Berlin. Die Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock hat die Klimapolitik der Union scharf kritisiert. Diese sei eine Gefahr für Deutschland.

  • Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock trat am Montag vor die Presse
  • Sie stellte Pläne ihrer Partei vor, die Deutschland besser auf die Katastrophen der Zukunft vorbereiten sollen
  • Dabei griff sie die Klimapolitik der Union scharf an

Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock und die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Irene Mihalic, haben sich am Montagnachmittag vor der Bundespressekonferenz zu den Lehren aus der Hochwasserkatastrophe geäußert. Dabei ging es vor allem um mögliche Veränderungen beim Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe.

Baerbock will "die richtigen Lehren" ziehen

Zum Thema Katastrophenschutz sagte die Grüne Kanzlerkandidatin zu Beginn: "Wir können nicht einfach weitermachen, wie bisher." Die Katastrophe habe zu wahnsinnig viel Leid geführt, Menschen hätten ihre Liebsten verloren. Baerbock dankte zudem den Helferinnen und Helfern im Katastrophengebiet und den Menschen im Land für ihre Solidarität mit den Flutopfern.

Politik müsse sich in so einer Situation selbst reflektieren, befand Baerbock. Es gelte, "die richtigen Lehren zu ziehen". Die nächste Bundesregierung müsse auf drei Ebenen angreifen. Baerbock forderte dazu eine Reduktion des CO2-Austoßes, Anpassungsmaßnahmen, um Orte vor den Auswirkungen der Klimakatastrophe zu schützen sowie konkrete örtliche Schutzmaßnahmen vor Extremwetterereignissen. "Diese drei Bereiche haben sich die Grünen in den letzten Wochen nochmal genau angesehen", so Baerbock.

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Zur Verbesserung des Katastrophenschutzes schlug Baerbock die Einführung einer Zentralstelle beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz vor. Diese soll länderübergreifendes Vorgehen im Katastrophenfall ermöglichen und Handeln koordinieren, etwa bei der Anforderung von Rettungshubschraubern. "Es ist nicht das Problem, dass Hilfsmittel fehlen", so Baerbock, "sondern dass sie zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind." Dabei solle die Dezentralität des Katastrophenschutzes aber erhalten bleiben.

Es müsse verpflichtend sein, dass Informationen zur Verfügung stehen um "valide Lageinformationen" nutzen zu können, führte Sprecherin Mihalic den Vorschlag auf Nachfrage aus. Das betreffe etwa die Zahl von verfügbaren Rettungsmitteln oder deren Zustand. Im Ernstfall sollten solche Informationen zentral abrufbar sein und nicht mittels Telefonlisten von einzelnen Kommunen abgefragt werden müssen.

Angriff auf Klimapolitik der Union

Zudem müsse eine konsequente Klimavorsorge betrieben werden, so Baerbock, die gleichzeitig ein aktualisiertes Klimaschutzsofortprogramm und eine aktualisierte Klimaanpassungsstrategie ankündigte. "Die Zeit für den Klimaschutz ist jetzt", sagte die Kanzerlkandidatin und verwies auf die aktuelle Tagung des Weltklimarates zum sechsten Klimaschutzbericht. "Die Zeit von Herumlavieren, Abwiegeln und Beschönigen, damit muss jetzt Schluss sein", so Baerbock. "Wir können uns das Klima-Wirrwarr der Union nicht länger leisten", griff sie die CDU und CSU scharf an. Dies sei eine Gefahr für Menschen, den Industriestandort Deutschland und die Versorgungssicherheit.

Dazu zählte Baerbock verschiedene zum Teil gegensätzliche Vorstöße aus den Unionsparteien auf, etwa den Vorschlag des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU), den Kohleausstieg neu zu verhandeln und ab 2030 zu ermöglichen. Dagegen hatte sich Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer gewehrt und auf die Einhaltung des Kohlekompromiss gepocht. Gleichzeit sperrten sich Söder und Kanzerlkandidat Armin Laschet gegen den Ausbau der Windenergie in ihren Bundesländern – forderten aber "mehr Tempo" beim Klimaschutz.

Deutschland habe historische Verantwortung, zum Klimaschutz beizutragen, so Baerbock. Das Land habe seinen Wohlstand mit der Verbrennung fossiler Energieträger aufgebaut. Deswegen müsse die Bundesrepublik ihren Beitrag leisten. Mit dem Finger auf andere Staaten wie China und deren Bemühungen zu zeigen bringe niemanden weiter.

