Berlin. CDU-Chef Merz flirtet derzeit mit den Grünen. 2025 könnte er mit Schwarz-Grün Bundeskanzler werden. Vorbilder für das Bündnis gibt es.

Hendrik Wüst in Nordrhein-Westfalen und Daniel Günther in Schleswig-Holstein haben ihrer Partei gerade vorgemacht, wie es gehen kann. Beide CDU-Politiker haben kürzlich bei den Landtagswahlen in ihren Bundesländern eine satte Mehrheit für die Union eingefahren und können damit als Ministerpräsidenten weiterregieren.

Allerdings müssen sie dafür neue Koalitionen schmieden. In NRW kommt die CDU mit den abgestürzten Liberalen nicht mehr auf eine Mehrheit. Und im hohen Norden, wo bisher ein Jamaika-Bündnis aus Union, Grünen und FDP regierte, hat die CDU eine Absage für eine Fortführung des Dreierbündnisses erhalten. So läuft es nun sowohl an der Küste als auch zwischen Rhein und Ruhr auf eine Koalition mit dem jeweils zweiten großen Wahlsieger zu: den Grünen.

Wüst nahm in dieser Woche Sondierungen für Schwarz-Grün auf, im Norden haben sich beide Parteien bereits auf die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen geeinigt. Und auch im Bund können sich inzwischen vor allem in der CDU viele vorstellen, in Zukunft ein solches Bündnis mit den Grünen zu schmieden. Es wäre für die Union eine Option für die Rückkehr an die Macht.

Für die CDU ist Schwarz-Grün eine Machtoption und für Merz der Weg zum Kanzler

Nach ihrer historischen Niederlage bei der Bundestagswahl im vergangenen Herbst sowie nach insgesamt zwölf Jahren Großer Koalition mit der SPD erscheint vielen im Unionslager ein Bündnis mit der Umweltpartei als Perspektive. Zumal unklar ist, ob und wann es für ein Zweierbündnis mit den schwächelnden Liberalen wieder für eine Mehrheit reichen könnte.

Die Grünen sind da die verlässlichere Bank. Und vermutlich würde ein Unionskanzlerkandidat - egal ob es nun einer der beiden Aufsteiger Wüst und Günther wird oder doch Parteichef Friedrich Merz - viele Zugeständnisse machen, um über eine schwarz-grüne Mehrheit an die Spitze der Regierung zu gelangen.

Ohnehin sind sich Grüne und Schwarze längst nicht mehr Spinnefeind - anders als früher. Mittlerweile kennt man sich besser und merkt: In vielen Fragen, etwa dem klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft, gibt es Gemeinsamkeiten. In etlichen Bundesländern regieren CDU und Grüne bereits miteinander - etwa in Hessen und Baden-Württemberg.

Schwarz-Grün: CDU-Politikerin Güler spricht von „Koalition der Zukunft“

In Brandenburg und Sachsen ist jeweils noch die SPD als Partnerin in Dreierbündnissen mit dabei. Nun also womöglich bald Schwarz-Grün in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen. Selbst im Bund hatte es nach der Wahl 2017 erstmals Jamaika-Verhandlungenzwischen CDU, FDP und Grünen gegeben. Sie scheiterten wohlgemerkt an der FDP, nicht an den Grünen.

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Die Daten beziehen sich auf das vorläufige Ergebnis des Landeswahlleiters. Alle Angaben in Prozent.

Wer sich in diesen Wochen in der Union umhorcht, vernimmt auffallend viel Lob für die Grünen. Vor allem Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und Wirtschaftsminister Robert Habeck wird gute Arbeit bescheinigt. Sie seien inhaltlich sortiert und im Auftreten hoch professionell, ist zu hören. So viel Wohlwollen erhält eine Regierungspartei selten aus der Opposition, nicht einmal hinter vorgehaltener Hand.

Für CDU-Vorstandsmitglied Serap Güler ist Schwarz-Grün bereits die „Koalition der Zukunft“. „In der aktuellen Situation wäre eine schwarz-grüne Koalition im Bund definitiv besser für das Land als die Ampel“, sagte die einstige NRW-Integrationsstaatssekretärin der „Rheinischen Post“.

CDU-Chef Merz lobt vor allem die grüne Außenministerin Annalena Baerbock

Auch Merz, der machtpolitisch gute Gründe hat, die Grünen als potenzielle Regierungspartner zu umgarnen, äußert sich jüngst auffallen positiv über die Arbeit von Baerbock. Bei einem gemeinsamen Talkshow-Auftritt mit Grünen-Chefin Ricarda Lang in der ARD Sendung „Maischberger“ kurz vor der NRW-Wahl Mitte Mai lobt der Oppositionsführer die grüne Außenministerin fast überschwänglich für ihren Besuch in Kiew: „Dass sie das gemacht hat: Chapeau!“

An anderer Stelle der Sendung kommt Merz zu einem weiteren wohlwollenden Urteil. „Ich muss sagen: Die Grünen sind jetzt in der Regierung und in der Regierung machen sie im Wesentlichen ihre Sache gut.“ Man kann die Äußerungen von Merz durchaus als Versuch lesen, mit den Grünen gut Wetter zu machen und sie mit freundlichen Tönen ein Stück aus der Ampel herauszulocken.

Merz unterlässt Angriffe auf die Grünen, anders als noch im Bundestagswahlkampf

Vergessen scheinen die Zeiten aus dem Bundestagswahlkampf, als Merz die Grünen noch zur einer sicherheitspolitischen und kulturellen Bedrohung stilisierte. In einem Namensbeitrag für „Focus Online“ Anfang August 2021 schrieb Merz, der damals noch nicht CDU-Vorsitzender war, die Grüne hätten das „Ziel, möglichst viele Einwanderer unabhängig von ihrer Integrationsfähigkeit nach Deutschland einzuladen“.

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Die Daten beziehen sich auf das vorläufige Ergebnis des Landeswahlleiters. Alle Angaben in Prozent.

Zudem solle „die Gender-Sprache uns allen aufgezwungen“ werden. Es klang nicht nach Schmeichelei in Richtung der Grünen, sondern nach Stimmenfang weit rechts. Zwar betont Grünen-Chefin Lang in der TV-Runde mit Merz, dass sich ihre Partei im Ampel-Bündnis mit SPD und FDP sehr wohl fühle.

Kanzlerkandidatur bei der Union ist noch offen, Merz hat zwei junge Mitbewerber

Andererseits: Warum sollte für die Grünen nach der Bundestagswahl 2025 nicht auch die Union eine mögliche Regierungspartnerin sein? Wenn es in den Ländern gut läuft mit Schwarz-Grün, würde man sich im Bund vermutlich nicht verweigern. Lang selbst stammt aus Baden-Württemberg, wo die Grünen seit 2016 mit der CDU als Juniorpartnerin in einer grün-schwarzen Koalition regieren.

An den Gedanken, dass der 66-jährige Konservative Merz und die 28 Jahre alte Parteilinke Lang Koalitionsverhandlungen miteinander führen und die Grünen den CDU-Vorsitzenden danach zum Kanzler wählen, müsste man sich tatsächlich erst noch gewöhnen.

Doch wer weiß - vielleicht handeln die Grünen 2025 ja auch mit einem Kanzlerkandidaten Wüst oder Günther aus, zu welchen Bedingungen die Union zurück an die Macht kommt. So gesehen hat Merz in jedem Fall gute Gründe, sich schon jetzt mit den Grünen gut zu stellen.