Berlin . Bundeswehr-Ortskräfte sollen in Ausnahmefällen auch nach Deutschland dürfen, wenn sie nicht direkt bei der Bundeswehr angestellt sind.

Es sind drastische Worte, die Kava Spartak wählt. „Wenn die Taliban erstmal über ganz Afghanistan herrschen, werden diese Menschen als Verräter*innen und Kollaborateur*innen hingerichtet. Dazu darf es nicht kommen.“ Spartak, selbst Deutscher mit afghanischer Einwanderungsgeschichte, half der Bundeswehr als Sprachmittler.

Spartak meint Menschen in Afghanistan, die der Bundeswehr am Hindukusch in den vergangenen Jahren beim Einsatz geholfen haben. Lokale Ortskräfte, junge Afghaninnen und Afghanen, die als Fahrer, Köche, Dolmetscherinnen für die deutschen Soldaten tätig waren. So wie er selbst einst.

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Jetzt, wo die Bundeswehr aus dem Kriegsgebiet abzieht, sollen einige Hundert von ihnen Schutz in Deutschland erhalten. Dafür können sich Afghanen mit ihren Familien vor Ort für ein besonderes Aufnahmeprogramm der Bundesregierung melden.

Bundesregierung will die strikten Regeln für Ortskräfte lockern – zumindest ein wenig

Doch das Angebot der Hilfe trifft nicht alle. Sondern nur afghanische Ortskräfte, die unmittelbar bei der Bundeswehr angestellt sind oder in den vergangenen zwei Jahren waren.

An dieser engen Eingrenzung der Hilfe für Deutschlands afghanische Ortskräfte hagelte es in den vergangenen Wochen Kritik – von der Opposition, von Flüchtlingshelfern, aber teilweise auch von früheren ranghohen Bundeswehr- Mitarbeitern, die selbst im Einsatz vor Ort waren.

Nun zeigt sich: Die Bundesregierung will die Hilfe für afghanische Ortskräfte nach dem Abzug der Bundeswehr in „ganz besonders begründeten Ausnahmefällen“ ausweiten. Zwar würden, „diejenigen, die für externe Dienstleister tätig waren oder sind“ und kein Arbeitsverhältnis mit einem deutschen Ressort wie dem Verteidigungsministerium haben, von dem „besonderen Aufnahmeverfahren“ nicht erfasst, schreibt das Bundesinnenministerium in einer Antwort auf Anfrage der Grünen-Fraktion im Bundestag, die unserer Redaktion vorliegt.

Zugleich hebt das Innenministerium in der Antwort nun jedoch hervor: „Nach der Vereinbarung unter den betroffenen Ressorts kann in ganz besonders begründeten Ausnahmefällen eine Aufnahme dann erfolgen, wenn die individuelle Gefährdung auf das Vertragsverhältnis besonders begründet zurückzuführen ist.“

Grüne heben hervor: Es ist eine Frage der Verantwortung und Solidarität

Bisher hatte die Bundesregierung immer hervorgehoben, dass das besondere Aufnahmeprogramm für afghanische Ortskräfte der Bundeswehr nur für Personen gelte, die in den vergangenen zwei Jahren direkt mit einem Arbeitsvertrag bei der Bundeswehr angestellt sind.

Diese grundsätzliche Regelung hob die Bundesregierung in der aktuellen Antwort auf die Grünen-Anfrage noch einmal hervor: „Die Bundesregierung bezieht grundsätzlich nur die Personen in das Ortskräfteverfahren ein, die auf der Grundlage eines Arbeitsvertrages für ein Ressort tätig waren oder sind.“

Die Grünen sehen in dem Schritt zur mehr Hilfe in begrenzten Ausnahmefällen dennoch ein richtiges Signal an die Helferinnen und Helfer der Bundeswehr während des Einsatzes in Afghanistan. „Es ist ein erster Schritt in die richtige Richtung, dass die Bundesregierung in besonderen Fällen für die bei Subunternehmern beschäftigten Afghanen Aufnahmen ermöglichen will“, sagte die migrationspolitische Sprecherin der Grünen, Luise Amtsberg, unserer Redaktion.

Staatssekretär: Bundesregierung setzt „etablierte Verfahren“ fort

Allerdings müsse das besondere Ortskräfteverfahren „auch für Menschen gelten, die länger als zwei Jahre aus einem Arbeitsverhältnis für deutsche Ministerien ausgeschieden sind“. Grünen-Politikerin Amtsberg hob hervor: „Es ist eine Frage deutscher Verantwortung und Solidarität, die Aufnahme afghanischer Ortskräfte und ihrer Familien in Deutschland zu entbürokratisieren und zu beschleunigen.“

Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Stephan Meyer (CSU), hob hervor: „Deutschland wird sich wie bisher intensiv um die afghanischen Ortskräfte kümmern, die in den verschiedensten Funktionen wichtige und auch anspruchsvolle Unterstützungsarbeit für ein in Afghanistan engagiertes Ressorts geleistet haben.“

Besonders wolle die Bundesregierung aber auch vor allen denjenigen afghanischen Ortskräften eine Perspektive bieten, die aufgrund ihrer Tätigkeit für die Ressorts in Afghanistan gefährdet sind. Dafür wolle das Ministerium auf „etablierte Verfahren“ zurückgreifen. Und sich auch dafür einsetzen, dass die afghanischen Ortskräfte in ihrer Heimat eine Perspektive finden, hob Meyer hervor.

Bislang sind 3400 afghanische Ortskräfte nach Deutschland gekommen

Über das 2013 eingerichtete Aufnahmeprogramm für ehemalige Ortskräfte und ihre Familien haben bislang fast 3400 Menschen aus Afghanistan in Deutschland eine neue Heimat gefunden. Wie das Bundesinnenministerium auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa mitteilte, reisten über die Jahre auf diesem Weg 3394 Menschen nach Deutschland ein: 798 ehemalige Ortskräfte mit insgesamt 2596 Angehörigen.

Hinzu kommen den Angaben zufolge Zusagen für 405 Ortskräfte mit 1515 Familienangehörigen, die im aktuellen beschleunigten Verfahren erteilt wurden. Dieses Verfahren war in Gang gesetzt worden, weil die Nato-Ausbildungsmission „Resolute Support“ diesen Sommer endet.

Mit der Ankunft dieser Menschen werde ab Juli gerechnet, sagte ein Sprecher der Deutschen Presse-Agentur. Aktuell darf einen Antrag auf Aufnahme stellen, wer in den zwei Jahren zuvor für die Bundeswehr, das Auswärtige Amt, Institutionen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit oder eine von drei Stiftungen gearbeitet hat. Hinzu kommen Afghanen, die für die Bundespolizei tätig waren. Jeder Berechtigte darf seine Kinder sowie Ehefrau oder Ehemann mitbringen.