Holland und Großbritannien, wo sich Omikron in einer „nie da gewesenen“ Verbreitungsgeschwindigkeit (zwei bis drei Tage) verdoppele.

Die Bundeswehr unterhält die vermutlich größte unterirdische Apotheke der Welt.
Die Bundeswehr unterhält die vermutlich größte unterirdische Apotheke der Welt. © AFP via Getty Images | Jens Schlueter

Doch das Gefahrenbewusstsein ist gespalten. Viele Bürger können die Alarmmeldungen nicht nachvollziehen. Von 50.000 Beamten der Bundespolizei sind nur 791 in Quarantäne. Von 17.500 Bundeswehrsoldaten – für Hilfsdienste abgestellt – wurde nur die Hälfte abgerufen. Ähnliche Rückmeldungen kommen aus den Ländern.

Weder bei Polizei und Rettungsdiensten noch bei der Wasser- und Stromversorgung ist die Einsatzfähigkeit gefährdet. Und doch erwartet die Bundesregierung von Betreibern kritischer Infrastrukturen, dass sie ihre Pandemiepläne „umgehend“ überprüfen und gewährleisten, „dass diese kurzfristig aktiviert werden können“.

Die Sorge ist groß, dass zu schnell zu viele Mitarbeiter ausfallen, weil sie an Corona erkrankt sind oder in Quarantäne gehen müssen. Hinter vorgehaltener Hand heißt es in Berlin beispielsweise, das gesamte Stromnetz in Ostdeutschland werde von nur 20 Personen gesteuert. Wenn diese nicht arbeiten könnten, habe das gravierende Folgen.

In der Untergrundapotheke im Harz verwalten die Soldaten der Bundeswehr ein gewaltiges Arsenal an Masken, Pillen und anderen Arzneimitteln.
In der Untergrundapotheke im Harz verwalten die Soldaten der Bundeswehr ein gewaltiges Arsenal an Masken, Pillen und anderen Arzneimitteln. © EPA-EFE | Clemens Bilan

Vorsorglich entschied das Kanzleramt, dass das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) „ab sofort“ ständiger Teilnehmer im Bund-Länder-Krisenstab sein wird. Beim BBK unterhalten Bund und Länder ein Melde- und Lagezentrum. Seit Ende November wird der Transport von Patientinnen und Patienten in der Intensivmedizin – über Landesgrenzen hinweg – koordiniert.

Dieses sogenannte Kleeblattkonzept könnte das Vorbild sein, um auch andere Engpässe zu lösen. Das Lagezentrum arbeitet sieben Tage lang rund um die Uhr, aufgeteilt in A- und B-Teams, sodass sich Mitarbeiter möglichst nicht begegnen. Ein Teil soll arbeitsfähig sein, falls ein anderer in Quarantäne gehen muss.

Leitungsstäbe werden kaserniert

Zunächst einmal können sich die Länder selbst helfen, indem sie Beamtinnen und Beamte für bestimmte Aufgaben abordnen. Sie können darüber hinaus ehrenamtliche, freiwillige Helfer und pensionierte Mitarbeiter rekrutieren, etwa frühere Feuerwehrleute. Darüber hinaus können sie den Bund um Amtshilfe bitten. Drei Großorganisationen sind flächendeckend aufgestellt, das THW mit 700 Vertretungen und 80.000 Helfern, die Bundespolizei mit 50.000 Beamten und die Bundeswehr mit 180.000 Soldaten. Das Kontingent von 17.500 Frauen und Männern kann erhöht werden.

In den Leitstäben der kritischen In­frastruktur wäre eine erste Maßnahme das „Einrichten strikt getrennter Schichtteams“ und das Vorhalten von Krisenräumen. Diskutiert wird auch das Freitesten aus einer Quarantäne. Gegenüber RTL erklärte die Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft, Kerstin Andreae, Szenarien, in denen Mitarbeiter vor Ort „quasi in Quarantäne“ sind: Faktisch würden sie am Arbeitsplatz kaserniert werden, um jeden Außenkontakt zu vermeiden.