Berlin. Frauen haben die gleichen Rechte wie Männer - und sind im Alltag dennoch oft benachteiligt. Eine Bilanz zum Internationalen Frauentag.

Seit 1949 steht sie im Grundgesetz, die Gleichberechtigung von Männern und Frauen. Und zwar prominent und weit vorn, in Artikel 3 Absatz 2. Doch die „tatsächliche Durchsetzung“ und die „Beseitigung bestehender Nachteile“, die dort auch als Ziele genannt werden, haben sich als überaus anspruchsvolle Vorhaben erwiesen. Wie weit ist die Gleichberechtigung in Deutschland in den vergangenen 74 Jahren vorangeschritten? Eine kleine Bilanz im Überblick.

Bildung. Gleichberechtigter Zugang zu Bildung war ein wichtiger Kampf der Frauenbewegung – und einer, in dem die Bewegung große Erfolge vorweisen kann. Mädchen haben inzwischen nicht nur die gleichen schulischen Möglichkeiten wie Jungen, sie haben oft auch bessere Bildungserfolge.

So haben anteilig inzwischen mehr Frauen Abitur und mehr Frauen Mittlere Reife als Männer. 2021 waren unter den Studienanfängern und -anfängerinnen 52,4 Prozent Frauen, unter denen, die erfolgreich ein Studium abschlossen, lag der Anteil sogar bei 52,9 Prozent. Auch bei den Habilitationen fehlen inzwischen nur noch wenige Prozentpunkte zur Parität. Geht es allerdings um Karrieren im akademischen Betrieb, gibt es immer noch eine deutliche Schieflage: Nur 27,2 Prozent der hauptberuflichen Professorinnen und Professoren an deutschen Unis und Hochschulen machten 2021 Frauen aus.

Bundesregierung: Das Paritätsversprechen hat der Kanzler schon gebrochen

Politik. Die Hälfte der Macht den Frauen? Das sollte das Ziel sein, findet unter anderem Bundeskanzler Olaf Scholz. Doch von diesem Anspruch ist die deutsche Politik weit entfernt.

Im aktuellen Bundestag ist knapp mehr als ein Drittel der Abgeordneten weiblich. Bei Grünen und Linken sind mehr als die Hälfte der Abgeordneten Frauen, die SPD kommt auf über 40 Prozent. In der FDP-Fraktion ist ein Viertel der Mitglieder weiblich, bei der Union liegt der Anteil etwas darunter. Schlusslicht ist die AfD mit einem Frauenanteil von gerade einmal 11,5 Prozent. Im Kabinett stellte der Kanzler unterdessen seinen eigenen Anspruch, das Regierungsteam paritätisch zu besetzen, Anfang des Jahres hintenan und ersetzte Ex-Verteidigungsministerin Christine Lambrecht mit Boris Pistorius.

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Auch auf der kommunalen Ebene sieht es wenig besser aus – nach einer Auswertung der Boell-Stiftung lag der Frauenanteil in Kreistagen, Stadträten und anderen kommunalen Vertretungen bei 37 Prozent. Und nur 12 Prozent der Oberbürgermeisterinnen und -meister waren Frauen. Seit einiger Zeit wird deshalb in den Ländern, aber auch im Bund diskutiert, ob es nicht ein Paritätsgesetz brauche – damit die Hälfte der Macht auch bei Frauen ankommt.

Sicherheit. „Jede Stunde erleiden durchschnittlich 13 Frauen Gewalt in der Partnerschaft. Beinahe jeden Tag versucht ein Partner oder Expartner, eine Frau zu töten.” So kommentierte Bundesfrauenministerin Lisa Paus (Grüne) im November 2022 die Ergebnisse einer Studie, die eine Bilanz über partnerschaftliche Gewalt in den letzten fünf Jahren zieht.

Zwar hat sich Deutschland durch die Ratifizierung der Istanbul-Konvention dazu verpflichtet, geschlechterspezifische Gewalt zu bekämpfen. Aber die jüngsten Zahlen sind ernüchternd: In den vergangenen fünf Jahren ist die Zahl der Opfer von partnerschaftlicher Gewalt um 3,5 Prozent gestiegen. 80,3 Prozent der Betroffenen sind weiblich. 78,8 Prozent der Täter waren männlich.

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Dagegen vorgehen will die Bundesregierung nun unter anderem mit einer bundesgesetzlichen Regelung zu Schutz und Beratung bei Gewalt. Auch das bereits bestehende Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen”, das rund um die Uhr anonym erreicht werden kann, wird weiterhin finanziell gefördert (Hilfetelefon: 08000 116 016, anonym, in 18 Sprachen, kostenfrei).

