Berlin. Ukraine-Krieg, Inflation, Corona: Die Risse in der Koalition werden immer deutlicher. Wie viel Kraft bringt die Ampel noch gemeinsam auf?
Mit der Einigung auf das 100-Milliarden-Sondervermögen für die Bundeswehr haben die Soldatinnen und Soldaten noch keinen einsatzbereiten Panzer zusätzlich, sind die leeren Munitionsdepots lange nicht aufgefüllt. Die politische Verständigung auf die historische Modernisierung der Bundeswehr inklusive Grundgesetzänderung in nur drei Monaten ist jedoch eine bemerkenswerte Leistung.
Schließlich war über den oft bemitleidenswerten Zustand der Truppe in den vergangenen Jahren zumeist nur geredet worden. Drei Tage nach dem russischen Angriff auf die Ukraine hatte Bundeskanzler Olaf Scholz die „Zeitenwende“ auch für die deutsche Armee verkündet. Nun steht die Einigung der Koalition mit der Union. Die Wehrbeauftragte Eva Högl sieht darin einen „überparteilichen Kraftakt“.
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Friedrich Merz weiß die Schwächen der Koalition zu nutzen
Die Union hatte zwar anfangs versucht, politisches Kapital zu schlagen aus dem mehr oder minder lauten Murren einiger Ampel-Koalitionäre, 100 Milliarden Euro allein für die Bundeswehr auszugeben. Dann besann sich Oppositionsführer Friedrich Merz jedoch, dass sich taktische Spielchen in Fragen von Krieg und Frieden verbieten.
Die Koalitionspartner wissen aber, dass sie auf die Zusammenarbeit mit der Union in den kommenden Monaten nicht setzen können. Zu auffällig sind die Risse in dem rot-gelb-grünen Bündnis. Merz hat schon bei der gescheiterten Impfpflicht gezeigt, dass er die Schwächen der Ampel-Koalition gezielt auszunutzen weiß. Dem Regierungsbündnis stehen weitere Kraftakte bevor.
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Streit um die Lieferung von Waffen an die Ukraine
Die Frage der militärischen Unterstützung für die Ukraine belastet die Koalition seit Wochen. Ganz offenbar besteht ein Unterschied zwischen den Ankündigungen der Regierung und den Waffenlieferungen, die in der Ukraine ankommen. Der Kanzler und andere Sozialdemokraten sorgen mit ihren Erklärungen nicht nur für Verwirrung in der Öffentlichkeit, sondern auch für große Verärgerung in Kiew und bei osteuropäischen Partnern.
In der Koalition gibt es die Vorsichtigen und die Ungeduldigen, letztere machen aus ihrem Missmut über die Situation kein Geheimnis und verhehlen nicht, dass sie den Schuldigen im Kanzleramt sehen.
Koalition will etwas gegen Inflation tun – bloß was?
Russlands Krieg und die Folgen werden die Koalition auch auf einem anderen Feld mindestens an die Grenze des gemeinsam Machbaren bringen: Zwar sind sich die Partner einig, dass sie die Bürger angesichts der stark steigenden Inflation entlasten wollen. Über den Weg herrscht aber Uneinigkeit besonders zwischen SPD und FDP.
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Arbeitsminister Hubertus Heil schlägt eine Zahlung in Form eines Klimagelds vor, Finanzminister Christian Lindner lehnt dies ab und kontert mit einer Steuerreform. Wenn Lindner dann noch ankündigt: „Wir beenden jetzt die Sucht nach immer mehr Schulden und nach immer mehr Subventionen“, wird deutlich, dass die Koalition ihre Konflikte für den Rest der Legislaturperiode nicht unter Geld begraben können wird.
Debatte um Maskenpflicht
Hatten sich die Ampel-Partner anfangs in die Hand versprochen, sich in erster Linie als Team und weniger als Konkurrenten zu begreifen, scheint dieser Vorsatz nach den für SPD und FDP enttäuschenden Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen zu verblassen.
Der Reiz zur eigenen Profilierung wächst. Das lassen auch die bereits zutage tretenden Meinungsverschiedenheiten zur Notwendigkeit von Corona-Schutzmaßnahmen wie einer Maskenpflicht im Herbst erahnen. Ein Kraftakt nach dem anderen. Die Ampel muss zeigen, wie viel gemeinsame Kraft sie dafür hat.
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