Bund soll sich auf Katastrophen-Szenarien vorbereiten

Als zweiten Punkt sprach sich Baerbock für eine "nationale Resilienzstrategie" aus. Diese betreffe die Klimakatastrophe genauso wie den Erhalt von Lieferketten im Katastrophenfall oder Hackerangriffe auf die Stromversorgung. Solche Szenarien müsse sich der Bund ansehen, um im Ernstfall gewappnet zu sein. Dazu müsse genau analysiert werden, wo Schwachstellen in Deutschland seien, sagte Baerbock auf Nachfrage. Im konkreten Fall einer Hochwasserkatastrophe etwa brauche es eine deutschlandweite Kartierung von versiegelten und nicht-versiegelten Flächen.

Der dritte Bereich sei die Frage der Warnsysteme. Es sei sehr deutlich geworden, dass es auch hier wichtig sei "alle Komponeten nocheinmal zu überprüfen. Dazu gehörten nicht nur Cell Broadcasting und Warn-Apps, sondern auch die konkrete Weitergabe von Informationen zum Handeln im Katastrophenfall.

Dazu strebten die Grünen eine Gesetzesänderung an, die eine solche Weitergabe durch das Bundesamt für Bevölkerungsschutz ermöglichen soll. "Wir können in Zukunft nicht verhindern, dass es Extremwettereignisse gibt. Aber wir können dafür sorgen, dass wir alles tun, um die Menschen besser zu schützen", so Baerbock.

Baerbock äußert sich nochmal zu Fehlern der Vergangenheit

Jenseits der Themen Klima- und Katastrophenschutz wurde Baerbock auch auf ihre verschiedenen Fehltritte im bisherigen Wahlkampf angesprochen. Dazu sagte die Kandidatin: "Für mich ist es immer wichtig, selbstkritisch zu betrachten wo man Fehler gemacht hat, das transparent zu kommunizieren und es zukünftig besser zu machen."

Auch zu ihrer Entschuldigung für die Benutzung des N-Wortes in einem Interview für eine Sendung des Zentralrates der Juden in Deutschland kam aus dem Saal eine Frage. Baerbocks Antwort: "Es ist wichtig, dass wir bei rassistischen Vorfällen in Deutschland nicht schweigen." Es müsse daher auch darüber geredet werden, was an Schulen passiere.

Grüne fordern Reform des Katastrophenschutzes

Sprecherin Mihalic hatte bezüglich des Katastrophenschutzes eine Zuständigkeit auf Bundesebene für länderübergreifende oder spezielle Lagen gefordert. "Wir kennen ein solches Modell in der Polizei vom Bundeskriminalamt, was in besonderen Situationen ebenfalls eine koordinierende Rolle übernimmt", sagte sie. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe müsse diese Aufgabe übernehmen.

Aus dem am Montag tagenden Innenausschuss berichtete Mihalic, dass eine bessere Koordinierung des Katastrophenschutzes Thema gewesen sei, Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) aber an den Strukturen nichts ändern wolle. Pragmatismus habe bei der Katastrophenbewältigung an vielen Stellen zum Erfolg geführt, etwa wenn Behörden Hilfen zur Verfügung gestellt hätten, zu denen sie rechtlich nicht verpflichtet waren. "Wenn es diesen Pragmatismus braucht, um Lagen zu bewältigen, dann wissen wir, wo wir ansetzen müssen", so Mihalic. Dazu brauche es eine geeignete Rechtsgrundlage.

Die Grünen-Sprecherin hält eine Grundgesetzänderung zur Reform des Katastrophenschutzes für unerlässlich. "Wir würden uns da aber mehr Verbindlichkeit wünschen. Ich prognostiziere, dass wir dafür am Ende gesetzliche Änderungen brauchen. Und das wird ohne Grundgesetzänderung nicht gehen", sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland vor der Bundespressekonferenz.

Experten gehen davon aus, dass Extremwetterlagen wie zuletzt das Hochwasser in Westdeutschland in Zukunft aufgrund des Klimawandels häufiger vorkommen werden. Doch zwei Monate vor der Bundestagswahl haben Grünen-Wähler wenig Hoffnung auf eine Kanzlerin Baerbock. Aktuelle Umfragen rechnen mit Laschet als Deutschlands zukünftigem Regierungschef. (amw/pcl)