Lohnlücke: Der Unterschied beträgt immer noch 18 Prozent

Arbeit. Noch immer verdienen Frauen weniger als Männer - im Schnitt 18 Prozent pro Stunde. Auch weil sie oft in schlechter bezahlten Berufen arbeiten. In Erziehung und Pflege, in Friseur-Salons oder in der Gastronomie sind besonders oft Frauen zu niedrigen Löhnen beschäftigt.

Aber auch in den Chef-Etagen herrscht nach wie vor eine Ungleichheit. Lediglich 17,1 Prozent der Vorstände börsennotierten Unternehmen sind derzeit mit Frauen besetzt. Das zeigt ein Bericht der deutsch-schwedischen AllBright-Stiftung – und das, obwohl seit 2012 mehr Frauen als Männer einen Abschluss in Betriebswirtschaftslehre erlangen. „Es ist also nicht so, dass Frauen kein Interesse an der Wirtschaft hätten. Und sie starten auch in den Unternehmen, aber sie kommen tatsächlich nicht in den oberen Führungsebenen an“, sagt AllBright-Geschäftsführerin Wiebke Ankersen. Sie führt das unter anderem auf eine eher konservative Unternehmenskultur zurück.

Zudem betreiben nach wie vor Frauen deutlich mehr unbezahlte Sorgearbeit als Männer, im Schnitt 87 Minuten täglich. Das belegen Zahlen des Familienministeriums zum sogenannten Gender Care Gap. Diese Ungleichheit hat Konsequenzen: Männer arbeiten häufiger in Vollzeit. Die daraus resultierenden niedrigeren Einkommen für Frauen führen später zu niedrigeren Renten.

Rente. In Deutschland arbeiten Frauen oft in Teilzeit, kümmern sich um Kinder und Angehörige. Ihre Einkommen sind im Durchschnitt niedriger als die von Männern. Das schlägt auch auf die Rentenansprüche durch – und zwar insbesondere für Westdeutschland, wo ein höherer Anteil der Frauen Teilzeitjobs nachgeht als im Osten.

So bekamen im Westen Neu-Altersrentnerinnen von der Rentenversicherung zuletzt durchschnittlich pro Monat 809 Euro ausgezahlt, Neu-Altersrentner hingegen 1218 Euro (jeweils vor Steuern, aber nach Abzug der Sozialabgaben). Im Osten waren es hingegen 1070 Euro bei den Frauen und 1141 Euro bei den Männern.

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Niedrigere Renten bedeuten sehr häufig Altersarmut. Und die ist in der Regel weiblich. Kritiker bemängeln, dass das deutsche Steuerrecht sogar noch zur Altersarmut von Frauen beitrage – indem es mit dem Ehegattensplitting Teilzeitbeschäftigungen Vorschub leiste. Weil Frauen im Erwerbsleben im Durchschnitt weniger verdienen als Männer, haben sie auch geringere Möglichkeiten, privat für das Alter vorzusorgen. Laut einer aktuellen Umfrage des Bankenverbands haben Frauen im Durchschnitt pro Monat rund 400 Euro weniger zur freien Verfügung als Männer. Entsprechend können sie auch weniger Geld sparen.

Krankheiten: Diagnosen sind oft nicht an Geschlechter angepasst

Gesundheit. In der Medizin galt der männliche Körper für lange Zeit als Norm. Gerade bei der Erkennung und Behandlung von Krankheiten fehlt es deshalb häufig an auf den Frauenkörper angepasste Diagnosen und Dosierungen. Dass Frauen andere Symptome bei Herzinfarkten haben als Männer und deshalb oft nicht richtig diagnostiziert werden, ist nur ein Beispiel für die Lücke in der Diagnostik.

Die Frauengesundheitsforschung fordert deshalb neben geschlechtersensiblen Strukturen im Gesundheitswesen auch spezifisch an Frauen angepasste Diagnoseverfahren und Therapien. Das Robert-Koch-Institut zieht in seinem 2020 erstellten Bericht zur gesundheitlichen Lage der Frauen in Deutschland das Fazit, dass es durchaus Fortschritte in Richtung einer gleichberechtigten Medizin gibt.

So ist die Lebenserwartung von Frauen mit einem Durchschnitt von 83 Jahren so hoch wie noch nie. Gleichzeitig geht aus dem Bericht aber auch hervor, dass noch einige Herausforderungen überwunden werden müssen, bis der weibliche Körper in der Mitte der Forschung angekommen ist.