Berlin. Das Virus grassiert weiter unter Jüngeren, aber auch bei Älteren steigt die Inzidenz. Spahn plant trotzdem das Ende der Corona-Notlage.

Herbst und Winter gelten als unwirtliche Jahreszeiten. In der Corona-Pandemie sind es zudem auch die gefährlichsten. Denn wenn sich die Menschen bei kaltem Wetter vermehrt in geschlossenen Räumen aufhalten, kann sich das Virus leichter ausbreiten, die Ansteckungen nehmen zu.

Dennoch sprach sich Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Montag für ein Auslaufen der „epidemischen Lage nationaler Tragweite“ aus, die der Politik viele Sonderbefugnisse in der Pandemie einräumt. Es käme einer weitgehenden Herabstufung der Corona-Gefahr gleich.

Der Zeitpunkt für diese Spahn-Äußerung überrascht. Denn besonders deutlich steigen die Zahlen seit geraumer Zeit bei den Jungen und Jüngsten. Auch unter der besonders gefährdeten Gruppe der Älteren und Hochbetagten steigen die Ansteckungszahlen, da bei vielen der Corona-Schutz nachlässt und viele noch keine Auffrischungsimpfung haben.

Corona: Impfung für Kinder fehlt noch immer

Die unter Zwölfjährigen können sich hingegen noch nicht impfen lassen, weil es für sie noch kein zugelassenes Vakzin gibt. Elternvertreter fordern daher eine bundesweite Corona-Impfpflicht für Lehrkräfte, um die Kinder und Jugendlichen zu schützen.

Auch Patientenschützer fordern Maßnahmen. Sie verlangen für Einrichtungen, in denen auch viele Hochbetagte gepflegt werden, sowie für Krankenhäuser eine tägliche Testpflicht auch für geimpfte Beschäftigte und Besucher.

Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, plädierte im Gespräch mit unserer Redaktion dafür, „dass alle Bundesländer 2G ohne Maske und Abstand als Option für das Gastgewerbe, für den Sport und die Veranstaltungsbranche einführen“. Bleibt die Frage, mit welchen Lösungen Deutschland durch diesen Corona-Herbst geht.

Laut Zentralregister der Notfallmediziner nimmt die Zahl der Corona-Patienten auf den Intensivstationen seit Anfang Oktober wieder zu.
Laut Zentralregister der Notfallmediziner nimmt die Zahl der Corona-Patienten auf den Intensivstationen seit Anfang Oktober wieder zu. © dpa | Jens Büttner

Pandemie: Wie entwickeln sich die Zahlen?

Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) von Dienstag ist die Sieben-Tage-Inzidenz in Deutschland am sechsten Tag in Folge gestiegen. Der Wert der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und Woche lag bei 75,1. Zum Vergleich: Am Vortag hatte der Wert bei 74,4 gelegen, vor einer Woche bei 66,8. Regional sind die Werte teils sogar um ein Vielfaches höher.

Corona: Welche Folgen drohen in der Bildung?

Ines Weber, Vorstandsmitglied im Bundeselternrat, forderte Maßnahmen vor allem für die Schulen. Die Lehrkräfte müssten „angehalten werden, sich impfen zu lassen“, sagte Weber unserer Redaktion. Mit einer Impfung schützten sie sich selbst „und auch die Kinder und Jugendlichen, mit denen sie täglich direkten Kontakt haben“.

Weber forderte „eine Corona-Impfpflicht für diese Berufsgruppe“. Diese Verpflichtung sollte „von der Bundesregierung bundeseinheitlich gesetzlich festgeschrieben werden“, forderte sie. Weber betonte, ohne konsequente Maßnahmen und zugleich stark ansteigende Infektionen werde es in den nächsten Wochen und Monaten in einigen Regionen wieder zu Schulschließungen kommen. Dies müsse verhindert werden.

Wie ist die Corona-Lage in den Kliniken?

Laut Zentralregister der Notfallmediziner nimmt die Zahl der Corona-Patienten auf den Intensivstationen seit Anfang Oktober wieder zu. Derzeit werden dort 1451 Covid-19-Fälle behandelt. Im Frühjahr waren es bis zu 5000.

Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, kritisierte jedoch, es werde politisch nicht thematisiert, „dass aktuell dreimal mehr über 80-jährige Corona-Infizierte im Krankenhaus sind als vor einem Jahr. Waren es in der 40. Kalenderwoche 2020 noch 176 Patienten, sind es nun 475“, sagte Brysch unserer Redaktion.

Es reiche nicht aus, „Tests bei Patienten, Mitarbeitern und Besuchern zu finanzieren. Sie müssen bundesweit täglich für Krankenhäuser und Pflegeheime angeordnet werden, und zwar unabhängig davon, ob die Person geimpft oder genesen ist“. Lesen Sie auch: Lage auf Intensivstationen verschärft sich wieder

Pandemie: Wie ist die Prognose?

Ärztepräsident Reinhardt geht davon aus, dass die Ansteckungen zunehmen. „In den kommenden Wochen wird die Zahl der Corona-Infektionen sicherlich steigen“, sagte er. „Grund zur Panik“ bestehe aufgrund der Durchimpfungsrate von derzeit 65,8 Prozent und der Situation in den Kliniken jedoch nicht.

Er betonte, wenn die 2G-Regelung, wonach nur Geimpfte und Genesene, nicht aber negativ Getestete Zugang zu bestimmten Dienstleistungen haben, kombiniert werde mit der Aufhebung von Maskenpflicht und Abstandsregeln, „ist das ein guter Weg“. Dies sollte aber „nicht für Angebote des öffentlichen Lebens gelten, auf die die Menschen zwingend angewiesen sind, wie zum Beispiel der öffentliche Nah- und Fernverkehr“.

Corona: Wann endet die „epidemische Lage“?

Unklar. Es handelt sich bislang um einen Vorschlag Spahns. Der Bundestag hatte die „epidemische Lage“ im Frühjahr 2020 beschlossen und Ende August für weitere drei Monate verlängert. Sie läuft automatisch aus, wenn sie vom Parlament nicht erneut verlängert wird. Brysch kritisierte, Spahns Vorstoß sei angesichts der steigenden Infektionszahlen „unverantwortlich“.