Berlin. Die Koalition hatte sich viel vorgenommen, um Familien zu stärken. Umgesetzt wurde kaum etwas. Das ist Rückschritt statt Fortschritt.

Als die Ampel-Koalition 2021 antrat, hatten viele Familien Hoffnung. SPD, Grüne und FDP schrieben sich zahlreiche Vorhaben auf den Zettel, um die Situation von Familien zu verbessern. Auf dem Papier klangen die Pläne der als „Fortschritts-Koalition“ angetretenen Regierung tatsächlich nach Fortschritt. Sorgearbeit sollte besser zwischen Müttern und Vätern verteilt, Partnerinnen und Partner nach der Geburt freigestellt, der Familienbegriff erweitert und Leistungen für Familien in der Kindergrundsicherung gebündelt werden. Es schien, als hätte die Ampel hier einmal keine Probleme sich zu einigen.

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Inzwischen sieht die Lage anders aus. Keines der großen familienpolitischen Vorhaben der Koalition wurde bisher in die Realität umgesetzt. Der Gesetzentwurf zur Familienstartzeit, also der zweiwöchigen Freistellung von Partnern nach der Geburt, hängt seit Monaten in der Ressortabstimmung fest. Es herrscht Uneinigkeit über die Finanzierung. Bei der Kindergrundsicherung hat sich die Koalition so sehr zerstritten, dass mittlerweile das gesamte Projekt wackelt. Und die Verantwortungsgemeinschaft, die ursprünglich einmal für 2023 angekündigt war, soll jetzt frühestens 2025 kommen.

Ampel wollte Eltern im Job besser schützen – passiert ist noch nichts

Dann ist da noch das Elterngeld. Hier wollte die Ampel eigentlich die Partnermonate erweitern, die Beträge sollte zudem dynamisiert werden. Stattdessen gab es aufgrund der Sparmaßnahmen Rückschritt statt Fortschritt. Die Einkommensgrenze für den Anspruch auf Elterngeld wurde abgesenkt, wodurch Gutverdiener leer ausgehen, eine gemeinsame Elternzeit beider Elternteile ist zudem zukünftig nur noch für einen Monat möglich. Die schon lange geforderte Erhöhung der Sätze, die seit der Einführung des Elterngeldes im Jahr 2007 nicht mehr angepasst wurden, rückte hingegen in weite Ferne.

Carlotta Richter, Politik-Korrespondentin.
Carlotta Richter, Politik-Korrespondentin. © FUNKE Foto Services | Reto Klar

Auch andere familienpolitische Vorhaben sind bisher nur schöne Formulierungen im Koalitionsvertrag. Etwa der bessere Schutz von Müttern und Vätern im Berufsleben. So wollte die Ampel den Sonderkündigungsschutz, der während der Elternzeit gilt, auf die Zeit nach der Rückkehr in den Job ausweiten. Auch Schutzlücken im Antidiskriminierungsgesetz sollten geschlossen werden. Eltern würden profitieren, wenn darin „Fürsorgeverantwortung“ als Diskriminierungsmerkmal stünde.

Versprechen der Ampel: Höheres Kindergeld ist schwacher Trost

Beides ist bisher nicht geschehen. Dabei zeigen die Zahlen, dass dringender Handlungsbedarf besteht. In einer Studie der Antidiskriminierungsstelle gaben 2022 etwas mehr als die Hälfte der befragten Eltern an, in Zusammenhang mit einer Schwangerschaft Diskriminierungserfahrungen im Job gemacht zu haben. Beim Wiedereinstieg nach der Elternzeit waren es sogar 62 Prozent. In beiden Fällen waren Mütter stärker betroffen als Väter.

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Klar ist: Mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und der Energiekrise hatte die Bundesregierung zunächst andere Prioritäten. Diese Schonfrist ist allerdings vorbei. Viele Familien sind enttäuscht von der Politik – und das zu Recht. Immerhin: Vor wenigen Tagen kündigte Finanzminister Christian Lindner an, dass das Kindergeld 2025 erneut angehoben werden soll. Angesichts der zahlreichen nicht eingelösten Versprechen für Familien ist das allerdings nur ein schwacher Trost.

Für die Koalition wäre es daher an der Zeit, sich auf das zu besinnen, was sie einst verbunden hat: Das Vorhaben, Familien zu stärken. Sonst bleibt von der Fortschritts-Koalition für Familien am Ende nur Rückschritt.