Berlin. Nach und nach werden die Auswirkungen des Urteils aus Karlsruhe deutlicher. Die Ampelkoalition steht vor einem substanziellen Problem.

Der Bundeskanzler und seine Regierung stehen vor einem Scherbenhaufen. Nach und nach werden die Auswirkungen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur Haushaltspolitik der Ampel-Regierung immer deutlicher – und damit die schweren finanzpolitischen Fehleinschätzungen der Koalition. Dieser Scherbenhaufen ist der Scherbenhaufen von Olaf Scholz.

In der SPD wird gerne auf die große Erfahrung und das tiefe Fachwissen des Kanzlers verwiesen, wenn es um seine Qualitäten und Qualifikationen geht. Niemand mache Scholz etwas vor, er kenne sich meist besser aus als seine Fachminister, so wird von Sozialdemokraten der Mann an der Spitze gelobt. Wenn einer weiß, wie Regieren geht – dann Scholz. Der Kanzler selbst ist ein Typ von der Sorte, der solche Aussagen über sich ohne mit der Wimper zu zucken unterschreiben würde.

Olaf Scholz hat die Koalition auf Sand gebaut

Umso unbegreiflicher ist, dass ausgerechnet der frühere Finanzminister Scholz die gesamte Politik seiner Koalition finanzpolitisch dermaßen auf Sand gebaut hat. Die Richter in Karlsruhe hatten geurteilt, dass die Finanzierung des wichtigen Klimafonds KTF verfassungswidrig ist. Aus dem Topf sollten zahlreiche Projekte zum klimafreundlichen Umbau von Wirtschaften und Wohnen in diesem Land finanziert werden.

Lesen Sie auch:Ampel-Milliardenloch noch tiefer? FDP will Sozialkürzungen

War die Sperre des Topfes bereits ein heftiger Kinnhaken für die Regierung, erwartet sie weitere Tiefschläge: Inzwischen geht die Koalition davon aus, dass auch der Wirtschaftsstabilisierungsfonds WSF so nicht zu halten ist. Der Sondertopf war nach demselben Prinzip wie der Klimafonds finanziert worden: Die Ampel hatte sich verschuldet, um das Geld in späteren Jahren auszugeben. Das Bundesverfassungsgericht sah darin einen Buchungstrick, der unvereinbar mit den Regeln der Schuldenbremse ist.

Chefreporter Jan Dörner.
Chefreporter Jan Dörner. © Reto Klar | Reto Klar

Der Bundesrechnungshof warnt die Bundesregierung, dass die Bundeshaushalte für dieses Jahr und 2024 „in verfassungsrechtlicher Hinsicht für äußerst problematisch“ zu bewerten seien. Das Bundesfinanzministerium tritt nun erst einmal voll auf die Bremse und verbietet allen Ministerien neue Finanzzusagen für die kommenden Jahre. Soweit die finanzpolitischen Details, zurück zur Lage der Regierung und ihrem Kanzler.

Bundesregierung ist zurück in Chaos und Unsicherheit

Nach den turbulenten ersten beiden Jahren hatten sich die Ampel-Partner in der Sommerpause versprochen, eine Phase der Ruhe einkehren zu lassen. Einfach Politik machen, lautete der Schwur. Die Koalition wollte beweisen, dass sie es kann, wollte Probleme lösen, um den Menschen die Angst vor der Zukunft und ihren Herausforderungen zu nehmen. Und um so auch die hohen Zustimmungswerte zur AfD wieder zu drücken.

Lesen Sie auch:Nach 60-Milliarden-Urteil: Geht es ohne höhere Steuern?

Am Ende dieses Jahres ist die Koalition aber zurück in Chaos und Unsicherheit. Es ist derzeit vollkommen unklar, ob sie noch wichtige Wirtschaftsansiedlungen mit staatlichen Geldern unterstützen kann. Die Regierung weiß nicht, ob sie die gerade erst verlängerten Energiepreisbremsen weiterhin bezahlen und so Verbraucher vor der finanziellen Kapitulation schützen kann, wenn die Strom- und Gasrechnung zu hoch ist.

Verzweifelt sucht die Koalition nun nach Lösungen. Die erneute Aussetzung der Schuldenbremse wird diskutiert, doch das lehnt die FDP ab. Steuererhöhungen wären eine andere Option, auch dagegen ist die FDP. Sie macht im Gegenzug den Vorschlag, etwa Sozialleistungen zu kürzen. Dagegen sind SPD und Grüne. Derzeit ist schwer vorstellbar, wie dieses Bündnis die Gemeinsamkeiten und die Kraft finden will, aus dieser Situation herauszukommen. Olaf Scholz muss jetzt dringend erklären, wie er weiter regieren will.